Digitalisierung in Afrika: nicht für alle
15. Juni 2016Nairobi, Mombasa, Kisumu: Die Kenianerin Judith Owigar zählt die großen Städte ihres Landes auf. Doch damit sei die Liste der Orte mit guter Internetanbindung fast schon erschöpft: "Sogar Handyempfang ist für viele Menschen auf dem Land ein Problem," sagt die Gründerin der gemeinnützigen Bildungseinrichtung Akirachix, die sich für Computerbildung von Frauen einsetzt.
Beim Global Media Forum in Bonn diskutiert Owigar über die Gewinner und Verlierer der Digitalisierung in Afrika - und empört sich: "Wie können wir von einer digitalen Revolution sprechen, wenn die meisten Menschen keinen Zugang zu Internet, Computern oder Mobilfunk haben?"
Dabei sprühten Experten und Aktivisten meist nur so vor Optimismus, wenn in den vergangenen Jahren über die digitale Revolution in Afrika debattiert wurde. Das Internet und andere digitale Technologien, so die einhellige Meinung, würden binnen kürzester Zeit einen tiefgreifenden Wandel in allen Lebensbereichen auslösen und den Weg in eine bessere und gerechtere Zukunft ebnen. Endlich sollten auch jene Menschen in Afrika Zugang zu Bildung, Jobs und Dienstleistungen erhalten, die bislang häufig außen vor geblieben waren: Frauen, Arme und die Landbevölkerung.
Die digitale Revolution erreicht nicht jeden
Doch die Realität sieht anders aus. Erst im vergangenen Jahr stellte der Weltverband der Mobilfunkanbieter GSMA fest, dass wesentlich weniger afrikanische Frauen ein Handy besitzen als Männer. "Gender Gap" nennen Wissenschaftler dieses Phänomen, und nur in Südasien ist die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern noch größer als in Afrika. Und auch in wirtschaftlicher Hinsicht hinkt die Entwicklung hinterher: Laut Weltbank ist der Beitrag des Internets zum Bruttoinlandsprodukt der afrikanischen Länder trotz hoher Wachstumsraten bislang weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Vor allem beim Thema digitale Infrastruktur, also bei der Verfügbarkeit von Internet, TV und Mobilfunk, besteht eine Menge Nachholbedarf. So sei etwa die senegalesische Regierung immer noch damit beschäftigt, eine digitale Strategie auszuarbeiten. "Stellen Sie sich das einmal vor", fordert Binta Coudy Dé das Publikum auf. "Das bedeutet, dass wir noch nicht einmal angefangen haben, über konkrete Maßnahmen nachzudenken."
Handyempfang? Fehlanzeige!
Coudy Dé ist Gründerin von Jjiguene Tech Hub, Senegals erstem Technologiezentrum für Frauen. Ihre Beobachtungen decken sich mit denen der Kenianerin Owigar: Zwar sei das Mobilfunknetz rund um die Hauptstadt Dakar mittlerweile gut ausgebaut, doch selbst entlang der wichtigsten Verbindungsstraßen des Landes hoffe man oft vergeblich auf ein Handysignal.
Doch auch dort, wo der Zugang in die digitale Welt vorhanden sei, gebe es Schwierigkeiten - da sind sich die Podiumsgäste einig. Etwa dann, wenn den Menschen das Wissen fehle mit den neuen Technologien umzugehen, autoritäre Regierungen beliebte Social-Media-Plattformen blockierten oder Frauen aus traditionellen Gründen eine Karriere in IT-Berufen verwehrt bliebe.
Facebook als "Einstiegsdroge"
Trotzdem will sich die junge Unternehmergeneration in Afrika von diesen Problemen nicht entmutigen lassen. "Es liegt an uns, für den Wandel zu sorgen", sagt Costa Mwansa, Geschäftsführer des sambischen Fernsehsenders Muvi TV und neben dem Moderator der einzige Mann in der Runde. Den Politikern die Schuld zu geben sei zu einfach. "Unser Kontinent ist für Großes bestimmt und um unsere Ziele zu erreichen, brauchen wir keine neuen Politiker, sondern eine neue Mentalität", sagt Mwansa.
Catherine Lückhoff aus Südafrika sieht das ähnlich. Sie hat die Musikplattform NicheStreem gegründet und findet es besonders wichtig, junge Leute für Technologie zu begeistern - selbst wenn deren Motivation sich zunächst darauf beschränke, mit Freunden zu chatten. "Vielleicht ist das ja die Einstiegsdroge, die dazu führt, dass sie später Programmierer, Ingenieure oder Glasfaserkabelspezialisten werden", hofft Lückhoff.
Dass die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung für Afrika nach wie vor groß sind, daran zweifelt keiner der Podiumsgäste. Doch um Strukturen zu verändern, brauche es vor allem harte Arbeit und Zeit, meint Judith Owigar, die mit ihrer Organisation Mädchen das Programmieren beibringt. "Manchmal glaube ich, dass ich diese Arbeit in meiner Lebenszeit nicht mehr beenden werde." Doch halte sie es da mit dem Sprichwort: "Weise Männer pflanzen Bäume, in deren Schatten sie nie sitzen werden."