Air Berlin: Wer mischt mit im Bieterrennen?
15. September 2017"Hat Air Berlin noch eine Zukunft?" Es ist die große Frage, die sich nicht nur Passagiere stellen. Air Berlin stellt sie selbst, auf ihrer Website. Antwort: Verkaufsverhandlungen Erfolg versprechend, können "zeitnah finalisiert" werden und so weiter. Den Text lesen Kunden seit Tagen, unverändert. Doch die jüngste Kampfansage der Piloten zeigt: Ein reibungsloser Verkauf ist alles andere als sicher. Und an diesem Freitag endete die Bieterfrist - eine Entscheidung wird erst am 25. September, dem Tag nach der Bundestagswahl, erwartet.
Wer will Air Berlin kaufen?
Es gibt eine Reihe von Interessenten für die Airline, die seit Jahren rote Zahlen schreibt, aber begehrte Start- und Landrechte hält. Die meisten haben sich erst nach dem Insolvenzantrag vor vier Wochen gemeldet. Vorstandschef Thomas Winkelmann hatte jedoch schon im Frühjahr die Partnersuche ausgerufen, mindestens seitdem gibt es Gespräche mit der Lufthansa. Der deutsche Marktführer könnte rund 90 der 144 Flugzeuge übernehmen, darunter die Maschinen der nicht insolventen Tochter Niki, für die Lufthansa schon ein konkretes Angebot abgegeben hat. Die Lufthansa-Tochter Eurowings sucht bereits Piloten, Co-Piloten sowie Flugbegleiter für zusätzliche Flugzeuge. Auch an Langstreckenflugzeugen hat Lufthansa Interesse. 14 ältere Boeing-Jets, die Air Berlin zu hohen Kosten von Tuifly gemietet hat, könnten an den Touristikflieger des Tui-Konzerns zurückfallen. Auch ältere Propeller-Maschinen der Air-Berlin-Tochter LGW stoßen angeblich auf wenig Interesse.
Verhandelt wird laut Air Berlin mit drei weiteren Airlines. Beobachter nennen etwa den britischen Billigflieger Easyjet. Angeblich will auch British Airways ein Angebot abgegeben - trotz ihres Scheiterns mit der Deutschen BA. Interesse angemeldet haben auch der Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl und der frühere EnBW-Chef Utz Claassen. Aus Berlin hoben eine Spedition und ein Hotelier die Hand, ein weiteres Angebot will der chinesischstämmige Unternehmer Jonathan Pang abgeben. Er betreibt seit Jahren mit mäßigem Erfolg den Flughafen Regionalflughafen Parchim in Mecklenburg-Vorpommern und will die Basis von Air Berlin dorthin verlegen. Wie ernsthaft das Bemühen jeweils ist, wird sich nun zeigen.
Niki Laudas Allianz mit Thomas Cook und Condor
Aus Österreich meldet sich Niki Lauda, der Ex-Formel-1-Star und Gründer der Air Berlin-Tochter Niki. Gemeinsam mit dem Reisekonzern Thomas Cook und dessen Airline Condor will Lauda für rund 100 Millionen Euro die einst von ihm gegründete Airline Niki sowie 17 Flugzeuge von Air Berlin erwerben. Die Kombination mit Thomas Cook und Condor sei "ideal", da auf diese Weise eine Auslastung der Flugzeuge gewährleistet werden könne, so Lauda. Außerdem solle die nicht insolvente Niki wieder auf den Markt der Charterflüge gebracht werden.
Der Zeitung "Kurier" sagte Lauda, er werde mit 51 Prozent die Mehrheit an dem Konsortium halten. Geplant sei, ausschließlich touristische Ziele auf der Kurz- und Mittelstrecke anzufliegen. Thomas Cook soll demnach für eine gute Auslastung der Flugzeuge sorgen, Condor werde zumindest zu Beginn für die Abwicklung des Flugbetriebs benötigt.
Condor ist schon länger als potenzieller Käufer von Air Berlin im Gespräch. Lauda sagte im ORF, er könne zwar nichts zu seinen Chancen im Poker um Air Berlin sagen - die Lufthansa habe aber einen großen Vorsprung. Sollte jedoch die größte deutsche Luftlinie als Mutterkonzern der Austrian Airlines den Zuschlag bekommen, gebe es in Österreich keine Konkurrenz mehr zur Lufthansa, warnte er.
Auch der irische Konkurrent Ryanair warnte vor dem Ende der Bieterfrist vor einem Zuschlag für den deutschen Marktführer Lufthansa. "Lufthansa ist ein Luftfahrt-Champion, aber sie sollte kein Luftfahrt-Monster werden", sagte Ryanair-Chef Michael O'Leary am Donnerstag in Berlin. Mit einer Übernahme von Air Berlin werde Lufthansa den deutschen Markt dominieren, die Folge seien höhere Ticketpreise.
Wie sieht der weitere Zeitplan aus?
"Wir streben eine Lösung im Gläubigerausschuss an", bekräftigte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann trotz der jüngsten Chaostage. Der Verkauf soll schnell unter Dach und Fach, denn mit der Insolvenz gingen die Buchungen zurück. Zwar gibt es einen 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes, der bis Ende November reichen soll. Doch das ist die Annahme von vor vier Wochen, eine aktualisierte Prognose gibt es nicht. Nach den zahlreichen Flugausfällen wegen einer Krankheitswelle der Piloten in dieser Woche dürften noch weniger Menschen der Airline vertrauen. Damit fallen Einnahmen weg und der Weg zu den Teilverkäufen wird steiniger.
Was wollen die Gewerkschaften bei Air Berlin erreichen?
Bislang scheint es sehr wahrscheinlich, dass ein großer Teil des fliegenden Personals bei neuen Arbeitgebern unterkommen kann. Umstritten sind indes die genaue Vorgehensweise und erst recht die künftigen Bedingungen. Einige Berufsgruppen fürchten Einkommensverluste von bis zu 50 Prozent.
Verdi und die Vereinigung Cockpit wollen verhindern, dass sich jeder beim neuen Arbeitgeber bewerben muss. Teure, alte oder aufmüpfige Kräfte - so ihre Furcht - könnten aussortiert werden. "Jeder über 50 macht sich Sorgen", sagt ein Air-Berlin-Pilot. Daher wollen sie die Personalauswahl lieber kollektiv regeln - mit einem Sozialplan.
Werden sich die Fluggesellschaften darauf einlassen?
Das scheint unwahrscheinlich, denn einen Betriebsübergang mit gesetzlich vorgeschriebenem Sozialplan wollen nahezu alle Bewerber vermeiden. Sie wollen aus der Insolvenzmasse eigentlich nur die Flugzeuge zu verbesserten Leasing-Konditionen übernehmen und dafür dann auf dem freien Markt Personal anheuern.
Die Gewerkschaften kritisieren, die potenziellen Käufer interessierten sich nur für das Blech, nicht für die Leute. Mehr als 8000 Air-Berlin-Beschäftigte bangen. "Angst und Wut der Air Berliner eskalieren, weil es hier um Existenzen ganzer Familien geht", sagt Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle.
Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr hat den Air-Berlinern zwar versprochen, ihre Berufserfahrung zu berücksichtigen, ansonsten aber den Tarifvertrag der Billigtochter Eurowings anzuwenden.
Steckt hinter der Krankheitswelle ein illegaler Streik?
Einiges spricht dafür, dass die zahlreichen Flugausfälle eine gezielte Aktion der Piloten waren. Der Tarifexperte Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft ist davon überzeugt. In dieser Logik haben Air Berlin und mögliche Investoren eine Kampfansage der Piloten erlebt. Ähnliches hat es vor einem Jahr beim Ferienflieger Tuifly gegeben, der in einer Gemeinschaftsfirma mit Etihad und Niki aufgehen sollte. Tuifly gab damals klein bei.
Hat das keine Folgen für die Beteiligten?
Zu beweisen ist ein Streik mithilfe von Krankenzetteln nur sehr schwer, sofern nicht ein schriftlicher Aufruf entdeckt wird, der "rauchende Colt". Schließlich billigen Arbeitsgerichte ärztlichen Attesten regelmäßig eine hohe Beweiskraft zu. Und welcher Arzt mag schon einen Piloten flugfähig schreiben, der ihm gegenüber Unwohlsein äußert?
ul/dk (dpa, afp)