Amiris Karrieresprung mit afghanischer Unterstützung
7. Oktober 2019Die Erleichterung dürfte groß gewesen sein bei Nadiem Amiri. Endlich ist er dabei bei der DFB-Elf. Beim Test gegen Argentinien am Mittwoch in Dortmund und dem EM-Qualifikationsspiel vier Tage später in Tallinn gegen Estland steht der 22-Jährige im Kader der Nationalmannschaft. Ein lang gehegter Traum ist für den gebürtigen Ludwigshafener mit afghanischen Wurzeln damit in Erfüllung gegangen.
Erst kürzlich sagte Amiri zu einer möglichen Berufung: "Ich bin nur auf Deutschland fokussiert. Mein Traum ist es, unbedingt für die Nationalmannschaft aufzulaufen. Ich gebe immer mein Bestes, damit ich eines Tages von Herrn Löw eingeladen werde. Wenn ich aber irgendwann merken sollte, dass wirklich nullkommanull Chance da ist, dann werde ich für Afghanistan spielen."
Amiri ruft selbst bei Löw an
Diese Sorge muss er nun nicht mehr haben. Allerdings: Einen Anruf von Joachim Löw hat er immer noch nicht erhalten. Im Gegenteil, seine Berufung gestaltete sich etwas kurios. Amiri selbst hat den Bundestrainer angerufen. Weil Löw nicht in Besitz der Handynummer des Leverkusener Profis war, hatte dieser seinen Co-Trainer Marcus Sorg bei Amiri anrufen lassen mit der Bitte um einen Rückruf. "Da habe ich ein bisschen Hoffnung gehabt und habe gleich nach dem Training angerufen", verriet Amiri nach der Bundesligapartie von Bayer 04 gegen RB Leipzig am vergangenem Samstag.
Amiri ist geradezu ein Musterexemplar der Jugendförderung des Deutschen Fußball Bundes (DFB). Er hat bislang insgesamt 51 Spiele für die Juniorenteams bestritten. Vor zwei Jahren wurde er mit dem DFB-Nachwuchs Europameister, bei der diesjährigen EM reichte es für ihn und seine Kollegen immerhin zum zweiten Platz. Amiri zählte zudem zu den besten Spielern des Turniers.
Trainer Bosz: "Verdiente Nominierung"
Allerdings unterscheidet ihn seine Spielweise von der üblichen Schule des DFB. Amiri ist vor allem ein Dribbler, jemand, der sich Zweikämpfe zutraut und auch wagt. Der es auch mal mit mehreren Gegnern aufnimmt, der auch mal scheitert und es immer wieder versucht. Genau solche Spielertypen sollen nach der in Kürze beginnenden DFB-Ausbildungsreform wieder verstärkt ausgebildet werden. Amiri könnte dafür als gutes Beispiel gelten. Denn er kann offensive spielerische Lösungen finden, wo andere Spieler lieber den Rückpass wählen.
Nicht zuletzt aufgrund dieser Eigenschaften ist Amiri nach seinem Wechsel aus Hoffenheim ins Rheinland bereits jetzt überaus beliebt beim Werksklub. "Er hat sich die Nominierung über einen langen Zeitraum verdient", sagt Bayer-Coach Peter Bosz über seinen Spieler.
Überwiegend positive Reaktionen aus Afghanistan
Und auch in der Heimat seiner Eltern ist die Nominierung nicht unbemerkt geblieben. Afghanistans einflussreicher Medien-Mogul Saad Mohseni verkündete die Botschaft über die sozialen Medien via Facebook, kurz nachdem die Nominierung bekanntgegeben wurde.
Die Reaktionen der dortigen Fußballfans war überwiegend positiv. Der User Ab Wahab Achakzai postete: "Wir haben einen internationalen Fußballspieler, aber er spielt für ein anderes Land." Aziz Ahmad Jami schrieb: "Großartig. Nadim ist ein toller afghanischer/deutscher Spieler der Bundesliga. Wünsche ihm weiterhin viel Erfolg." Und Ahawali Kayhan resümierte kurz und knackig: "Gute Neuigkeiten."
Allerdings gab es auch kritische Anmerkungen aus Afghanistan mit Blick auf die komplizierte politische und gesellschaftliche Lage im Land: Sharif Bahrami etwa twitterte: "Wir warten auf dich. In Deutschland gibt es viele Fußballer und alle sind Superstars ... Aber in unserem Land ist es notwendig, ihn und die afghanische Bevölkerung hier zu haben."
Für Amiri scheint die Entscheidung spätestens jetzt, wo er die Einlandung zur A-Nationalmannschaft erhalten hat, endgültig gefallen zu sein. Er will seine Chance nun unbedingt nutzen. "Ich habe immer darauf gehofft", sagte Amiri.