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AfD: vor der Wahl

Kay-Alexander Scholz26. Mai 2014

Die Alternative für Deutschland zieht ins EU-Parlament ein. Diesen Erfolg verdankt sie der Eurokrise, viel Opportunismus und einer straffen Hierarchie - das sind die Zutaten für den Populismus der AfD.

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EU Parlementswahl 25.05.2014 Deutschland Lucke
Bild: picture-alliance/dpa

Als in der Eurokrise Steuergeld für marode Banken und Staaten floss, schlug das mächtig auf die Stimmung im Land. Denn die Angst von vielen vor Kreditausfällen und versickernden Hilfsmilliarden war groß. Der Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke (Foto) griff diese Stimmung auf und gründete im Frühjahr 2013 die "Alternative für Deutschland". Seitdem warnt die AfD vor den Kosten der Euro-Rettung für den deutschen Steuerzahler und dem Verlust von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit infolge der angeblich falschen Krisenpolitik.

Diese Strategie war ein guter Mobilisator: Nur ein Jahr später hat die AfD 18.000 Mitglieder, eine breite Parteistruktur, 100.000 Facebook-Fans (mehr als die SPD) und hat nun - nach dem vorläufigen Endergebnis - bei der Europa-Wahl sieben Prozent geholt.

Ungenau aus Prinzip

Noch immer hat die AfD kein ordentliches Programm, sondern nur Leitlinien verabschiedet. Zentrale Forderung ist die Auflösung oder mindestens Neuordnung des Euro-Raums. Ob es dann die alte D-Mark oder einen Nord-Euro geben soll, darauf könne man sich noch nicht festlegen, sagte Hans-Olaf Henkel, Nummer zwei auf der Europa-Liste, vor kurzem in Berlin.

AfD-Parteitag in Erfurt - Mann mit Aufschrift "Mut zurn Wahrheit" (Foto: dpa)
"Mut zur Wahrheit" - eine der ParteifloskelnBild: picture-alliance/dpa

Doch diese Ungenauigkeit ist kein Versäumnis, sondern wohl politisches Kalkül. Schließlich müssen erst einmal Mitglieder und Wähler eingesammelt werden. Und diese sind laut Wähleranalysen wenig homogen. Sie kommen von der FDP, der Linkspartei, der CDU aber auch von weiter rechts. Passend dazu schreibt die AfD mal "Freiheit" auf ihre Fahnen, dann ganz nationalistisch "Mut zu Deutschland", dann wieder "Partei der Mitte" oder in der "Tradition der Revolution von 1848", also gegen das gesamte Establishment gerichtet. Häufig ist auch die populistische Floskel "Partei des gesunden Menschenverstands" zu hören. Nun, kurz vor der Europa-Wahl hieß die Sprachregelung "Partei mit einem breiten Spektrum".

Auf keinen Fall, so der 52-jährige Lucke, soll die AfD als rechtspopulistisch gelten. Zumindest will man das in der dafür sensibilisierten Medienöffentlichkeit nicht sein. Wenn die Journalisten das dann trotzdem schreiben, gibt es ordentliche Medienschelte, wie beim Parteitag Ende März in Erfurt geschehen. Die Medien würden die AfD als rechtspopulistisch verunglimpfen.

Raues Parteiklima

So vergleichsweise gut die AfD bei der Europawahl abgeschnitten hat, so schlecht ist die Stimmung bei manchen Mitgliedern. Beim Parteitag in Erfurt war zu vernehmen, dass nicht allen der opportunistische Kurs der Parteiführung passt. Lucke versuche nur deshalb, sich ein bürgerlich-gemäßigtes Image zu geben, um in Talkshows nicht mehr als Rechtspopulist beschimpft zu werden. Aber die AfD müsse doch, fordern manche Mitglieder, auch weiterhin den "Mut zur Wahrheit" haben.

Kritik gibt es auch an Luckes "autoritärer" Parteiführung. Es gibt Berichte von unangenehmen Anrufen, in denen er Mitglieder zum Rückzug drängt. Abstimmungsunterlagen seien so knapp verschickt worden, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung kaum mehr möglich war. Andere seien gar nicht informiert worden. Lucke brachte Mitgliederparteitage nach dem Losprinzip ins Gespräch - um Absprachen zu erschweren, wird vermutet. In Erfurt verhinderten die Delegierten nach lauten Auseinandersetzungen eine Satzungsänderung, mit der die Parteiführung noch mehr Macht bekommen hätte.

Europakritisch und zerstritten - wohin steuert die AfD?

Auch die jüngst beschlossenen Leitlinien passen ins Bild: Man wolle damit hinterfragen, ob sich die Mitglieder diesen Leitlinien verpflichtet fühlen. Verkauft wurde das sechsseitige Papier vor der Presse zudem als basisdemokratische Errungenschaft. Kein Wort darüber, dass es ursprünglich ein Papier aus Luckes Feder war, das erst nach Protesten den Weg in eine Mitgliederbefragung fand.

Was kommt danach?

Nun wird ein Großteil der Parteispitze, angeführt von Bernd Lucke, ins EU-Parlament einziehen. Auch die AfD-Abgeordneten werden dann die vorher so scharf kritisierten "fürstlichen Pensionen" bekommen und zur von ihnen so geringgeschätzten EU-Bürokratie gehören.

Sie werden in Brüssel auf eine wohl gewachsene Zahl von Euroskeptikern und EU-Gegnern treffen, die aber unter der kritischen Schwelle bleiben wird, Gesetze zu beschließen. Dazu gehört die Partei von Geert Wilders, die vor Angriffen auf den Lebensstandard in den Niederlanden warnt. Oder Marine Le Pen aus Frankreich, die politisches Kapital aus der wirtschaftlichen Misere schlägt. Ihre Partei ist bei der Europawahl sogar zur stärksten politischen Kraft in Frankreich geworden. Antoine Vitkine hat das europäische Phänomen in seiner für Arte produzierten Dokumentation "Aufmarsch der Populisten" beleuchtet, allerdings noch ohne dabei die AfD zu nennen.

Welcher Fraktion sich die AfD anschließen könnte, ist noch unklar. Lucke lehnte zwar jüngst eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten wie Le Pen oder der britischen Ukip ab. Doch das sehen nicht alle in der Partei so - und selbst Lucke klang auch schon weniger absolut: Er bemängele den "aufputschenden Tonfall" der Partei, in der Sache aber spräche Ukip "berechtigte" Dinge an, sagte er noch im Januar. Aktuell strebt Lucke eine Zusammenarbeit mit den konservativen Tories an. Doch Parteichef David Cameron soll Angela Merkel, die darüber "not amused" wäre, zugesagt haben, dass er eine Kooperation mit der AfD ablehnen werde.

"Berlin pariert" ... heißt es in der dritten Zeile des beschädigten Wahlplakats der AfD (Foto: dpa)
"Berlin pariert" heißt es in der dritten Zeile des beschädigten Wahlplakats der AfDBild: picture-alliance/dpa

Klar ist, die AfD hat nach der Europa-Wahl ein Machtzentrum - das ihr in Deutschland bisher fehlt. Andererseits ist die Parteispitze dann weit weg von den gefährlichen Machtkämpfen in den heimischen Reihen. Schon im Spätsommer könnte ein weiterer Schritt in Richtung Machtsicherung folgen: Die AfD hat gute Chancen, in den sächsischen Landtag einzuziehen. Dort könnte Parteisprecherin Frauke Petry die erste Fraktionschefin in der jungen AfD-Geschichte werden. Gerade aus diesem Landesverband kamen jüngst Schlagzeilen, die zeigen, dass die AfD nicht so gemäßigt ist, wie sie sich gern gibt. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk müsse es eine Deutschquote für Musik geben und sie fordern eine Volksabstimmungen für den Bau von Groß-Moscheen.