Afrikaner kämpfen in Israel für Asyl
7. Februar 2014"Ich hoffe, dass Israel irgendwann versteht, dass wir Flüchtlinge sind, dass wir Asyl brauchen und dass wir keine Arbeitsmigranten oder gar Diebe sind", sagt Shewit Ghezea und hält sich mit beiden Händen an der Teetasse fest. Sie ist 21 Jahre alt - und hat in ihrem jungen Leben schon viel erlebt. Vor fünf Jahren floh sie gemeinsam mit ihrer Schwester vor der Militärdiktatur in ihrer Heimat Eritrea.
Zwei Monate waren sie unterwegs, über den Sudan ging es nach Ägypten. Der Schlepperbande habe sie 1500 US-Dollar gezahlt, um dann über den ägyptischen Sinai nach Israel zu kommen. "Wir waren tagelang in der Wüste unterwegs. Es gab ein Glas Wasser für zwei Leute. Ich habe einen Menschen gesehen, der unterwegs gestorben ist", sagt sie mit leiser Stimme. Traumatische Erlebnisse, die sie bis heute nicht verarbeitet hat.Doch auch in Israel kommt sie nicht zur Ruhe. Denn hier ist sie nur geduldet, einen Status als anerkannter Flüchtling hat ihr das Land bislang verwehrt. Alle paar Monate muss sie im Innenministerium ein neues Visum beantragen, eine Arbeitserlaubnis hat sie wie die meisten anderen auch nicht. Shewit hat inzwischen Hebräisch gelernt und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, um die Ein-Zimmer-Wohnung im Süden von Tel Aviv zu bezahlen. Nicht immer habe sie ihr Geld bekommen, ohne gültige Arbeitserlaubnis sei sie der Willkür der Arbeitgeber ausgesetzt, erzählt die junge Frau.
Lager in der Negev-Wüste
Noch schlimmer als die tägliche Diskriminierung sei die ständige Sorge um ihre Aufenthaltssituation. Jetzt macht ihr ein neues Gesetz Angst, das das israelische Parlament im Dezember verabschiedet hat. Das "Anti-Infiltrations-Gesetz" ermöglicht es den Behörden, illegal eingereiste Migranten bis zu einem Jahr ohne richterliche Überprüfung in einem eigens eingerichteten Auffanglager in der Negev-Wüste im Süden Israels festzusetzen.
Unter ihren Freunden herrsche nun viel Angst, erzählt Shewit. Denn jeder, der auf der Straße ohne gültige Papiere von der Polizei aufgegriffen werde, könne jetzt in das Heim in der Wüste geschickt werden. Israelische Behörden betonen, dass das Lager Holot eine offene Einrichtung sei. De facto jedoch sitzen die Menschen dort fest und müssen sich dreimal täglich persönlich melden. Auch das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) kritisiert das Lager, weil die Asylsuchenden dort festgehalten werden können.
Asylsuchende oder Arbeitsmigranten
Shewit engagiert sich nun bei Protesten und Demonstrationen, die seit einigen Wochen im Land stattfinden. Damit wollen Aktivisten die israelische Öffentlichkeit auf ihre schwierige Lage aufmerksam machen. "Wir brauchen Asyl, wir sind Flüchtlinge", ruft Shewit bei einem Demonstrationszug, der durch die Innenstadt von Tel Aviv zieht, über Lautsprecher.
Ihr Anliegen ist in der israelischen Gesellschaft umstritten. "Ich unterstütze sie. Ich denke, in unserem Land gibt es Platz für sie", sagt ein Ladenbesitzer, als die Demonstranten vorbeiziehen. "Wir müssen uns doch nur erinnern, dass wir vor nicht allzu langer Zeit selbst mal Flüchtlinge waren und einen Zufluchtsort gesucht haben." Der Besitzer eines benachbarten Humus-Restaurants sieht das etwas anders: "Kann schon sein, dass einige von ihnen Flüchtlinge sind. Aber die meisten sind meiner Meinung nach wegen der Arbeit hier. Die haben zuhause angerufen und gesagt, kommt her, hier gibt es Arbeit."Kollektivschutz statt einzelnes Asyl
Auch nach Ansicht der israelischen Regierung handelt es sich bei den meisten nicht um politisch Verfolgte, sondern um Arbeitssuchende und somit um "illegale Eindringlinge". Mit der Fertigstellung des neuen Hochsicherheitszauns an der Grenze zu Ägypten hat Israel im vergangenen Jahr den Zustrom beendet, denn nur wenige gelangen jetzt noch über den ägyptischen Sinai nach Israel. Bis dahin war es eine lukrative Route für Menschenschmuggler, die jedes Jahr Tausende Flüchtlinge an die israelische Grenze brachten.
Rund 53.000 afrikanische Asylsuchende leben derzeit in Israel, die meisten stammen aus Eritrea und dem Sudan. Da die Lage in den Ländern zu gefährlich ist, werden die Flüchtlinge von dort unter Kollektivschutz gestellt und derzeit nicht abgeschoben. Gleichzeitig durften die Betroffenen aber lange keine Einzelanträge stellen, um ihren Anspruch auf Asyl in Israel prüfen zu lassen. Das habe sich jetzt geändert, betont Yigal Palmor, Sprecher des israelischen Außenministeriums. "Die meisten wissen nicht, dass sie jetzt einen Antrag stellen können. Das betrifft sudanesische und eritreische Migranten. Bis vor einem Jahr war dies noch nicht möglich. aber die Änderung hat sich anscheinend noch nicht herumgesprochen."
Kritik von Menschenrechtlern
Doch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren schon lange, dass das Verfahren weder fair noch transparent sei. "Die Leute werden nicht informiert, sie haben keinen einfachen Zugang zu den Verfahren, die Formulare haben eine Sprache, die sie oft nicht verstehen", sagt Adi Drori-Avraham von Amnesty International Israel. Die Aussichten auf Erfolg seien zudem sehr gering, da Israel seit der Staatsgründung nur wenige Asylanträge anerkannt habe. Auch setze die Regierung darauf, potenzielle Asylbewerber dazu zu bewegen, freiwillig in ihr Heimatland zurückzukehren.
In ihre Heimat Eritrea kann Shewit vorerst nicht zurück. Sie hoffe, dass sich ihre prekäre Situation irgendwann bessert und Israel sie als Flüchtling anerkennt. Schließlich wolle sie nicht für immer in Israel bleiben. "Ich habe eine Heimat und ich will zurück in mein Land", sagt die junge Frau. "Aber solange dort ein Diktator herrscht, kann ich nicht zurück. In Israel will ich nicht mein ganzes Leben bleiben. Nur so lange, bis es zuhause besser wird."