Afrikaner suchen in Malaysia ihr Glück
27. August 2013Es ist jeden Morgen das Gleiche, wenn Robert Adesina im Zentrum von Kuala Lumpur in den Zug steigt, um zur Arbeit zu fahren. Alle anderen im Abteil werden plötzlich still und starren ihn an. "So geht das jeden Tag. Sie müssen mich für einen Außerirdischen halten", erzählt mir Adesina. Der Nigerianer nimmt neben einer Frau Platz, die sich abrupt die Hand vor Mund und Nase hält, um eine vermeintliche Geruchsbelästigung abzuwehren.
"Eigentlich würde man so ein Verhalten nur von Kindern erwarten, wenn sie mit völlig Fremden zusammentreffen", sagt Adesina. "Aber hier benehmen sich Erwachsene so die ganze Zeit." Er sei fassungslos über die Unkenntnis, die in Malaysia in bezug auf Afrikaner herrsche.
Nach offiziellen malaysischen Zahlen sind 2012 knapp 80.000 Afrikaner nach Malaysia eingereist, darunter 25.000 mit einem Studentenvisum. Ob sie nun arbeiten oder studieren - alle Afrikaner in Malaysia hoffen auf ein besseres Leben in Malaysia als in der Heimat, viele vergeblich.
Leben in der Illegalität
Ich treffe Michael Oni auf einem Markt am Stadtrand. Er hat ein Studentenvisum und erzählt jedem, der es hören will, dass er Ökonomie an einer örtlichen Hochschule belegt. Seine Eltern in Nigeria gehen aber davon aus, dass er zum Geldverdienen in Malaysia ist. "Ich komme mir wie bloß eine weitere Ziffer in einer Statistik über Afrikaner vor", schildert Oni seine Gefühlslage. "Also über diejenigen, mit denen man Mitleid hat, die einem leid tun, einfach ein weiterer Schwarzer, der versucht, sich durchzukämpfen." In Nigeria sieht er keine Chancen für sich: "Ich möchte es hier schaffen, etwas Geld verdienen, etwas aus mir machen."
Oni berichtet, Mitglieder nigerianischer Banden in Kuala Lumpur hätten ihm "Jobs" angeboten, Drogenhandel, Prostitution, Betrug. Die meisten Afrikaner in Malaysia leben unbescholten, aber gerade in Kuala Lumpur gibt es einen von Afrikanern geprägten Unterweltsektor. Ich konnte mit einem der Anführer einer solchen Bande sprechen, die in verschiedenen Stadtvierteln Kuala Lumpurs aktiv ist. "Glauben Sie, ich hätte nicht versucht, auf ehrliche Weise Geld in Kuala Lumpur zu verdienen?" fragt der Mann, der anonym bleiben will, weil er sich inzwischen illegal im Land aufhält. "Für die Asiaten hier bin ich ein schwarzer Affe, sie sehen mich nicht mal an." Seine Pläne hätten sich zerschlagen: "Es ist einfach zu hart für jemanden wie mich, hier zu studieren." Er mache eine Menge Geld mit Drogenhandel, das meiste schicke er nach Hause. "Wenn ich hier nur so meinen Lebensunterhalt verdienen kann, dann soll es eben so sein."
Ein Kollege des Mannes bestätigt, dass viele Nigerianer in Kuala Lumpur neben dem Studium eine kriminelle Karriere verfolgten: "Es ist sehr leicht, ein Studentenvisum zu bekommen. Die Nachfrage nach Drogen ist so hoch, dass viele von uns sich damit ein Einkommen verschaffen, trotz der drohenden Todesstrafe für Drogenhandel."
Ignoranz der Medien
Kofi Addo, Mitarbeiter der Botschaft Ghanas in Malaysia, beklagt, dass die Afrikaner in Malaysia als eine ununterscheidbare Masse angesehen würden. "Dafür tragen auch die hiesigen Medien Verantwortung. In Artikeln über Verbrechen oder Einwanderungsproblemen heißt es immer nur 'die Afrikaner.' Ihr Herkunftsland wird niemals erwähnt", so der Botschaftsmitarbeiter. Ob diese ach so schlauen Journalisten nicht wüssten, dass Afrika aus 55 Ländern besteht? "Sie sollten langsam mal darüber schreiben, was wir Afrikaner zu ihrem Land beitragen", fordert Kofi Addo.
Für Psychologiedozent Tony Epstein steckt mehr Unwissenheit als Rassismus hinter diesen Einstellungen und Verhaltensweisen von Südostasiaten gegenüber Afrikanern: "Durch die Kolonialerfahrung mit den Briten haben die Leute hier etwas von Europa mitbekommen, aber mit anderen außerasiatischen Kulturen wissen sie nichts anzufangen."
Migranten suchen neue Ziele in Asien
Steven Njordge, BWL-Dozent an der University of Malaya, sieht in der Abschottung und Krise Europas einen Grund für den Zustrom von Afrikanern nach Malaysia. "In dieser Situation ist das aufstrebende Asien verlockend, und viele Afrikaner sehen hier eine Chance, ihren Familien aus der Armut zu helfen."
Aber auch im fernen Malaysia hoffen viele afrikanische Fachkräfte auf eine Zeit, in der ihre Landsleute nicht mehr auswandern müssen, um ein besseres Leben zu finden. Auch Robert Adesina ist optimistisch: "Ich glaube daran, dass auch Afrika ein Kontinent wird, der den Menschen Chancen bietet, und sogar für Menschen aus anderen Erdteilen ein Magnet werden kann."