60 Jahre Staatsgründung
14. August 2007Warum tut sich Pakistan 60 Jahre nach Staatsgründung – im Gegensatz zum großen Nachbarn Indien – mit der Demokratie so schwer? Von Anhängern der Kulturkampf-Theorien ist immer wieder zu hören, das müsse mit dem Islam zu tun haben. In Wirklichkeit spielten ganz andere Faktoren eine Rolle: Der Staatsgründer Muhammad Ali Dschinnah starb, anders als Jawaharlal Nehru in Indien, kurz nach der Unabhängigkeit, und das Militär putschte bereits in den 1950er-Jahren zum ersten Mal.
"Einen Großteil der Verantwortung dafür, dass in Pakistan keine Demokratie entstanden ist, trägt neben der Armee die Spaltung zwischen Ost- und Westpakistan", erläutert Harris Khalique, ein prominenter pakistanischer Intellektueller. Die West-Pakistaner hätten befürchtet, dass in einer Demokratie die Ost-Pakistaner, die Bengalen, dominieren würden. "Dieser Faktor hat gleich am Anfang dazu beigetragen, dass die politischen Kräfte in West-Pakistan keine Demokraten wurden", sagt Khalique.
Furcht der Eliten vor Demokratie
Ost-Pakistan, das ist das heutige Bangladesch. So lange es zu Pakistan gehörte, lebte dort die Bevölkerungsmehrheit. Die politisch und wirtschaftlich dominierenden Eliten hingegen saßen in der West-Hälfte dieses merkwürdigen, durch tausende Kilometer indisches Territorium getrennten Landes.
1971 erkämpfte sich Bangladesch seine Unabhängigkeit von Pakistan. Im verbliebenen Rest Pakistans gehört das Verhältnis der Zentralmacht zu den Provinzen aber immer noch zu den größten Konfliktherden. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung leben im Punjab, dem die anderen Provinzen seine Dominanz zum Vorwurf machen. Sindhis und die aus Indien eingewanderten Muhadschirs bekämpfen sich in Karatschi. In Belutschistan finden fast täglich Anschläge gegen die Zentralregierung statt. Und auch ein Großteil der Unzufriedenheit unter den Paschtunen an der Grenze zu Afghanistan ist auf fehlende politische Rechte in den Stammesgebieten zurückzuführen.
Provinzen kämpfen für mehr Rechte
"Als Pakistan gegründet wurde, war die Idee, dass die Provinzen völlige Autonomie bekommen würden", sagt Ghulam Mustafa Khar, ein Veteranen der pakistanischen Politik. Doch die diktatorischen Regime und auch die Politiker, die später an die Macht kamen, hätten Gefallen daran gefunden, alle Rechte an sich zu reißen. "Das ist der Grund, warum sich Ost-Pakistan von uns abgespalten und warum es all diese Konflikte zwischen den Provinzen gegeben hat“, schließt Khar.
Heute sehen viele in der politischen Klasse in Pakistan ihre Arbeit durchaus selbstkritisch. Javed Hashmi, vor wenigen Tagen durch Beschluss des Obersten Gerichts aus dem Gefängnis frei gekommener Oppositionsführer, glaubt, dass letzten Endes alle Regierenden in der Geschichte Pakistans die Erwartungen der Bevölkerung enttäuscht haben, weil sie ihre Eigeninteressen mit denen des Staates verwechselten: Die Diktatoren wollten "unter allen Umständen ihren Willen durchsetzen, und den nennen sie dann den Willen des Volkes oder auch gleich den Willen Gottes".
Militärs: "Sind zu sehr in Politik verwickelt"
Es war vor allem der Militärherrscher Zia ul-Haqin in den 70er und 80er-Jahren, der die Religion für politische Zwecke manipulierte. Aktuell sind allerdings keineswegs Islamisten, sondern engagierte Anwälte und Journalisten die größte Bedrohung für das Militärregime. Die Wiederwahl von Präsident Musharraf steht an, sie ist aber fraglich, weil das Oberste Gericht Einwände haben dürfte. Musharrafs diktatorische Allüren sind unpopulär und schaden dem Image der Streitkräfte.
Das macht auch Militärs - wie dem pensionierten General und Ex-Geheimdienstchef Asad Durrani - Sorgen. Seine Prognose: In Pakistan steht eine Demokratisierung bevor. "Die Militärs sind in den letzten Jahren so tief in die Politik verwickelt worden, dass wir uns selbst deswegen Sorgen machen und nach Wegen suchen, wie wir da anständig wieder rauskommen."