Abwarten und Tee trinken
10. Juni 2003In einer von Beobachtern als historisch bezeichneten Erklärung im Namen der Regierung sagte Schatzkanzler Gordon Brown, es gebe noch erhebliche Hindernisse für die Übernahme der europäischen Gemeinschaftswährung. "Wir haben die Kriterien noch nicht erfüllt", sagte er. Dies sei jedoch nur eine Frage der Zeit. Eine Mitgliedschaft sei letztlich im britischen Interesse.
Reformen sollen das Land "Euro-fähig" machen
Brown bestand auf einer "klaren und unzweideutigen Erfüllung" der von ihm 1997 aufgestellten fünf Beitrittskriterien. Die Hauptbedingung einer größeren Konvergenz zwischen den Volkswirtschaften Großbritanniens und der Eurozone sah er als "nicht erfüllt" an, dies gelte auch für das Kriterium der wirtschaftlichen Flexibilität. Er kündigte weitere wirtschaftliche Reformen an, um das Vereinigte Königreich schließlich "Euro-fähig" zu machen. Die Einschätzung Browns fußte auf 18 Studien, die er dem Parlament präsentierte.
Der Schatzkanzler zeigte sich überzeugt davon, das die britische Wirtschaft und die Bevölkerung von einer "erfolgreichen Gemeinschaftswährung" profitieren würden. Der Warenaustausch mit der Eurozone könnte nach den von ihm vorgelegten Berechnungen theoretischen Berechnungen über einen Zeitraum von 30 Jahren sogar um "bis zu 50 Prozent" wachsen. Es gebe aber "wenig Anzeichen" für eine allgemeine Konvergenz der wirtschaftlichen Voraussetzungen in der Eurozone. Unter anderem wegen des wichtigen Immobilienmarktes, eine der Triebkräfte der britischen Wirtschaft, sei Großbritannien "besonders anfällig" für Zinsveränderungen.
Zeitplan bleibt unklar
Einen präzisen Fahrplan für den möglichen Beitritt Großbritanniens nannte der Schatzkanzler nicht. Unklar blieb auch, ob die Möglichkeit eines britischen Euro-Referendums noch in dieser Legislaturperiode in Aussicht gestellt wird. Das würde Premierminister Tony Blair und der Mehrheit der Kabinettsmitglieder entgegen kommen, die für einen baldigen Euro-Beitritt sind.
Die liberale Zeitung "The Independent" warf der Labour-Regierung am Montag vor, mit der erneuten Verschiebung einer Entscheidung einen "historischen Fehler" zu begehen. Der Wirtschaftskorrespondent der BBC sprach von dem "größten Antiklimax" der Labour-Regierung. Die oppositionellen britischen Liberaldemokraten warfen Labour vor, nur aus "Angst" vor der öffentlichen Meinung vor einem positiven Urteil zurückzuschrecken. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen einen Euro- Beitritt.
Berlin zeigt Verständnis
Ein Sprecher der Regierung in Berlin zeigte Verständnis für die britische Entscheidung, zum jetzigen Zeitpunkt kein Referendum durchzuführen. Der Euro-Beitritt in Großbritannien müsse sorgfältig vorbereitet und die Bevölkerung "mitgenommen" werden. Die Bundesregierung hoffe, dass die von der britischen Regierung ins Auge gefassten Reformen dazu beitragen würden, dass die ökonomischen Tests im kommenden Jahr für einem Euro-Beitritt positiv ausfallen würden und damit der Weg für ein Referendum frei werde. Langfristig werde ein britischer Euro-Beitritt für die gemeinsame Währung und Großbritannien wirtschaftlich und politisch von Vorteil sein.