AfD: Extrem rechts
25. März 2020Albrecht Andreas Harlaß liebt deutsche Traditionen. Er liebt seinen Schäferhund Bruno oder die Wechsel der Jahreszeiten mit all ihren Besonderheiten: zum Beispiel die besinnliche Stimmung zur Weihnachtszeit: Dann stellt Harlaß den sogenannten Julleuchter auf, einen Kerzenständer der heidnischen Germanenverehrung. Und zitiert alte Tischsprüche: "Lasst danken uns für Wolken und Wind, für Brot und Frucht, für Ahn und Kind." All das teilt Albrecht Andreas Harlaß mit seinen Freunden in den sozialen Medien. Er ist der Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen.
Aber Harlaß ist mehr als nur traditionsbewusst. Er darf laut Gerichtsentscheid als "lupenreiner Neonazi" bezeichnet werden. Sein Julleuchter war Teil des Brauchtums der mörderischen SS in Zeiten des Nationalsozialismus, der Tischspruch stammt von einer NS-Ideologin und antisemitischen Schriftstellerin. Er trägt Kleidung aus einem Neonazi-Versand. Und in seinen Reden träumt Harlaß von der "Machtübernahme" seiner Partei in Deutschland - ein Ausdruck, der allgemein mit dem Beginn der Herrschaft Hitlers in Verbindung gebracht wird. Harlaß träumt von einem anderen Deutschland. In dem endlich Schluss ist mit der verhassten Politik aller etablierten Parteien. In dem ausgemistet wird und unliebsame Journalisten endlich "zum Arbeitsamt geschickt" gehören. Der Politiker laviert dabei geschickt zwischen ultrarechten Parolen und bürgerlicher Bodenständigkeit.
Extreme Netzwerke
Albrecht Andreas Harlaß ist keine Randfigur der AfD. Er ist ein prominenter Funktionär, mitten in der Partei. Und er ist kein Einzelfall. In allen Winkeln der der selbsternannten Alternative für Deutschland wimmelt es vor radikalen bis revolutionären Scharfmachern. Da sind die Stars aus der ersten Reihe mit ihren Verbindungen in verfassungsfeindliche Organisationen oder zu Neonaziaufmärschen. Da sind Bundestagsabgeordnete, die mit rassistischen Organisationen in Südafrika Schießübungen gemacht haben oder die Neonazis zu Vorträgen einladen. Und da sind die zahlreichen aktiven und ehemaligen Mitarbeiter der AfD in den Parlamenten, die Verbindungen in rechtsextreme Burschenschaften oder in verfassungsfeindliche Aktivistengruppen wie der Identitären Bewegung haben. Einer steht sogar im Verdacht der Terrorfinanzierung. Ein weiterer hatte engste Kontakte zu einem mutmaßlichen Rechtsterroristen. Die linksalternative "tageszeitung" hat recherchiert, dass allein im Bundestag 23 Abgeordnete solche Mitarbeiter beschäftigen oder beschäftigt haben. Dazu kommen noch weitaus mehr Mitglieder in den regionalen Gliederungen der AfD mit Verbindungen ins rechtsextreme Milieu.
Aber auch die selbsternannten "gemäßigten" Funktionäre wirken bei näherem Hinschauen nicht mehr ganz so gemäßigt. So zum Beispiel der Hamburger Fraktionsvorsitzende Alexander Wolf: er ist Mitglied der ultrarechten Burschenschaft Danubia München, die auch Holocaustleugner als Referenten einlädt. Mit dieser Radikalität hat die AfD in Deutschland bislang zahlreiche Erfolge gefeiert. Die radikalsten Landesverbände haben bei Wahlen am Besten abgeschnitten. Und in einigen Regionen im Osten der Republik sind sie kurz davor, stärkste politische Kraft zu sein.
Verfassungsschutz warnt vor Teilen der AfD
Dadurch werden allerdings auch die rechtsextremen Bezüge immer offensichtlicher und haben verstärkt den Inlandsgeheimdienst auf den Plan gerufen. Mittlerweile stuft der einen Teil der Partei ganz offiziell als verfassungsfeindlich und rechtsextrem ein. Das könnte für die Partei erhebliche Konsequenzen haben, denn Verfassungsfeindlichkeit kann in Deutschland ein Kündigungsgrund sein, etwa für Lehrer, Polizisten oder andere Staatsangestellte. Und am Ende könnte das auch Wähler abschrecken und den weiteren Aufstieg der AfD gefährden.
Deswegen fordert der Bundesvorstand, dass sich der so genannte "Flügel" der Partei auflösen soll. In ihm haben sich die besonders extremen Kräfte um den Star der Partei, Björn Höcke, organisiert. Er repräsentiert nach Selbstdarstellung der AfD rund 20 Prozent aller Mitglieder. Mittlerweile haben Höcke und der zweite führende "Flügel"-Chef, Andreas Kalbitz, die Gruppierung mit einem Facebook Post offiziell für aufgelöst erklärt. Entradikalisiert sich also die AfD? Nichts deutet darauf hin. Denn das dichte Netz aus rechtsextremen Gesinnungen und Verbindungen ist gar nicht mehr aus der Partei herauszulösen. Und der Parteivorstand hat seine Protagonisten entweder unterstützt oder scheut drastische Maßnahmen gegen radikale Parteiprominenz. Vorstandsmitglied Andreas Kalbitz war laut Inlandsgeheimdienst Mitglied der völkischen und verfassungsfeindlichen Heimattreuen Deutschen Jugend, die bis zu ihrer Auflösung in der Tradition der Hitlerjugend stand. Konsequenzen hatte das für ihn bislang nicht.
400 Millionen Euro Staatsgelder
Der Erfolg der radikalen Kräfte in der Partei ist ihre strategische Disziplin. Sie preschen zwar immer wieder aggressiv vor - verstehen es aber, zum richtigen Zeitpunkt volksnah und harmlos bürgerlich aufzutreten. Sie befolgen damit die Regeln ihrer intellektuellen Vordenker, wie etwa Götz Kubitschek. Der Verleger hat Einfluss in der Partei. Er wird zu wichtigen Treffen als Impulsgeber eingeladen. Im Juli 2017 riet er in einem Impulsreferat Parlamentariern der AfD: "Sie müssen zweierlei Sprachen pflegen: eine nach innen und eine nach außen." Ziel müsse es dabei sein, taktisch klug den "Meinungskorridor" nach rechts zu verschieben: "Die Begriffe, die undenkbar oder radikal sind – vom Blick des Normalbürgers aus – sind Begriffe, die Sie als Partei unbedingt vermeiden müssen", riet Kubitschek. Die eigenen Forderungen nach einem Systemwechsel und einem autoritären Staat sollen dadurch verschleiert werden. Stück für Stück müsse die "Bewegung" sich dann "Sprechzonen" erobern, so der Publizist, und so werde "das, was aus jetziger Sicht radikal erscheint wenigstens akzeptabel".
Getreu dieser Taktik haben es Politiker wie Albrecht Andreas Harlaß weit gebracht in der Partei. Und sie stehen kraftstrotzend da. Die Zeitung "Rheinische Post" hat ausgerechnet, dass die AfD zwischen 2017 und 2021 rund 400 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung kassieren wird, zur Unterstützung ihrer parlamentarischen Arbeit – von den Kommunen bis zum Bundestag. Auch die radikalen Kräfte haben es verstanden, mit dem Geld ihre eigenen Strukturen zu festigen.