Aids-Hilfe mit Nebenwirkungen
30. November 2013Erst jüngst ist Microsoft-Mitgründer Bill Gates wieder für sein humanitäres Engagement ausgezeichnet worden. Bei einer rauschenden Gala erhielten er und seine Frau Melinda dafür im November in München den Medienpreis Bambi. Die beiden seien ein Vorbild an Großzügigkeit, meinen die Preisverleiher. "Sie haben die größte private Stiftung der Welt geschaffen. Ihnen ist der Kampf gegen tödliche Bedrohungen wie Aids, Malaria und Tuberkulose eine Herzensangelegenheit", lautet die Begründung der Jury.
Die Bill und Melinda Gates Stiftung gibt Geld an renommierte Organisationen auf allen Kontinenten und spendet Geld für Projekte, für die Regierungen oft keine Mittel übrig haben. Im Gesundheitssektor ist sie die größte global agierende Wohltätigkeitsorganisation - mit einem Budget, welches das der Weltgesundheitsorganisation (WHO) überschreitet.
Die WHO wurde in der Vergangenheit sogar von der Gates-Stiftung finanziell unterstützt. Ebenso andere Organisation. In Deutschland gehören zu diesem Kreis etwa die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) - mit einer Förderung von umgerechnet mehr als 1,7 Millionen Euro - sowie die Welthungerhilfe - mit mehr als 1 Million Euro.
Zu den wichtigsten Anliegen der Gates-Stiftung gehört der Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids. Dafür hat sie bislang umgerechnet fast drei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, unter anderem für die Entwicklung eines Impfstoffes gegen den HI-Virus. Trotz der löblichen Arbeit, die der Microsoft-Mitgründer finanziert, gibt es Kritik an seiner Stiftung.
Denn wie sie zu ihrem Geld kommt und wie sie es in manchen Fällen einsetzt, das bewerten Kritiker als problematisch. Ein Teil der Finanzierung kommt aus Investments in andere Firmen. Kein ungewöhnliches Verfahren - viele Stiftungen machen das so. Doch die Gates-Stiftung legt ihr Geld auch bei Unternehmen an, die keineswegs dafür arbeiten, dass alle Menschen ein gesundes, produktives Leben führen können.
Zehn Prozent Rendite
"Die Gates-Stiftung erwirtschaftet mit ihrem Stiftungskapital eine Rendite von zehn Prozent. Das ist mit einer nachhaltigen, ethischen Anlagepolitik eigentlich nicht möglich", sagt der Geschäftsführer der Menschenrechts- und Hilfsorganisation Medico International, Thomas Gebauer. Machbar sei das nur, wenn das Geld aus Anlagen in hoch profitable Branchen wie der Chemie-, Pharma- oder Nahrungsmittelindustrie komme - Wirtschaftsbereiche, so Gebauer, "die nicht dafür bekannt sind, ausschließlich positive Effekte auf die Gesundheit zu haben". Vor einigen Jahren haben US-amerikanische und britische Wissenschaftler in einer Studie aufgelistet an welchen Unternehmen die Gates-Stiftung Anteile hält. Dazu gehörten Schering-Plough, Merck, Glaxo Smithkline und Sanofi-Aventis sowie McDonalds, Coca Cola und Kraft.
Die Kritik von Medico-International-Geschäftsführer Gebauer geht noch einen Schritt weiter: Die Stiftung habe ein Interesse daran, aus diesen Investitionen Gewinn zu ziehen. Er beschreibt das anhand eines Beispiels: "Jahrelang haben weltweit Gesundheitsaktivisten zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation WHO dafür gekämpft, dass industriell gefertigte Säuglingsnahrung nicht die viel gesündere Ernährung durch Muttermilch verdrängt."
Um dies zu unterstützen, hätten einige Länder die Werbung für künstliche Babymilch beschränkt, Kenia zum Beispiel. Kürzlich wurde bekannt, dass die vor allem von der Gates-Stiftung finanzierte "Global Alliance for Improved Nutrition" (GAIN) Druck auf Kenia ausgeübt hat, solche Reglementierungen nicht zu verschärfen. Das würde die Verdienstmöglichkeiten der Nahrungsmittelindustrie senken und so auch die Rendite der Stiftung. Gebauers Fazit: Hier zeigen sich massive Interessenkonflikte - im Zweifelsfall zulasten des Gesundheitsengagements.
Kuschelkurs mit der Industrie
Solche Konflikte sieht auch Oliver Moldenhauer, der für diverse Organisationen für einen besseren Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten gekämpft hat. Aus seiner Sicht stützt die Gates-Stiftung mit ihren Firmenpartnerschaften Monopole und verhindert damit mitunter sogar, dass auch arme Menschen die bestmögliche medizinische Versorgung bekommen.
"Ich würde mir von der Gates-Stiftung wünschen, dass sie in dem Punkt kritischer und konfrontativer auftritt. Dass sie Druck auf die Firmen ausübt, damit die ihre Monopolpreise nicht mehr durchsetzen können", fordert Moldenhauer. Beispiel: die Verfügbarkeit von Aids-Medikamenten in Entwicklungsländern. Vor längerer Zeit entwickelte Arzneimittel seien dort zwar sehr günstig zu bekommen. "Neuere Aids-Medikamente, die Patienten brauchen, wenn sich Resistenzen gegen die älteren entwickelt haben, sind dagegen sehr teuer und von der Bevölkerung oder dem staatlichen Gesundheitssystem nicht zu bezahlen."
Profit mit Patenten
Dabei spielen Patente eine große Rolle. Sie schützen Hersteller davor, dass ihr Produkt durch preiswerte Kopien, sogenannte Generika, Marktanteile verliert. Gerade im Bereich Aids ist das seit Jahrzehnten ein heiß diskutiertes Thema: Denn die Originalmedikamente können sich vor allem HIV-Infizierte in afrikanischen Ländern in der Regel nicht leisten. Das Patentrecht sei in den vergangenen Jahren sogar noch verschärft worden, sodass neue Therapien für arme Menschen gar nicht erschwinglich seien, sagt Moldenhauer. Ähnliches gelte für Impfstoffe - auch eines der Spezialgebiete die Gates-Stiftung. "Unsere umfangreichste Förderung gilt der Erforschung und Entwicklung eines HIV-Impfstoffs", heißt es auf der Homepage.
Moldenhauer und Gebauer begrüßen das im Prinzip. Moldenhauer würde sich aber wünschen, dass Gates seinen Einfluss nutzt, um Initiativen zu unterstützen, "die übertriebene Patente bekämpfen oder über Zwangslizenzen aufklärt". Eine Zwangslizenz schränkt das Patentrecht ein; Regierungen von Entwicklungsländern können damit patentierte Medikamente für ihre Bevölkerung erschwinglicher machen. Ein Gremium, das sich für diesen Weg einsetzt, ist der in Genf angesiedelte Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Vertreter der Gates-Stiftung sitzen dort im Vorstand - sie könnten also ihren Einfluss geltend machen.