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40 Jahre OSZE: Mission gescheitert?

Roman Goncharenko1. August 2015

Entspannung im Kalten Krieg, Konfliktverhütung und Schutz von Menschenrechten. Mit diesen Zielen wurde vor 40 Jahren die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gegründet. Eine Bilanz.

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Ukraine, OSZE, Seperatist (Foto: REUTERS/Sergei Karpukhin)
Bild: Reuters

Es ist nicht lange her, da wollte die Ukraine anderen helfen. Als Kiew im Januar 2013 den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernommen hatte, zählten eingefrorene Konflikte wie Transnistrien zu seinen Prioritäten. Ein Jahr später hatte die Ukraine zwei eigene Konfliktherde: die Halbinsel Krim wurde von Russland annektiert, im Osten übernahmen prorussische Separatisten große Teile des Kohlereviers Donbass. Ein Krieg forderte bis heute tausende Menschenleben. Für die OSZE, die am Samstag ihren 40. Geburtstag feiert, ist die Ukraine zu dem wohl wichtigsten Einsatzgebiet geworden. Sie überwacht den Waffelstillstand und nimmt an Verhandlungen im Rahmen der sogenannten Minsker Kontaktgruppe teil.

Dabei wurde die OSZE noch vor wenigen Jahren als Papiertiger verspottet und schien in Vergessenheit geraten. "Die Mitgliedstaaten haben sie stark vernachlässigt", sagte der DW Wolfgang Zellner, Leiter des Zentrums für OSZE-Forschung an der Universität Hamburg. Heute stehe sie im Mittelpunkt der Weltpolitik. "Die Tatsache, dass sich Journalisten dafür interessieren und sie nicht mit der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – Red.) verwechseln, das ist erst seit der Ukraine-Krise so."

Entspannungsinstrument im Kalten Krieg

Die Geschichte der Organisation begann im Kalten Krieg. Im Sommer 1973 nahm auf Initiative des von der Sowjetunion angeführten Warschauer Paktes die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ihre Arbeit auf. Gesucht wurde nach Entspannung im Ost-West-Konflikt. Nach zwei Jahren wurde am 1. August 1975 in Helsinki die Schlussakte von 35 Staats- und Regierungschefs unterzeichnet. Sie verpflichteten sich unter anderem, mehr Sicherheit zu schaffen, Konflikte friedlich zu lösen und Menschenrechte zu achten. In Ländern des Ostblocks wurden Helsinki-Gruppen gegründet , die sich für Menschenrechte hinter dem Eisernen Vorhang einsetzten.

Nach dem Zerfall des Ostblocks stand die KSZE vor neuen Herausforderungen. Sie half den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, Demokratie aufzubauen. Viele Menschen dort kennen sie vor allem wegen ihrer Wahlbeobachtermissionen.

Rückzug der Armee aus Ostukraine, OSZE Beobacher (Foto: REUTERS/Gleb Garanich)
Zurzeit das wichtigste Einsatzgebiet: die UkraineBild: Reuters/G. Garanich

1995 wurde die KSZE in OSZE umbenannt. Inzwischen sind 57 Staaten in der Organisation mit dem Hauptsitz in Wien vertreten, darunter Gründungsmitglied USA. Entscheidungen werden im Konsens gefällt, sind allerdings völkerrechtlich nicht bindend.

Spaltung zwischen Russland und westlichen Staaten

Seit über einem Jahrzehnt beobachten Experten wie Zellner eine Spaltung zwischen Russland und westlichen Staaten innerhalb der OSZE. Moskau warf der Organisation "doppelte Standards" in der Menschenrechtsfrage und Einmischung in innere Angelegenheiten vor. Der Außenminister Sergej Lawrow drohte 2006 sogar mit einem Austritt Russlands aus der Organisation. Bei den Parlamentswahlen 2007 und 2011 sowie bei der Präsidentenwahl 2008 schickte die OSZE keine Wahlbeobachter nach Russland. Moskau habe zu scharfe Auflagen erlassen, beschwerte sich die Organisation.

Auch beim Schwerpunkt Sicherheit fällt die Bilanz im postsowjetischen Raum ernüchternd aus. Die OSZE hat es weder geschafft, eingefrorene Konflikte wie in Berg Karabach zu lösen, noch neue wie in Georgien 2008 zu verhindern.

Diplomatischer Eklat mit Helsinki

Spätestens seit der aktuellen Ukraine-Krise scheint die OSZE vor den gleichen Problemen zu stehen wie vor 40 Jahren. Politiker bestreiten das, doch immer mehr Experten sprechen von einem neuen Kalten Krieg. Mit der Annexion der Krim habe Russland "in mehrfacher Weise" gegen Grundprinzipien der Helsinki-Schlussakte verstoßen, darunter Verzicht auf Gewalt und Unverletzlichkeit der Grenzen, sagt Zellner von der Uni Hamburg .

Wenige Wochen vor dem Jubiläum trübte ein diplomatischer Eklat das Verhältnis zwischen Oder SZE und Russland weiter ein. Finnland verweigerte dem russischen Parlamentsvorsitzenden Sergej Naryschkin und fünf weiteren Russen, die an der Tagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE teilnehmen wollten die Einreise . Als Begründung nannte Helsinki EU-Sanktionen gegen Russland. Die gesamt russische Delegation blieb aus Protest zu Hause.

Keine Suspendierung wie bei Jugoslawien

Trotz vieler Rückschläge sehen Experten die OSZE nicht als gescheitert. "Die OSZE an sich ist eine relativ schwache Organisation", meint der Experte Zellner. Sie sei dazu da, Konflikte zu managen. Der Hamburger Experte hält nichts von der Idee, Russlands Mitgliedschaft in der OSZE zu suspendieren. "Wenn man Russland suspendiert, wie man es mit Jugoslawien gemacht hat (1992 – 2000), dann entfällt der Zweck der OSZE, dann kann man sie auflösen" sagt Zellner. Ohne Russland würde es auch keine Sonderbeobachtungsmission in der Ukraine geben.

Ähnlich sieht es der Olexander Suschko, Außenpolitik-Experte aus Kiew. Die OSZE hätte die Annexion der Krim nicht verhindern können. Außerdem gebe es für eine Beobachtermission in der Ostukraine keine Alternative, sagte Suschko der DW. Deshalb sei Kiew nicht an einer Suspendierung Russlands interessiert. "Wenn wir eine Struktur brauchen, um Russland ins Gesicht ihre Verbrechen vorzuwerfen, dann sollten wir sie nicht aus der OSZE ausschließen", sagt Suschko.

OSZE, Außenminister Konferenz 04.12.2014 in Basel (Foto: SEBASTIEN BOZON/AFP/Getty Images)
Erfunden im Kalten Krieg als ein Mittel der DiplomatieBild: AFP/Getty Images/S. Bozon

Sowohl Zellner, als auch Suschko halten eine grundlegende Reform der OSZE, eine Art "Helsinki-2", nicht für sinnvoll. Die Grundsätze aus dem Jahr 1975 seien aktuell, man müsse dafür sorgen, dass sie von Staaten nicht gebrochen werden.

Im Jahr 2016 übernimmt Deutschland den OSZE-Vorsitz. Die Ukraine dürfte Thema Nummer eins bleiben, glaubt Zellner. Berlin werde aber auch versuchen, "den Dialog mit Moskau wieder in Gang zu bringen". Einfach werde das nicht.