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Gemeinsames Schicksal

Thomas Bärthlein14. August 2007

Nach ihrer Unabhängigkeit von den Briten haben Indien und Pakistan nach verschiedenen Philosophien gelebt und mehrere Kriege geführt. Dennoch verbindet die Nachbarn 60 Jahre nach ihrer Gründung mehr als sie trennt.

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Bild: DW

Indien und Pakistan verstehen sich selbst so sehr als Gegensätze, dass es auch für Außenstehende nahezuliegen scheint, zum 60. Unabhängigkeitstag die Unterschiede noch einmal besonders hervorzuheben. Das Bild der beiden Länder in den internationalen Medien könnte gegensätzlicher nicht sein: Während Indien, jahrzehntelang quasi Sinnbild der Armut, seit einiger Zeit als vorbildliches Schwellenland wahrgenommen wird, scheint für Pakistan eine andere Rolle reserviert: Das Land gilt als Hort des militanten Islamismus.

In Wirklichkeit haben Pakistan und Indien bei allen Unterschieden vor allem eine Menge Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel erleben beide gerade einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung, aber auch eine Stärkung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Institutionen.

Mehr unabhängige Medien, selbstbewusste Justiz

Pakistan vollzieht dabei einige Entwicklungen nach, die Indien in den letzten Jahren vorgemacht hat: Dazu gehört etwa die rasante Entwicklung privater Medien, vor allem des Fernsehens, die trotz aller Kommerzialisierung der Demokratisierung einen Schub gegeben hat. Dazu gehört auch eine deutlich selbstbewusstere Justiz, die – ganz ähnlich wie in Indien – Demokratiedefizite anderer Institutionen aktiv kompensieren will.

Indien mag eine stabilere Demokratie haben, dank bewährter Institutionen, etwa einer sehr starken unabhängigen Wahlkommission. Doch erst vergangene Woche hat sich gezeigt, dass man auch in Pakistan nicht mehr einfach den Notstand verhängen kann – Präsident Musharraf musste seinen offenbar bereits gefassten Plan nach starken Protesten wieder in der Schublade verschwinden lassen. Die Chancen für wirklich freie Wahlen stehen in diesem Herbst besser als seit langem.

Armutsschere und Intoleranz

Auch die Probleme und Herausforderungen, vor denen beide Länder stehen, sind vergleichbar. Allen voran natürlich die soziale Frage, die in Südasien auch 60 Jahre nach der Unabhängigkeit nicht annähernd gelöst ist. Der Wirtschaftsboom lässt das Elend der Massen nur in einem noch grelleren Licht erscheinen. In manchen Bereichen mag Indien auch hier einen Schritt weiter sein, was etwa die Alphabetisierung von Frauen oder Landreformen angeht. Aber dass die Mehrheit der Bevölkerung trotz Wirtschaftsboom unter oder nur knapp über der Armutsgrenze lebt, ist und bleibt eine Schande.

Pakistan und Indien haben in den letzten Jahren auch beide reichlich Erfahrungen mit religiöser Intoleranz und der populistischen Vermischung von Religion und Politik gemacht. Während in Indien eine Hindu-Partei die Regierung führte, kam es in Gujarat zu Pogromen gegen die muslimische Minderheit, die von den Behörden zumindest toleriert wurden. In Pakistan mobilisieren Populisten die Massen gegen die westliche Welt, und Militär und Geheimdienste unterhielten enge Verbindungen zu militanten Islamisten. In beiden Ländern scheint sich zum Glück abzuzeichnen, dass die Mehrheit der Bevölkerung und des Establishments von dieser Art von Politik genug hat – vorerst zumindest.

Keiner kann ohne den anderen

Pakistan und Indien, das haben die meisten inzwischen erkannt, verbindet nämlich auch ein gemeinsames Schicksal: Keiner der beiden kann wirklich vorankommen, wenn der andere nicht mitgeht. Dazu sind die nuklear gerüsteten Nachbarn vor allem durch den Kaschmir-Konflikt zu sehr miteinander verstrickt. Die letzten Jahre waren eine Zeit der vorsichtigen Entspannung. Allerdings wird noch genug Energie im Rüstungs-Wettlauf vergeudet. Von einer wirklich konstruktiven Kooperation kann noch nicht die Rede sein.

Zu gemeinsamen Unabhängigkeitsfeiern hat es in diesem Jahr noch nicht gereicht. Bürgerinitiativen, die an der Grenze gemeinsam feiern wollten, wurden von den Bürokraten tatkräftig behindert. Vielleicht klappt’s ja zum 70. Geburtstag.