Reiches Land, armes Volk
31. Mai 2012Vertreter aus Wirtschaft und Politik haben genau diese Zuständigkeiten auf der Africa Business Week, einer Wirtschaftskonferenz in Frankfurt, diskutiert. "Business Opportunities Now!" lautete das optimistische Motto der Konferenz. Dass es sich lohnt, in Afrika zu investieren und auch Rohstoffe zu fördern, daran besteht unter den anwesenden Unternehmern wie auch Menschenrechtlern kein Zweifel. Die Frage ist nur: wie? Denn bisher hat der enorme Reichtum an Edelmetallen, Erzen und Erdöl den Bewohnern vieler afrikanischer Länder kaum bessere Lebensbedingungen verschafft. Beispiele sind Angola oder Nigeria: seit Jahren beides Top-Öl-Exportnationen. Die Bevölkerung lebt allerdings weiterhin in extremer Armut, die medizinische Versorgung ist unzureichend, die Analphabetenrate hoch. Wer hat also an welchem Punkt der Wertschöpfungskette welche Verantwortung? Für André Rönne, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Nigeria, liegt die Sache klar auf der Hand: "Natürlich hat in erster Linie die Regierung Nigerias eine große Verantwortung, etwas gegen die Ungleichverteilung zu tun."
Die Last der Verantwortung
Die Industrie weist mit dem Finger auf die Regierungen. Die Regierungen ihrerseits verweisen auf die großen Gewinnmargen der Unternehmen, schmunzelt Alex Vines, Afrika-Direktor der renommierten Londoner Denkfabrik Chatham House. Doch auch er sieht weniger die Unternehmen und mehr die politische Führung in der Pflicht. "Unternehmen sind private Akteure. Sie müssen nachweisen, dass sie effektiv arbeiten. Aber Armutsbegrenzung ist nicht die Aufgabe von Unternehmen. Das ist die Pflicht von Regierungen. Regierungen werden gewählt, ihren Wählern bessere Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten."
Die gerechte Verteilung von Rohstoffen und ein Interesse, das über reine Profitmaximierung hinausgeht, das sei eine Frage von "Leadership" – also Führungsverantwortung, so Vines. Dazu kann sich das Unternehmen mit einer Corporate Social Responsibility bekennen, also mit einer unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung. Es sollten aber die Regierungen der Förderländer sein, die sich dazu bekennen, sagt Vines. "Es ist eine Frage der Vision. Das sollte auch der Grund sein, aus dem heraus sich Wähler für Politiker entscheiden. Wegen ihrer Vision, Krisen zu vermeiden und Entwicklung zu fördern."
Schlechte Regierungsführung und zu wenig Investitionen in Gesundheits- und Bildungssysteme sind die größten Versäumnisse in Sub-Sahara-Afrika, findet Vines.
Gute Idee, unangenehme Begleiterscheinungen
Um alle Partner an ihre Verantwortung zu erinnern, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Kontrollinstrumente geschaffen. Eines ist die EITI-Initiative zur Transparenz in der Rohstoffwirtschaft. Um der Korruption entgegenzuwirken verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, alle Zahlungsströme, die aus rohstofffördernden Unternehmen als Abgaben an den Staat gehen, offenzulegen.
Eine jüngere Initiative aus den USA ist der so genannte Dodd-Frank-Act, der US-Unternehmen verpflichtet nachzuweisen, dass sie mit den von ihnen verwendeten Metallen wie Gold, Zinn, Tantal und Wolfram keine Milizen finanzieren. Namentlich die aus dem Ost-Kongo. Eine gute Intention, jedoch leider mit unangenehmen Begleiterscheinungen, meint Alex Vines. Das Gesetz habe zu tausenden arbeitslosen Kleinschürfern geführt. "Die sind nun ein potenziell noch viel größeres Risiko für Instabilität, weil sie nichts anderes zu tun haben. Und das ist gar nicht gut, wenn Sie den Ost-Kongo stabilisieren und jede Krise vermeiden wollen." Es scheint, so Vines, als haben die Initiatoren des Dodd-Frank-Act nicht sorgfältig überdacht, wohin das eigentlich führe. "Das nennt man: unbeabsichtigte Folgen einer eigentlich guten Idee."
EU legt vor, Bundesregierung bremst
In Anlehnung an den Dodd-Frank-Act legte im vergangenen Jahr die EU-Kommission einen Gesetzentwurf vor, die EU-Transparenzinitiative. Demnach sollen nicht mehr nur länderbasierte Daten zu Geldströmen aus dem Rohstoffhandel offengelegt werden, sondern für jedes einzelne Projekt. Irene Knoke vom unabhängigen Rechercheinstitut Südwind sieht in der Initiative - trotz aller Kritik – einen Schritt in die richtige Richtung, um die Bedingungen für Entwicklungsländer zu verbessern. "Das Schöne am projektbasierten Reporting ist, dass ich genau sehe, wo passiert was in der Produktionskette? Wo werden welche Gewinne wie abgeschöpft? Dann kann ich Rückschlüsse ziehen, wurde die Steuerpflicht wirklich für diesen Teil der Produktionskette an die jeweilige Regierung auch abgeleistet."
Doch schon jetzt gibt es Widerstand gegen die Umsetzung der Initiative. Vor allem die Bundesregierung - in Kooperation mit der deutschen Wirtschaft - bremse erheblich, sagt Irene Knoke. "Dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schmeckt das natürlich nicht. Und ich weiß, dass die Bundesregierung Bremserin ist. Wo da die genauen Zusammenhänge liegen, darf ich da nur vermuten."