"And the winner is… Rio de Janeiro!"
2. Oktober 2009Gespannte Erwartung lag auf den Gesichtern der Funktionäre in Kopenhagen. An Brasiliens berühmtesten Prachtstrand - der Copacabana - verfolgten mehr als 100.000 Menschen vor einer riesigen Bühne die Übertragung. Dann die Entscheidung: Rio de Janeiro wird die Olympischen Spiele 2016 austragen. Ohrenbetäubender Jubel an der Copacabana, Enttäuschung in Spanien und Japan und ein deftiges Debakel für Chicago. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat den Versuch von Chicago und Obama abgeschmettert, das bedeutendste Sportfest zum fünften Mal in die USA zu holen.
Schock in Chicago
Schon im ersten Wahlgang war das als Favorit gehandelte und von US-Präsident Barack Obama unterstützte Chicago völlig überraschend ausgeschieden. Dabei hatte der mächtigste Mann der Welt zusammen mit seiner First Lady Michelle am Morgen persönlich für seine Heimatstadt geworben. Er erfuhr die Hiobsbotschaft hoch über dem Atlantik auf dem Rückflug von Kopenhagen.
Tausende Menschen, die sich schon am Morgen auf dem Daley-Square in der Bewerber-Stadt eingefunden hatten, um dort auf die Nachricht aus Kopenhagen zu warten und zu feiern, reagierten zunächst mit ungläubigem Schweigen, dann mit einem lauten Seufzen. Ex-Basketball-Star Michael Jordan fasste seine Enttäuschung in drei Worten zusammen: "Ich bin geschockt."
Enttäuschung in Japan
Tokio schied im zweiten Wahlgang aus. "Das war ein totaler Schock", sagte die Goldmedaillen-Gewinnerin im Marathon von Sydney, Naoko Takahashi. "Die Präsentation war zwar gut. Aber es fehlte das gewisse Extra", so Yuko Arimori, Silbermedaillen-Gewinnerin im Marathon von Barcelona. "Tokio hatte keinen überraschenden Reiz zu bieten, um die Leute anzulocken."
Rund 350 Japaner, die am Tokioter Fernsehturm die Entscheidung in Kopenhagen am Bildschirm verfolgten, gingen gleich wieder nach Hause, nachdem Tokio ausgeschieden war. Die Japaner hatten die "kompaktesten und nachhaltigsten Spiele der Geschichte" versprochen und zudem mit ihren Umweltschutzbemühungen geworben.
Madrid scheitert knapp
Erst im dritten Wahlgang setzte sich Rio gegen Madrid durch. Die erforderliche absolute Mehrheit bekamen die Brasilianer mit 66 Stimmen im letzten Wahlgang. Der Spanische Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero zeigte sich als fairer Verlierer: "So ist Sport. Rio hatte eine tolle Kandidatur, Madrid auch, aber Rio hat gewonnen. Das tut sehr weh."
Madrids Olympia-Traum ist damit bereits zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren geplatzt. Damals war die Drei-Millionen-Metropole mit ihrer Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 knapp London unterlegen. Zudem hatte sich Madrid um die Olympischen Spiele 1972 bemüht, die nach München gingen.
Rio schreibt Sport-Geschichte
An der Copacabana ging die Strandparty erst richtig los. Jubelstürme, Freudentränen, Sambatrommeln und Konfetti-Regen. Die Cariocas, wie die Einwohner Rios heißen, lagen sich in den Armen. In diesem Jahr, so scheint es, feiert die "Cidade Maravilhosa", die "wunderbare Stadt", gleich zweimal Karneval - und die Party in Rio geht jetzt nahtlos ins Wochenende über. Grund zum Feiern gibt es genug: Rio holte die Spiele nicht nur nach Brasilien, sondern erstmals in der Olympia-Geschichte nach Südamerika. "Es ist Zeit, Olympia demokratisch zu machen. Schwellenländer wie Brasilien haben das Recht, die Spiele auszurichten", hatte Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva gefordert. Weil 2014 auch die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien stattfindet, jubelte FIFA-Präsident und IOC-Mitglied Joseph Blatter: "Eine Superentscheidung. Jetzt kommt Olympia mit Fußball zusammen."
Präsident Lula freute sich: "Heute ist ein heiliger Tag für mich. Rio hat gewonnen, weil es Herz und Seele hat und die Einwohner liebenswürdig und großzügig sind." Währenddessen tanzte die Delegation Rios durch das Foyer des riesigen Kongresszentrums und schwenkte übermütig zwei brasilianische Flaggen.
Und der wohl bekannteste Brasilianer – der Ex-Fußballstar Pele könnte durch sein Engagement für Rio endlich seinen eigenen olympischen Traum leben. Der einst beste Fußballer der Welt durfte nie an Olympia teilnehmen, weil zu seiner Zeit Profis nicht zugelassen waren. "Ich war dreimal Weltmeister, habe mehr als 1000 Tore geschossen, aber eine Olympia-Medaille habe ich leider nicht", sagte Pele und scherzte: "Vielleicht lassen sie mich 2016 ja mitspielen."
Gute Chance für München
Die Entscheidung für Rio de Janeiro könnte auch eine wichtige für Deutschland werden: Denn Deutschland bewirbt sich um die Winterspiele 2018. Weil die Sommerspiele nach Südamerika und nicht nach Europa vergeben wurden, sieht Münchens Oberbürgermeister Christian Ude "gute Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss." Zusammen mit Königssee und der Ski-Region Garmisch-Partenkirchen sei München "bestens aufgestellt, um als erste Stadt weltweit nach Olympischen Sommerspielen auch die Winterspiele ausrichten zu dürfen".
Autorin: Olivia Fritz (sid, dpa)
Redaktion: Sarah Faupel