Afrikas Wirtschaftspotenzial
13. September 2012Afrika boomt: Die Wirtschaft wächst in den Staaten südlich der Sahara um mehr als fünf Prozent im Jahr, meldet die Afrikanische Entwicklungsbank - Tendenz steigend.
Selbst die schwächeren Länder des Kontinents würden ein stärkeres Wachstum verzeichnen als Europa, sagt Mthuli Ncube, Chef-Ökonom der Bank. Und kein afrikanischer Staat werde in diesem Jahr rote Zahlen schreiben. Trotzdem halten sich Investoren bislang zurück - zu instabil ist in vielen Ländern Afrikas das politische System, zu mangelhaft die Infrastruktur.
Positive wie negative Faktoren hat nun erstmals eine Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zur Grundlage für eine Wachstumsanalyse gemacht. Ziel der Forscher war es, herauszufinden, welches Potential wirklich im Kontinent steckt. In Auftrag gegeben wurde die Studie von der Gesellschaft für Konsumforschung (GFK). Fünfzig afrikanische Staaten wurden nach jeweils vier Kriterien untersucht: Wirtschaft, Rechtstaatlichkeit, Bevölkerungsentwicklung und Lebensbedingungen.
Bevölkerungswachstum birgt Chancen
Das Bevölkerungswachstum in Afrika ruft in den Industrieländern nicht selten negative Assoziationen hervor: sich unkontrolliert ausbreitende Metropolen oder große Familien, die ums finanzielle Überleben kämpfen. Das Berlin-Institut versucht hier, ein differenzierteres Bild zu zeichnen. Entscheidend für die Entwicklung eines Landes sei vielmehr, wie sich die Zusammensetzung der Bevölkerung ändere, sagt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts und Mitautor der Studie.
Trotz rückläufiger Geburtenraten der einzelnen afrikanischen Länder steigen die Bevölkerungszahlen dort weiter an und "dann wächst auch der Teil der Erwerbsfähigen in der Bevölkerung“, so Klingholz. Hierin liege für Afrika eine demografische Dividende: "Wenn es gelingt, den hohen Anteil an Erwerbsfähigen auch mit Jobs zu versorgen, dann können auch die afrikanischen Länder eine sehr gute Entwicklung einschlagen."
Eine größere arbeitstätige Bevölkerung kann auch mehr konsumieren. Daher bilde sich in vielen afrikanischen Ländern allmählich eine Mittelschicht heraus, sagt Klingholz, die in der Lage sei, Produkte wie Reinigungsmittel, Batterien oder Mobiltelefone zu kaufen oder auch höherwertige Lebensmittel. Für diese Menschen komme der Kauf von teuren Möbeln oder Autos zwar noch nicht in Frage, aber sie könnten sich mehr als nur das Überlebensnotwendige leisten. "Das ist der erste Schritt in eine Konsumgesellschaft, die die Nachfrage erhöht und auch die Notwendigkeit mit sich bringt, diese Dinge vor Ort zu produzieren", so Klingholz.
Markt für neue Technologien
Auch Michael Monnerjahn vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft sieht das große Wirtschaftspotenzial des Kontinents. Für deutsche Unternehmen sei das sehr interessant. Afrika habe einen steigenden Bedarf an günstigen Konsumgütern. Auch der Dienstleistungssektor gewinne zunehmend an Bedeutung, betont Monnerjahn. "Gerade im Bankenbereich oder in der Telekommunikation hat es sehr große Wachstumsraten gegeben, die noch vor fünfzehn Jahren völlig undenkbar waren." Der Siegeszug des Handys in Afrika ermöglicht die Entwicklung neuer Technologien, etwa das Banking per Mobiltelefon: "Da ist Kenia weltweit führend."
Als große Hoffnungsträger nennt die Studie zehn Küstenländer: im Süden Südafrika und Namibia, im Norden Marokko, Tunesien und Ägypten. Dazu noch Senegal, Gambia, Ghana, Gabun und Mauritius. Überraschenderweise fehlen zwei bedeutende Länder: Nigeria und Kenia. Das verwundert - locken doch beispielsweise Nigerias steigende Bevölkerungszahlen und die expandierende Wirtschaft mehr und mehr ausländische Unternehmen an.
"Auf Nigeria allein entfallen zehn Prozent des deutschen Handelsvolumens mit Afrika", betont Monnerjahn denn auch. Das Land mit mehr als 150 Millionen Einwohnern habe die Chance, Südafrika als größte Volkswirtschaft auf dem Kontinent abzulösen. Doch es gibt Hemmnisse: Reiner Klingholz verweist auf die politische Instabilität und die schlechten Lebensbedingungen. Von Nigerias Ölreichtum profitiere nach wie vor nur eine kleine Elite, hinzu kämen innernigerianische Konflikte. In Kenia wiederum seien die Probleme anders gelagert. Das Land schaffe es nicht, die wachsende Bevölkerung zu ernähren und medizinisch zu versorgen.
Demokratien sind bessere Handelspartner
Dass Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entscheidende Kriterien für gute Handelsbeziehungen sind, daran besteht für Monnerjahn kein Zweifel. Vorübergehend habe die Auffassung bestanden, autokratisch und damit stabil regierte Staaten seien verlässliche Partner für die deutsche Wirtschaft - etwa das ehemals unter Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi regierte Libyen. "Vor zwei, drei Jahren hätte jeder Beobachter gesagt, dass die Familie Gaddafi auch weiterhin das politische Geschehen bestimmen wird", so Monnerjahn. Doch nun müsse man sich eingestehen, dass der Gaddafi-Clan letztlich kein Garant für langfristige Stabilität gewesen sei. Auf Dauer machten sich Transparenz und Rechtsstaatlichkeit in Demokratien bezahlt.