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Al-Quds-Tag entzweit Berlin

Naomi Conrad, Sven Pöhle, Richard Fuchs, Berlin 25. Juli 2014

Israels Gaza-Offensive ist in Berlin ein Politikum: Bei einer Demonstration zum iranischen Al-Quds-Feiertag dürften sich heute so viele Befürworter und Gegner Israels wie schon lange nicht mehr gegenüberstehen.

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Al-Quds Demonstration in Berlin im Jahr 2012 (Foto: Florian Schuh dpa/lbn pixel)
Bild: picture-alliance/dpa

An diesem Freitagnachmittag (25.7.2014) werden sie sich am Kurfürstendamm in Berlin gegenüber stehen und über das Absperrgitter der Polizei laut Parolen schreien: Die einen, die am alljährlichen Al-Quds-Tag gegen die Besatzung Jerusalems durch Israel protestieren. Und die anderen, die laut Michael Spaney, ein Zeichen gegen diese Anti-Israel Veranstaltung setzen wollen. Der Sprecher von der "Stop the Bomb"-Kampagne, die zusammen mit jüdischen und anderen Organisationen zur Gegendemonstration aufruft, schließt nicht aus, dass es in diesem Jahr zu gewalttätigen Übergriffen zwischen beiden Seiten kommen könnte: "Die Stimmung ist auf jeden Fall gereizt."

Der Al-Quds-Tag ist ein iranischer Export: Er wurde 1979 von Ayatollah Khomeini zum Ende des Fastenmonats Ramadan ins Leben gerufen, um weltweit Muslime gegen Israel zu mobilisieren. Al-Quds steht im Arabischen für Jerusalem. Bis heute wird der offizielle Feiertag im Iran mit Massendemonstrationen begangen. In Deutschland waren die Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen in den vergangenen Jahren rückläufig. In diesem Jahr aber, im Zeichen des eskalierenden Gaza-Konflikts, bekommt der Al-Quds-Tag wohl wieder Zulauf: Nach Polizeiangaben haben sich 1500 Menschen für die Al-Quds-Demonstrationen angemeldet, hinzu kommen 400 Gegendemonstranten - so viele wie schon lange nicht mehr. Im vergangenen Jahr versammelten sich gerade einmal 800 Personen zum Al-Quds-Tag in Berlin. Dementsprechend will auch die Polizei ihre Präsenz in diesem Jahr "deutlich erhöhen", so Stephan Redlich, der Sprecher der Berliner Polizei - darunter auch Dolmetscher und Staatsschützer.

Protestkundgebung mit Gewaltrisiko

Diese sollen sicherstellen, dass die strikten Auflagen für Demonstrationen auch eingehalten werden. Seit Montag hat die Berliner Polizei verboten, dass Fahnen oder Puppen verbrannt werden. Untersagt sind auch Parolen, die Gewalttaten gutheißen. Die Polizei kündigte an, konsequent einzuschreiten, sollte dagegen verstoßen werden. Der Grund: In den vergangenen Tagen gab es Demonstranten, die bei Protestkundgebungen gegen Israels Militäroffensive antisemitische Parolen gerufen haben. Es ist auch zu Übergriffen gegen jüdische Bürger gekommen. In den vergangenen Jahren hatte der Al-Quds-Tag in Berlin eher den Charakter einer friedlichen Protestkundgebung. Bis zum Jahr 2000 wurden allerdings auch wiederholt Ausschreitungen und Aggressionen gemeldet.

Demonstrationszug beim Al-Quds-Tag in Berlin (Foto: Cuneyt Karadag / Anadolu Agency)
Laut Sicherheitskreisen ist der Al-Quds-Tag die "Hauptveranstaltung für Hisbollah-Anhänger in Deutschland"Bild: picture alliance/AA

Antisemitische Parolen und Übergriffe? Jürgen Grassmann von der "Al Quds AG" wiegelt ab: "Wir sind absolut gewaltfrei." Wir, dahinter verbergen sich die Mitglieder eines losen Verbunds namens "Al Quds"-Arbeitsgruppe, die die Demonstration alljährlich anmeldet und daneben auch ein Webportal betreibt. Wenn es doch zu Störungen komme, dann sei das auf Anhänger islamistischer Gruppierungen zurückzuführen, sagt Grassmann. Glücklich sei er über deren Teilnahme nicht, verbieten könnte er dies aber auch nicht. Im Gespräch betont Grassmann wiederholt, er sei kein Antisemit. Wer auf der Demonstration antisemitische Parolen rufe, solle von der Polizei festgenommen werden. Grassmann versteht sich dagegen als Anti-Zionist. Deutschlands Politik und Medien hält er in weiten Teilen für "Sklaven Israels".

Sicherheitskreise: Jahrestreffen der Iran-Sympathisanten

Deutsche Sicherheitskreise stufen Grassmann als deutschen Islamkonvertit mit pro-iranischer Grundhaltung ein. Sein Umfeld ist demnach in der Vergangenheit vermehrt offen mit israelfeindlichen und in Teilen antisemitischen Äußerungen aufgefallen. Direkte Bezüge zwischen den Demonstrationsveranstaltern und Weisungen des iranischen Regimes lassen sich nicht nachweisen. Grassmann spielt die mutmaßlichen Verbindungen zum Iran herunter. "Es ist absolut aus der Luft gegriffen". Zwar gebe es durchaus Bestrebungen, auch von iranischer Seite, "dass sie uns loben und auch bestimmen wollen", doch solche Beeinflussung lehne er "grundsätzlich ab". Grassmann leitet die "Al-Quds"-Arbeitsgruppe nach eigenen Angaben seit sieben Jahren.

Auf die Frage, wie die Verbindung der Gruppe vor seinem Amtsantritt aussahen, gesteht Grassmann: "Da kam mir das alles sehr iranisch vor." Eine Sicht, die sich mit Erkenntnissen deutscher Sicherheitskreise deckt. Demnach wurden bis ins Jahr 2005 hinein die "Al-Quds"-Demonstrationen von Bahman Berenjian angemeldet. Er gilt als ein Mann mit engen Beziehungen zum iranischen Staatsapparat. Ob er sich noch in Deutschland aufhält, ist unklar.

Kritiker wie der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck halten den Al-Quds-Tag für eine "Hassveranstaltung" - unabhängig davon, wer die alljährliche Demonstration am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan anmeldet. Der Tag sei als "Vernichtungsfeldzug gegen Israel" vom iranischen Revolutionsführer Khomeni angelegt worden. "Das kann man neu verkleiden, der Kern bleibt aber letztlich derselbe."

Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck spricht bei einer Veranstaltung in Köln (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
Grünen-Abgeordneter Volker Beck ist Vorsitzender der Deutsch-Israelischen ParlamentariergruppeBild: picture-alliance/dpa

Die Demonstrationen rund um den Al-Quds-Tag reihen sich nahtlos in zahlreiche pro- und anti-israelische Demonstrationen in ganz Deutschland ein. Allein am Donnerstag (24.07.2014) gab es nur in Berlin nach Polizeiangaben drei Kundgebungen. Für den Samstag sind bislang zwei weitere Demonstrationen in der Hauptstadt angemeldet.