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Politik

Andrea Nahles ist neue SPD-Parteivorsitzende

22. April 2018

Die SPD hat 155 Jahre nach ihrer Gründung zum ersten Mal eine Frau als Vorsitzende. 66 Prozent der Parteitags-Delegierten gaben der 47-Jährigen SPD-Fraktionsvorsitzenden ihre Stimme.

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Außerordentlicher Bundesparteitag der SPD
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Dass sie es wurde, war erwartet worden. Die spannende Frage aber lautete: Wie viele der Delegierten würden Andrea Nahles nach den Personalquerelen der vergangenen Wochen auf dem Sonderparteitag der SPD ihre Stimme geben? 414 Parteitagsmitglieder schließlich sahen in Nahles die neue Parteivorsitzende. Beobachter hatten mit mehr Zustimmung gerechnet. 

Weniger Stimmen hatte vor 23 Jahren nur Oskar Lafontaine erhalten, der damals den amtierenden SPD-Chef Rudolf Scharping ablöste, und mit 62,6 Prozent an die Parteispitze gewählt worden war. 

Auch war es seit damals das erste Mal, dass sich für den SPD-Parteivorsitz zwei Personen zur Wahl stellten. Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange hatte eine Gegenkandidatur zu Nahles eingereicht. Sie erhielt auf dem Sonderparteitag in Wiesbaden 172 Stimmen. Viele davon dürften von den innerparteilichen Gegnern der großen Koalition stammen. Vor der Abstimmung hatten beide Kandidatinnen 30 Minuten Zeit, vor den Delegierten für sich zu werben.

"Mich zu wählen bedeutet Mut"

Sie kandidiere deshalb, weil Demokratie nichts mit Alternativlosigkeit zu tun habe, sagte Lange zu Beginn ihrer Rede. Lange rief die Sozialdemokraten zu einem linken Kurswechsel auf. "Deutschland und Europa brauchen uns. Der SPD fehle es an echter Erneuerung, sagte Lange in ihrer Bewerbungsrede. Der Absturz auf 20,5 Prozent bei der jüngsten Bundestagswahl müsse Konsequenzen haben, es brauche mehr Erfahrung von der Basis und neue Köpfe. "Ich bin heute eure Alternative für eine echte Erneuerung der SPD."

Außerordentlicher Bundesparteitag der SPD
Die SPD müsse sich wahrhaft wandeln, forderte Simone Lange warb damit auch für sich als PersonBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Die SPD müsse die Ideologie des Marktradikalismus durchbrechen. Es müsse Schluss sein mit Warteschlangen vor Sozialämtern und Schluss damit, dass "wir unsere Schulen so aussehen lassen, wie sie aussehen", rief Nahles Gegenkandidatin den Delegierten zu.

Die Debatte um Hartz IV sei keine Vergangenheitsdebatte, sagte Lange, sondern für Millionen von Menschen der Alltag. Bei Agenda-Politik habe die SPD in Kauf genommen, dass diesen Menschen heute trotz Arbeit in Armut leben, kritisierte die Flensburger Oberbürgermeisterin, und sagte weiter: "Dafür möchte ich mich entschuldigen."

Lange schloss ihre rund 20-minütige Rede mit den Worten: "Mich zu wählen bedeutet Mut. Aber ohne den geht es nicht."

"Mein Name ist Andrea Nahles"

Anders als ihre Gegenkandidatin nutzte Andrea Nahles die gesamte Redezeit von insgesamt 30 Minuten. Dass sie mal Karriere machen werde, sei nicht selbstverständlich gewesen - weder in der SPD noch als Frau, begann Nahles ihre Rede. Aber eben dieses sei in der SPD möglich gewesen, denn diese stehe für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.

Freiheit sie das Wichtigste, Gerechtigkeit sei das Ziel der Partei, Solidarität aber sei das, woran es am meisten fehle in "dieser globalisierten, neoliberalen, turbodigitalen Welt." Solidarität bedeute auch gebührenfreie Schulen und Unis - und in der Wirtschaft, dass der Wohlstandsgewinn allen zugute kommen müsse, betonte Nahles.

Sozialdemokratie als Anwalt der Bürger

Vor allem US-Präsident Donald Trump radiere gerade das Prinzip der Solidarität vollständig aus. Er bediene nur die eigenen Interessen mit dem "America-First-Prinzip". Solidarität sei auch das Mittel gegen die Bedrohung der demokratischen Ordnung in Europa durch die Rechtspopulisten. "Die Rechten suchen nicht die Auseinandersetzung mit den Starken. Sie kämpfen gegen die Schwächsten", sagte Nahles mit Blick auf den AfD-Aufstieg in Deutschland. 

Außerordentlicher Bundesparteitag der SPD
Andrea Nahles und die Partei: Nicht immer eine romantische BeziehungBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Es sei hochgefährlich, ihre Argumente nachzuplappern. "Diese Kräfte sind nicht das Volk, sie sind ein Angriff auf das Volk." Man müsse sich dem entgegenstellen. Eine der Aufgaben für die Sozialdemokraten müsse sein, dass sie ein solidarischer Anwalt verunsicherter Bürger ist.

Neue Regeln für den digitalen Kapitalismus

Als eine der großen Herausforderungen für die deutsche Sozialdemokratie nannte Nahles die Bändigung des digitalen Kapitalismus. Steuerzahlende Unternehmer, Einzelhändler und Handwerker müssten heute mit großen digitalen Plattformen konkurrieren, welche keine soziale Verantwortung übernähmen. "Die Regeln, die den digitalen Kapitalismus zu einer solidarischen Marktwirtschaft machen, müssen erst noch erfunden werden", sagte Nahles "und wer, wenn nicht wir, sollte das tun?"

Außerordentlicher Bundesparteitag der SPD (picture-alliance/dpa/B. Roessler)
155 Jahre nach ihrer Gründung hat die SPD eine Frau als ParteivorsitzendeBild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Nahles zeigte sich fest davon überzeugt, dass sich die SPD auch in der Regierung erneuern könne. "Es gibt nur eine Partei, das sind wir alle in diesem Raum. Gemeinsam sind wir stark, wir packen das, das ist mein Versprechen!", schloss die nun neugewählte SPD-Parteivorsitzende ihre Rede.

cw/hf (dpa, afp, phoenix)