Neue Intendantin für Tanztheater Pina Bausch
3. Februar 2016
DW: Im Mai 2017 werden Sie Intendantin des Tanztheaters Pina Bausch. Bis dahin haben sie ein Vorbereitungsjahr, um sich mit dem Ensemble und den neuen Aufgaben vertraut zu machen. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie an das denken, was auf Sie zukommt?
Adolphe Binder: Ich muss das erst einmal realisieren. Das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Man geht ja einen langen Weg, bis so eine Entscheidung getroffen wird und ich habe mich die letzten Monate auch intensiv damit auseinandergesetzt. Das alles lief parallel zu meinen sonstigen Aufgaben. Ich leite ja immer noch eine Tanzkompanie in Schweden und die ist auch relativ groß und arbeitsintensiv. Aber trotz dieses Weges sickert erst jetzt bei mir so richtig durch, welche Dimensionen das Ganze hat.
Aber es ist ja sicher auch eine Ehre, die Intendanz für die Kompanie Pina Bausch zu übernehmen. Was hat Sie besonders gereizt?
Wenn man im Theaterbereich in Deutschland arbeitet und sich für Tanz und Theater und alle Multidisziplinen interessiert, dann ist natürlich der erste Name, der einem begegnet, Pina Bausch. Und das ist so ungefähr die größte Ehre, wenn man damit betraut wird, mit diesen unglaublich tollen internationalen Künstlern aus diesem Künstlerkollektiv um Pina Bausch zusammenzuarbeiten.
Aber es ist natürlich auch dieser Geist, dieser Ideenreichtum, es sind diese Werke, die mir nahe gehen. Die Herausforderung besteht darin, dieses Erbe auf einem hohen Standard aufrecht zu erhalten und das Ensemble gleichzeitig für neue Möglichkeiten zu öffnen, für neue Methoden, neue Ideen, neue Formate. Das finde ich schon eine sehr große und spannende Aufgabe.
Die großen Fußstapfen von Pina Bausch
Sie wurden ja bewusst nicht als Choreografin, sondern als Managerin und künstlerische Leiterin des Ensembles eingestellt. Vor Journalisten haben Sie auch gleich gesagt "Ich bin nicht Pina Bausch, nicht ihre Nachfolgerin". Haben Sie Sorge, dass Sie an Pina Bausch gemessen werden?
Das habe ich mit einem lachenden Auge im Nebensatz gesagt. Ich bin wirklich nicht die Nachfolgerin von Pina Bausch. Da gab es zwei künstlerische Leitungsteams dazwischen, die Teile dieser Aufgaben übernommen haben. Es war eine klare Entscheidung, dass eine Personalunion nicht die Zielrichtung ist.
Also man hat bewusst nicht nach einem Choreografen oder einer Choreagrafin gesucht. Ich sehe mich eher als Kuratorin, als Stifterin von Verbindungen, also eher in der Art einer Dramaturgin. Mir ist es schon wichtig, wie man Themen setzt, und wie man Themen, die da draußen rumschwirren, in Bühnenkunst übersetzt.
Adolphe Binder will sich Zeit für das Ensemble nehmen
Da wird sicher einiges anders werden im Vergleich zu ihrer momentanen Arbeit in Göteborg.
Die Größe der Kompanie ist für mich nicht neu. Ich habe oft mit großen Ensembles gearbeitet. In Göteborg hatten wir in den letzten Jahren 30 Uraufführungen, die waren maßgeschneidert für Göteborg, aber Wuppertal wird etwas ganz anderes sein, und da will ich erst einmal ein Konzept entwickeln. Und vorher will ich den Leuten aus der Kompanie begegnen und mit ihnen sprechen, um einfach ein Gespür dafür zu bekommen, wo das hingehen kann.
Es werden ja auch sicher Wünsche und Erwartungen von außen an Sie herangetragen. Sie erwähnen die neuen Formate, schweben Ihnen da schon konkrete Ideen vor?
Ich bin jetzt gerade erst berufen worden. Es gibt natürlich Ideen, die ich aber erst mal vorbereiten möchte. Bestimmte Dinge werde ich ausprobieren, ohne dass sie gleich an eine Produktion geknüpft sind, und ich mich gleich einer Bewertung ausliefere. Natürlich gibt es zeitgenössische Formate, die ich mit den Künstlern gerne mal durchspielen möchte, aber kein konkretes Konzept.
Die Pina Bausch Kompanie ist erfolgreich wie nie
Die Kompanie ist von der Überfigur Pina Bausch geprägt und wurde die letzten Jahre von Künstlern aus den eigenen Reihen weitergeführt. Sie kommen jetzt mit dem Blick von außen.
Ich bin die Erste, die von außen kommt, das ist ein riesiger Schritt auch für die Kompanie, da müssen die sich erst einmal drauf einlassen. Es ist auch ein riesiger Schritt für mich in der Begegnung. Manchmal ist es ja ganz gut, aus einer distanzierteren Haltung auf die Dinge zu schauen. Auch was das Repertoire oder künstlerisch-strategische oder visionäre Fragen anbelangt. Es ist auch ein Vorteil, dass ich keine emotionale Verknüpfung zu den einzelnen Rollen oder Werken habe. Das kann auch mal ganz gut sein.
Ich finde, dass die beiden Teams vorher wirklich super Arbeit geleistet haben. Seit sechs Jahren tourt die Kompanie und ist erfolgreich wie nie zuvor, das darf man nicht vergessen. Ich bin nicht die Erste, ich bin die Dritte, die folgt. Ich glaube die Kompanie braucht jetzt ein bisschen Nachhaltigkeit, Planungssicherheit und Perspektive. Es ist wichtig, dass der Kern der Kompanie gestärkt und nicht verunsichert wird.
Was wünschen Sie sich für den Start?
Schön fände ich es erst mal zu gucken - und für mich steht Pina Bausch für einen wertfreien und offenen Blick -, wie ich diesen Mut zum Risiko und diesen Geist weitertragen kann, ohne gleich mit einer Bewertungsebene konfrontiert zu werden. Ich will den Künstlern diesen Raum geben können, das fände ich einen ersten wichtigen Schritt.
Adolphe Binder ist zurzeit noch künstlerische Direktorin der Tanzkompanie an der Staatsoper im schwedischen Göteborg. Die erfahrene Kulturmanagerin ist seit über 20 Jahren in der Tanzsparte aktiv. Ihr neues Amt als Intendantin des Tanztheaters Pina Bausch tritt sie im Mai 2017 an. Sie wird selbst nicht choreografisch arbeiten, sondern neue Künstler für die Kompanie gewinnen. Pina Bausch war 2009 gestorben. Die 46-jährige Adolphe Binder kehrt für ihre neuen Aufgaben nach Deutschland zurück. Sie war unter anderem Dramaturgin an der Deutschen Oper Berlin und leitete das Ballett der Komischen Oper Berlin bis zu dessen Auflösung. Sie gilt als international renommierte Persönlichkeit des zeitgenössischen Tanzes. Choreografen wie Sasha Waltz, Sidi Larbi Cherkaoui und Saburo Teshigawara konnte sie für Uraufführungen in Göteborg gewinnen.
Das Interview führte Gaby Reucher