Kampf gegen Kinderpornografie
20. November 2013Es ist eine Allianz aus Schwergewichten, die sich jetzt für die Jagd nach Pädophilen im Internet zusammengefunden hat: Die Internetgiganten Microsoft und Google sowie die Geheimdienste GCHQ aus Großbritannien und NSA aus den Vereinigten Staaten sollen künftig gemeinsam gegen Kinderpornografie vorgehen.
Geplant ist eine Attacke von zwei unterschiedlichen Seiten: Die Internetkonzerne haben angekündigt, über ihre Suchmaschinen "Bing" und "Google" 100.000 typische Formulierungen herauszufiltern, mit denen Internet-Nutzer nach kinderpornografischen Inhalten suchen. Vorerst nur auf Englisch, aber schon bald soll die Tabu-Liste in 150 Sprachen vorliegen. Die angeforderten Seiten werden blockiert und es soll ein Warnhinweis erscheinen, dass es sich um ein illegales Angebot handelt.
Die Geheimdienste wiederum sollen sich in den entlegensten und verschlüsselten Ecken des Internets, dem sogenannten "Darknet", nach Kriminellen und ihren Opfern umsehen und das illegale Treiben unterbinden.
Den Einstieg erschweren
Häufig geschieht das auf mehrfach verschlüsselten Seiten, die für normale Internetnutzer nicht zugänglich sind. Oder die Darknet-Foren dienen nur der Absprache zwischen Produzenten und Käufern, der Tausch von kinderpornografischen Bildern oder Videos erfolgt dann ganz klassisch in einem dunklen Hinterhof.
Deshalb hält der Internet-Experte Sandro Gaycken von der Freien Universität Berlin das Engagement der Geheimdienste für eine gute Idee: "Da kann es sehr sinnvoll sein, solche Dienste wie GCHQ einzusetzen, die in der Lage sind, solche Netzwerke zu infiltrieren und sich darin zu bewegen, zu beobachten, eventuell Verabredungen zu treffen. Das ist ganz klassische nachrichtendienstliche Ermittlungsarbeit, die da stattfinden kann."
Auch das Engagement der Suchmaschinenanbieter Google und Microsoft ist für Gaycken eine erfolgversprechende Aktion, die helfen kann, Verbrechen zu bekämpfen: "Dadurch kollabiert der Massenmarkt für die Hersteller von solchen Produkten. Sie können dann nur noch in kleinen, verschworenen Zirkeln ihre Produkte vertreiben, dadurch ist es nicht mehr so attraktiv." Er rechnet damit, dass die Anbieter von kinderpornografischem Material Einbußen von bis zu 30 Prozent verzeichnen. Mit weiter verfeinerten Methoden könnte der Effekt sogar noch größer sein, so der Internet-Forscher.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Initiativen, gegen Kinderpornografie im Internet vorzugehen. So hatten sich 2009 fünf große Internetanbieter gegenüber der Bundesregierung und dem Bundeskriminalamt verpflichtet, Seiten mit kinderpornografischen Inhalten zu blockieren. Nach heftigem Protest von Datenschützern, Juristen und IT-Fachverbänden, die das Löschen der Inhalte statt einer Sperrung der Seiten forderten, wurde das Projekt 2011 wieder beendet, ohne jemals in Kraft getreten zu sein.
Kritiker argumentieren, dass ein Filtern von Suchbegriffen nicht viel nütze, weil sich die kriminellen Machenschaften überwiegend im "dunklen Internet" abspielten. Der britische Regierungsberater John Carr widerspricht diesem Argument und betont die Wichtigkeit, die Nutzer möglichst früh abzufangen: "Die Leute beginnen eine Reise im offenen Bereich und erst, wenn sie mehr und mehr eintauchen in die kriminelle Materie, geraten sie ins dunkle Internet."
Er hoffe, dass Microsoft und Google durch die jetzt angekündigten Maßnahmen die Leute so früh stoppen, dass sie gar nicht erst in die dunklen und gefährlicheren Ecken des Internets geraten.
Mehr als nur Marketing
Nach den Enthüllungen der vergangenen Monate über die Spähaktionen der Geheimdienste und den Erkenntnissen darüber, wie sehr die Internetkonzerne möglicherweise darin verstrickt sind, mutet eine konzertierte Aktion gegen Kinderpornografie wie der Versuch an, sich in ein positiveres Licht zu stellen. Sandro Gaycken kann diese Vermutung nachvollziehen, hält sie aber für nicht zutreffend. Diese Aktion sei schon seit längerem geplant gewesen und könne von daher nicht als Reaktion auf die jüngsten Vorwürfe gewertet werden, so der Internet-Experte.
Auch Polizeikommissar Felix Piechota von der Ermittlungsgruppe "Kinderpornografie" im Landeskriminalamt Niedersachsen in Hannover sieht das Engagement der Geheimdienste und Internetkonzerne als willkommene Unterstützung der eigenen Arbeit. Allein in Niedersachsen verzeichneten die Fahnder im Jahr 2011 mehr als eintausend Verfahren wegen kinder- und jugendpornografischer Delikte. Da sei jede Hilfe willkommen.
Oft heißt es, die Verbrecher seien der Polizei immer einen Schritt voraus. Bei der Fahndung nach Kinderpornografie sei das anders, sagt Ermittler Piechota. "Wir sind pro-aktiv unterwegs und beobachten, wo man sich über entsprechende Themen in Foren unterhält oder wo Bilder getauscht werden. Da kann sich eigentlich niemand sicher sein, sich in irgendeinem Bereich zu bewegen, wo die Polizei nicht anwesend ist." Deshalb habe der Einstieg der Geheimdienste möglicherweise sogar eine zusätzliche abschreckende Wirkung, so der Fahnder.
Diskussion über Bürgerrechte
Suchmaschinen sollen eigentlich nur das tun, was ihr Name vorgibt: Dinge im Internet suchen und den Benutzern zugänglich machen. Wenn nun die Betreiber Ergebnisse filtern und möglicherweise sogar Informationen über die Nutzer weitergeben, wird es nach Ansicht von Sandro Gaycken nicht lange dauern, bis die ersten Stimmen laut werden, die darin Zensur und eine Verletzung von Bürgerrechten sehen.
Doch das hält der IT-Sicherheitsfachmann für hysterisch und unangebracht - erst recht im aktuellen Zusammenhang. Da müsse die Gewichtung gewahrt bleiben: "Man kann im Internet Wissen und Meinen regulieren - das darf man natürlich nicht in einer freiheitlichen Gesellschaft. Das zweite ist, dass man Produkte reguliert. Und Kinderpornografie hat eben nichts mit Wissen und Meinen zu tun, sondern das ist ein illegales Produkt und das kann man natürlich in aller Strenge regulieren, verfolgen und auch filtern."