Afrika als Partner
8. Mai 2012Immer mehr deutsche Unternehmen interessieren sich für Afrika. Dafür spricht die wachsende Mitgliederzahl des Afrika-Vereins, in dem sich deutsche Firmen zusammenschließen, die in Afrika investieren. Inzwischen sind es knapp 700, darunter auch Weltkonzerne wie Siemens und ThyssenKrupp. Vor allem sind es aber mittelgroße Unternehmen, die zum Teil schon sehr lange mit Afrika handeln oder dort Geschäfte machen. Firmen, die den afrikanischen Kontinent bisher nicht kennen, scheuen jedoch oft die Risiken, mit denen sie Afrika assoziieren, sagt der Vorsitzende des Afrika-Vereins Stefan Liebing im Gespräch mit der Deutschen Welle. Außerdem sei die Konkurrenz heute stärker als früher, denn in Afrika engagieren sich jetzt auch Chinesen, Inder und Brasilianer. Diesen Herausforderungen müssten sich die deutschen Unternehmen stellen - mit neuen Strategien, so Liebing. "Man kann überall in Afrika hören, dass die deutsche Qualität und Technologie geschätzt wird. Aber die deutschen Produkte sind dann häufig etwas teurer."
Gefragt: bezahlbare Produkte
Da sich Kunden gerade in weniger entwickelten Ländern häufig für das günstigere Erzeugnis entscheiden würden, sei es wichtig, dass deutsche Unternehmen bezahlbare Waren anböten, erklärt Liebing. Neben günstigen Produkten, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, interessieren sich die Afrikaner auch für Projekte, die einen Wissenstransfer beinhalten: Wer Technologie liefert, soll auch Afrikaner ausbilden. Ein Beispiel sind die erneuerbaren Energien. In Nigeria sollen sie ein wichtiger Teil beim Aufbau einer zuverlässigen Energieversorgung werden, sagt Ita Okon-Bassey Ewa, Minister für Wissenschaft und Forschung. Er sprach kürzlich bei einem Deutschlandbesuch von dem Wunsch, Partnerschaften aufzubauen, vor allem im Bereich der Universitäten. "Das kann dazu führen, dass Nigerianer hier nach Deutschland kommen und lernen, wie man Photovoltaik-Zellen baut."
Gefordert: Produktion im eigenen Land
Besonders im Energie-Sektor drängen afrikanische Staaten darauf, einen größeren Teil der Wertschöpfung im eigenen Land zu behalten. Das kann mehr einheimisches Personal bedeuten, die Produktion technischer Ausrüstung oder die Verarbeitung der Rohstoffe. Siemens zum Beispiel stellt sich darauf ein, dass Länder wie Ghana, Angola und Nigeria diesen "local content" in den kommenden Jahren auf 80 bis 90 Prozent anheben wollen. Der deutsche Energie-Anlagenbauer könne sich vorstellen, irgendwann in Nigeria Turbinen herzustellen, sagt Toyin Abegunde, Chefin des für die Personalentwicklung zuständigen Bereichs von Siemens in Nigeria: "Wir investieren jetzt in eine Reparaturwerkstatt für Turbinen. Das ist sozusagen ein erster Schritt hin zur Produktion. Wenn wir erfolgreich Turbinen in Nigeria reparieren können und dafür Nigerianer einstellen, dann könnten wir als nächstes einige Komponenten der Turbinen vor Ort produzieren." Irgendwann könnte dann vielleicht der gesamte Produktionsprozess in Nigeria stattfinden, so Abegunde.
Gewünscht: Einheimische in Führungspositionen
Außerdem versuche Abegundes Firma, mehr Einheimische in Führungspositionen zu heben. Sie selbst sei dafür ein gutes Beispiel, erklärt die Nigerianerin. Denn vorher saß auf ihrem Posten noch ein Deutscher. Um qualifiziertes Personal auszubilden, hat Siemens in Lagos Ende 2010 eine "Power Academy" gegründet. Dort arbeite auch der Bundesstaat Lagos mit, der ein Karriereprogramm für Jugendliche durchführe. "Das Programm läuft über sechs Monate. Im Moment haben wir 20 Universitäts-Absolventen in der 'Power Academy'. Sie werden in Grundlagen der Energietechnik ausgebildet und bekommen dann ein Zertifikat. Wir haben uns dazu verpflichtet, zwei bis drei von ihnen einzustellen, vorausgesetzt, sie zeigen herausragende Leistungen."
Am Ende könnten alle Seiten von einem höheren Anteil einheimischer Mitarbeiter profitieren, davon ist Abegunde überzeugt. Aus den Industrieländern entsandte Mitarbeiter seien meistens sehr teuer. Hinzu komme, dass Firmen in viele Länder aus Sicherheitsgründen keine Ausländer mehr schickten.
Neben den erneuerbaren Energien schauen einige afrikanische Länder aber auch noch auf Technik, die in Deutschland selbst heute niemand mehr haben möchte. Nigerias Wissenschaftsminister referierte bei seinem jüngsten Deutschlandbesuch ausführlich über die Atomenergie-Pläne seines Landes. Auch hier wäre Deutschland als Partner willkommen.