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Afghanistan weist Kritik an Christen-Prozess zurück

22. März 2006

Wegen eines zum Christentum übergetretenen Afghanen kommt es zu diplomatischen Spannungen zwischen Afghanistan und den USA sowie Europa. Dem Afghanen droht für den Religionswechsel die Todesstrafe.

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Abdul Rahman droht die TodesstrafeBild: AP

Die afghanische Regierung hat die scharfe Kritik aus Deutschland und Europa an dem Prozess gegen den zum Christentum übergetretenen Abdul Rahman empört zurückgewiesen. Wirtschaftsminister Amin Farhang betonte, die "hitzige und emotionale Reaktion" deutscher Politiker sei überzogen und habe bei den Afghanen für Unmut gesorgt. Unterdessen forderten deutsche Politiker angesichts der in dem Prozess drohenden Todesstrafe erneut eine Änderung der afghanischen Gesetze. Die USA bezeichneten das Verfahren als Test für die Demokratie und die Verfassung in Afghanistan. Die USA respektierten die Souveränität der afghanischen Behörden, seien aber der Ansicht, dass jeder seine Religion wählen können müsse, sagte der Staatssekretär im US-Außenministerium Nicholas Burns.

Justiz auf Verfassungsgrundlage

Die afghanische Verfassung schreibe Glaubensfreiheit fest, sagte Burns am Dienstag (21.3.2006) in Washington nach einem Gespräch mit dem afghanischen Außenminister Abdullah Abdullah. Wenn dies befolgt werde, dann sei der Angeklagte natürlich unschuldig. Die USA verfolgen nach den Worten von Burns den Fall sehr aufmerksam.

Der afghanische Außenminister Abdullah versicherte, dass die Richtschnur für die Justiz die Verfassung sei. Er hoffe deshalb, dass es ein zufrieden stellendes Ergebnis geben werde. Die afghanische Regierung könne aber nicht in das Verfahren eingreifen. Es handele sich um einen juristischen Streit in einem Familienclan. Abdullah sprach von einem sehr heiklen Problem. Die afghanische Botschaft in Washington habe wegen des Falls "hunderte von Zuschriften erhalten", sagte der Minister.

Empörung über deutsche Kritik

Der Prozess gegen Abdul Rahman sei ein offenes Verfahren, sagte Wirtschaftsminister Farhang. "Wir wissen nicht, ob der Beschuldigte überhaupt zurechnungsfähig ist", gab er zu bedenken. Nachdem der Mann von seinem Vater angezeigt wurde, habe die Staatsanwaltschaft ermitteln müssen. "Das ist afghanisches Recht", so Farhang weiter.

Jetzt werde die Rechtslage geprüft. "Natürlich fordern Fanatiker in solchen Fällen die Todesstrafe, doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie gegen Rahman verhängt wird".

Mit Blick auf die deutschen Reaktionen zeigte sich Farhang empört. "Wir mischen uns auch nicht in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik oder gar in laufende Rechtsverfahren ein", sagte er. "Wenn deutsche Politiker indirekt mit dem Abzug der Bundeswehr drohen, dann grenzt das an eine Art von Erpressung."

Reaktionen in Berlin

In Berlin wurden Forderungen laut, in der Angelegenheit Druck auf Kabul auszuüben. "Wir müssen dringend Einfluss auf die afghanische Regierung nehmen, damit Gesetze, die Konvertierungen von einem Glauben zu einem anderen mit Strafe bedrohen, abgeschafft werden", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU). FDP-Vize Rainer Brüderle fordert Konsequenzen, sollte Präsident Hamid Karsai nicht reagieren. "Wenn Afghanistan sein Rechtssystem nicht schnell modernisiert, muss Deutschland seine Afghanistan-Hilfe überdenken, sagte Brüderle. Grünen-Chefin Claudia Roth forderte Abschiebungen nicht-islamischer Flüchtlinge nach Afghanistan zu stoppen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte der "Frankfurter Rundschau", er verfolge den Fall "mit größter Sorge". Auch Steinmeier erinnerte die Regierung in Kabul an das Grundrecht der Religionsfreiheit. Diese sei sowohl in der afghanischen Verfassung als auch in der internationalen Menschenrechtskonvention garantiert, die das Land unterzeichnet habe. (chr)