Wertanlage Wein
10. Juli 2007Bordeaux leidet, einerseits: Zu Spottpreisen wird der Wein in Supermärkten verramscht, Schwimmbadweise Überproduktion zu Industriealkohol verklappt - 30 Millionen Hektoliter allein 2006. Es ist ein hausgemachtes Problem: In Zeiten des Booms wurden die Anbau exzessiv erweitert, jetzt werden die Reben herausgerissen. "Wir haben dort 20.000 Hektar Überschussfläche - so groß wie die ganze deutsche Rheinregion Rheinhessen", sagt Günther Grimm, einer der führenden deutschen Bordeaux-Händler- und Kenner. "Das ist die eine Seite". Auf der anderen steht das Spitzensegement der etwa 40 Premium-Produzenten. Die "Grand Cru" der klassischen Güter, etwa zwei Prozent der Weine, sind gefragt wie nie. Die Preise steigen ins Astronomische.
Anlage Wein
Schaut man auf die Preise der Spitzen-Bordeaux über die Jahrzehnte, wird schnell deutlich, dass die besten Roten durchaus zur Geldanlage taugen: Ein Fläschchen Château Lafleur des legendären Jahrgangs 1982 kostete im Ausgabejahr etwa 220 Euro, heute muss man dafür mehr als 3000 Euro investieren - Rendite mit vollem Bouquet, das wissen nicht nur Liebhaber zu schätzen. Wein-Investment ist mittlerweile eine professionelle Anlagemöglichkeit. In den letzten Jahren wurden etliche Weinfonds aufgelegt, etwa von der Hypobank-Tochter Blue Capital. An der Londoner Börse für Weine (International Vintage Exchance) wird mit dem Liv-ex-100 ein Leitindex geführt. 2006 stieg der Dax der edlen Tropfen um knapp 50 Prozent. Auch 2007 legte der Index bisher erneut um gut 20 Prozent zu.
Besonders auf Bordeaux stürzen sich die Anleger. Marken wie Château Lafite Rothschild, Château Margaux oder Pétrus haben weltweit Renommee und der Markt ist selbst für Laien überschaubar: Es gibt ein Château, einen Wein und einen Jahrgang - das war`s. Dazu haben die Weine Lagerpotenzial: "Die können über 40, 50 Jahre getrunken werden", sagt Bordeaux-Händler Grimm. "Das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt."
Neue Kundschaft
Die Qualität der Weine hat sich auch zu einer neuen Kundschaft herumgesprochen: Der Absatz der teuersten Bordeaux sei ein Abbild der Entwicklung an den Finanzmärkten in Asien und Osteuropa, sagt Weinhändler Philipp Schwander aus Zürich, der sich als einer der wenigen Kenner weltweit mit dem akademischen Titel "Master of Wine" schmücken darf. "Die Preise für die Premier Crus aus den besten Châteaux sind überhöht, weil die Nachfrage so groß ist", sagt Schwander. "Und die kommt inzwischen aus Russland, China, Indien und Singapur."
Zur neuen Kundschaft kommen neue Anlagegewohnheiten: Mit den teuren Tropfen wird spekuliert. Konservativ investiert man in reife Weine, die schon zum Zeitpunkt des Einkaufs selten sind. Eine vergleichsweise sichere Sache: Es gilt als quasi unmöglich, dass der Wert eines Château Latour 1961 ähnlich stark wie der von Aktien sinken könnte. Spekulanten ordern hingegen jungen Bordeaux in Subskription - in der Hoffnung, dass sich daraus ein Spitzentropfen mit Spitzenrenditen entwickeln könnte. "Die Parallelen zum Kunst-Markt sind nicht zu übersehen", meint Schwander.
"Allerbester Wein"
"Man kann ja mit Wein spekulieren, aber natürlich nur mit den allerbesten Weinen der allerbesten Jahrgänge", sagt Schwander. "Es ist wie bei der Kunst: Man muss die beste Ware kaufen. Beim 2006er würde ich aber entschieden abraten". Schwander verköstigt seit 1981 sämtliche Bordeaux-Jahrgänge ab Fass. Der 2006er, da ist er sich sicher, wird kein ganz großer. Das Wetter im August sei dafür zu ungünstig gewesen, heißt es. Die klassischen Weinmärkte in Europa und den USA halten sich mit Bestellungen entsprechend zurück.
Trotzdem liegen die Preise weit über denen für den vergleichbaren 2004er. Der Nachfrage sei dank, der guten Weltkonjunktur - und Robert Parker. Der Geschmack des amerikanische Kritikers ist seit 20 Jahren das Maß aller Dinge. 100 Weine soll der 60-jährige pro Tag verkosten. Für die internationale Preisfindung ist es dann entscheidend, wie viele Punkte Parker verteilt. Mittelmäßige Bewertungen können zu Verkaufsproblem führen, lobt der Guru, schießen Preise in die Höhe. Einige 2006er Bewertungen fielen für manche Kenner wie Schwander "überraschend wohlwollend" aus - Spekulanten durften sich freuen. In den traditionellen Absatzmärkten würden die derzeitigen Preise hingegen als "völlig überrissen" angesehen, sagt Schwander. "Meine Kunden finden das nicht mehr lustig".
Anderswo hat man aber anscheinend einen anderen Humor - und tut dem Wein zuweilen ungeheuerliches an, wie Schwander berichtet. "In den neuen Absatzländern scheinen Superreiche, die von Weinen keine Ahnung haben, das Zeug tatsächlich zu trinken".