Ankaras Verwandschaft im Süden
25. November 2015Schnell denkt man an Turkmenistan in Zentralasien - doch mit dem Staat am Kaspischen Meer haben die Turkmenen Syriens nicht viel zu tun. Auch sie sind eines der Turkvölker, rund 200.000 von ihnen sollen vor Beginn des Bürgerkriegs in Syrien gelebt haben. Offizielle Statistiken gibt es nicht.
Galt ihren Rebellengruppen der Einsatz des russischen Jets? Und haben sie einen der beiden Piloten getötet, die sich mit einem Fallschirm aus dem brennenden Flugzeug retteten, nachdem es von türkischen Maschinen abgeschossen wurde? Noch ist das unklar. Klar ist jedoch, dass die Türkei sich den Turkmenen Syriens eng verbunden fühlt.
Bande nach Norden
Es sei wenig überraschend, dass dieses kleine Volk in Richtung Ankara schaue und sich von dort Schutz und Finanzhilfen erhoffe, sagt Fawaz Gerges, Nahost-Experte an der London School of Economics (LSE). Schließlich eine sie ein gemeinsames Erbe mit der Türkei.
Der Hauptteil der Turkmenen, die auch Turkomanen genannt werden, lebt in den Bergen der Provinz Latakia im Norden Syriens. Mit dem Nachbarland im Norden verbindet sie eine "starke ethnische und sprachliche Nähe", sagt Paul T. Levin, Direktor des Stockholmer Instituts für Türkische Studien im Gespräch mit der DW. Die Sprache der syrischen Turkmenen ist mit dem Türkischen verwandt, auch ethnisch sei man eng verbunden, so Levin.
Natürlicher Verbündeter
Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sind die Turkmenen ein natürlicher Verbündeter - nicht nur aus ethnischen Gründen, sondern auch wegen des gemeinsamen Feinds, des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.
Schon zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs griffen turkmenische Rebellengruppen zu den Waffen und bekämpften das Regime Assads. Sie hatten zuvor nicht so stark wie beispielsweise die Kurden unter Assads Herrschaft leiden müssen, sagt Nahost-Experte Gerges. Dem russischen Militär, das in Allianz mit Assad dessen Gegner seit September bombardiert, gelten die Turkmenen als Feinde.
Türkische Politiker haben Russland mehrfach vorgeworfen, im Norden Syriens auch turkmenische Zivilisten anzugreifen. Erst vergangene Woche hatte das türkische Außenministerium den russischen Botschafter einbestellt, nachdem 40 Turkmenen bei einer Reihe von Luftangriffen verletzt worden waren. Am Montag hatte die Türkei dies auch vor den UN-Sicherheitsrat gebracht.
Strategisch bedeutend
Ankara hat die turkmenischen Rebellengruppen aktiv in ihrem Kampf unterstützt und habe, so sagt Levin, den Turkmenen-Brigaden sogar den Grenzübertritt erlaubt. Sie hätten also auch von türkischem Boden aus operieren dürfen.
Zudem seien die turkmenischen Rebellen und andere bewaffnete Gruppen für Erdogans Regierung zur Sicherung der südlichen Grenze wichtig. "Dass sie Teile der Grenzregion kontrollieren, ist für die Türkei von strategischer Bedeutung.
Ranj Alaaldin, Nahostexperte an der LSE, sagt im DW-Gespräch, dass die Türkei die Turkmenen auch als "Puffer zu einer möglichen autonomen Kurdenprovinz" an ihrer Grenze nutzen wolle. Die Kurden, ethnische Minderheit in Syrien, dem Irak und in der Türkei, verfolgen seit langem das Ziel eines eigenen Staates. Ein Ziel, das Ankara strikt ablehnt.
Laut Alaaldin sind die Turkmenen für Ankara "ein verlässlicher Stellvertreter, nicht nur in Syrien, sondern auch im Irak, wo sie den so genannten Islamischen Staat bekämpfen."
Könnte das kleine Volk im Spiel der großen Mächte aufgerieben werden? Nahostexperten wollen keine Prognose über die Zukunft der Turkmenen wagen. Für Fawaz Gerges ist klar, dass die syrischen Turkmenen angesichts des weiter tobenden Bürgerkriegs vor allem nach Sicherheit streben. Und die, so Gerges, könne ihnen derzeit am ehesten eine enge Allianz mit der Türkei bieten.