Abwicklung der Wiener Regierung beginnt
15. Mai 2017Das aufgeregte und gereizte Klima in der Regierung der Alpenrepublik ist einer milden, versöhnlicheren Tonart gewichen: Der neue Führer der Konservativen, Sebastian Kurz, hat dem Bundeskanzler von den Sozialdemokraten, Christian Kern, einen gemeinsamen Antrag zur vorgezogenen Neuwahl des österreichischen Parlaments gemacht. Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen wusste immerhin zu berichten, dass die Vorstellungen von ÖVP und SPÖ nicht allzuweit auseinander lägen. Angepeilt ist ein Termin im Herbst.
Man berät in Wien parteiintern und parteiübergreifend. Ja, einige geplante Projekte wolle die rot-schwarze Bundesregierung sogar noch zu Ende bringen, ließen Kern und Kurz verlauten. Im Sommer müsse durchgearbeitet werden, es gebe "keine Ferien", sagte Kanzler Kern. Er forderte Außenminister Kurz auf, bis zum endgültigen Aus noch das Amt des Vizekanzlers mitzuübernehmen.
Ende für Eurofighter-Aufklärung?
Die Opposition sprach sich vehement gegen einen sofortigen Antrag für eine Neuwahl aus. Der Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, und die Grünen-Vorsitzende Eva Glawischnig forderten die große Koalition in getrennten Pressekonferenzen auf, sich noch bis Ende Juni Zeit zu lassen. Es sei wichtig, dass der Untersuchungsausschuss zur Eurofighter-Affäre zumindest noch bis dahin weiterarbeiten könne, sagte die Grünen-Vorsitzende. Dessen vorzeitige Beendigung "wäre ein großer Schaden für die Republik. Hier geht es nicht nur um Aufklärung, sondern auch um einen Milliardenbetrag".
Der Ausschuss will unter Vorsitz von Grünen und FPÖ die Umstände klären, die vor zehn Jahren zum teuersten und umstrittensten Rüstungsgeschäft Österreichs führten. Er müsste seine Arbeit beenden, wenn ein Neuwahlantrag gestellt wird.
Insbesondere Kurz hatte in der vergangenen Woche auf Neuwahlen zum Nationalrat gedrängt. Der 30-Jährige wurde am Sonntag von den Gremien zum Nachfolger des zurückgetretenen Parteichefs Reinhold Mitterlehner bestellt und gilt als Hoffnungsträger der Konservativen.
Machtoptionen der FPÖ
Bei vorgezogenen Wahlen hat die EU-kritische und fremdenfeindliche Freiheitliche Partei (FPÖ) gute Chancen, der nächsten Regierung anzugehören. Die für ihre scharfe Asylpolitik bekannte Partei lag seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise in den Umfragen vorne. Strache hofft sogar, Bundeskanzler zu werden.
In neuesten Umfragen kommt jedoch die ÖVP, die bisher weit abgeschlagen lag, mit Kurz an der Spitze auf Platz eins. Eine Neuauflage der großen Koalition halten Politologen für sehr unwahrscheinlich, womit Kurz wohl die FPÖ als Partner bräuchte.
Die SPÖ hat eine Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Bundesebene bisher rigoros ausgeschlossen. Derzeit arbeitet die Partei aber an einem sogenannten Kriterienkatalog, der diese Position möglicherweise aufweichen könnte.
SC/uh (rtr, dpa)