Zweifelhafte Anklage
26. März 2007In den Wirren nach den Terroranschlägen des 11.Septembers 2001 wurde ein junger australischer Känguru-Häuter auf dem Schlachtfeld in Afghanistan aufgegriffen. Dem war die nomadenhafte Odyssee eines jungen Menschen vorausgegangen, dessen Ziel- und Orientierungslosigkeit Merkmal vieler westlicher Jugendlicher seiner Generation war. Der nun 31-jährige David Hicks, der zum Islam übertrat, ein Trainingslager der El Kaida durchlief, aber ganz offenbar niemals einen Schuss abgab, steht nun vor dem Militärrichter auf dem US-Marinestützpunkt in Kuba. So wird er zumindest in die internationale Rechtsgeschichte eingehen. Wenn auch als unrühmliches Beispiel dafür, wie ein Rechtsstaat nicht mit seinen Gefangenen umgehen darf.
Foltervorwürfe nicht geklärt
Über fünf Jahre musste der junge Australier auf seinen Prozess warten. Allein das ist ein Skandal. In einer eidesstattlichen Erklärung hat er zu Protokoll gegeben, dass er während seiner Verhöre gefoltert wurde, aller Beteuerungen Präsident Bushs zum Trotz, wonach die USA ihre Gefangenen eben nicht foltere. Internationale Medienvertreter können sich ein Bild davon machen, dass die Haftbedingungen in Guantanamo in der Tat human sind, den Verhören aber durften bisher weder Anwälte noch Menschrechtsvertreter oder Journalisten beiwohnen. Deswegen stehen die Foltervorwürfe von Hicks und anderen Ex-Gefangenen auch weiterhin im Raum. Und natürlich sind Geständnisse, die unter Zwang erpresst wurden, mit den Methoden eines Rechtsstaates absolut unvereinbar. In den Militärtribunalen aber sind sie zugelassen, was die Verfahren unhaltbar macht.
Anderthalb Jahre nachdem der höchste US-Gerichtshof die Militärtribunale als verfassungswidrig einstufte und nachdem Bush mit seiner schwindenden Mehrheit im Kongress ein neues, leicht modifiziertes Regelwerk durchpeitschte, ist seine Regierung nun darauf bedacht, um jeden Preis zeigen zu können, dass die Rechtsprechung a la Guantanamo tatsächlich funktioniert. Hicks, den man für den ersten Prozess auserkoren hat, ist dabei ein denkbar schlechtes Beispiel für diese fragwürdige Strafjustiz. Das zeigt allein schon die Tatsache, dass vier der fünf ursprünglichen Anklagepunkte gegen ihn fallengelassen wurden. Darunter auch die Vorwürfe des versuchten Mordes, der Unterstützung des Feindes und der Verschwörung gegen das Leben unschuldiger Zivilisten. Offenbar ist Hicks unter den noch 365 mutmaßlichen Terroristen auf dem US-Militärstützpunkt auf Kuba ein kleiner Fisch - an dem jedoch ein Exempel statuiert werden soll.
Lehrstück in Negativwerbung
Der Prozess findet hinter verschlossenen Türen statt, auch wenn Medienvertreter am Rande des Verfahrens zugelassen sind. Hicks hat sich vor dem Prozessauftakt mit seinem Vater treffen können. Dabei soll er einen mental verwirrten Eindruck hinterlassen haben. Für die USA ist der Prozess rein imagetechnisch ein Lehrstück in Negativwerbung. Hicks‘ amerikanischer Militäranwalt ist in Australien schon jetzt ein Medienstar, der Chefankläger dagegen der ausgemachte Bösewicht. Dabei gerät allzu leicht in Vergessenheit, dass sich unter den Gefangenen auf dem US-Marinestützpunkt tatsächlich höchst gefährliche Männer befinden, die wahrscheinlich nur darauf warten, wieder die Waffen gegen Amerika und seine Verbündeten zu erheben. Umso notwendiger wäre es, dass die Angeklagten in den USA selbst vor ordentliche Gerichte gestellt würden. Damit ist jedoch in Präsident Bushs Amtszeit nicht mehr zu rechnen.
Für die Nach-Bush-Zeit haben sich bereits Senatoren der Demokratischen Partei zu einer Revision der Militärtribunal-Gesetzgebung verabredet. Die Militärtribunale sind also, noch bevor sie richtig begonnen haben, ein Auslaufmodell. Bis dahin wird Präsident Bush sein Veto gegen alles androhen, was seine Terrorbekämpfungsstrategie in Abrede stellt. Und ein Veto des US-Präsidenten ist nur mit einer parlamentarischen Zweidrittel-Mehrheit zu Fall zu bringen. Auch das ist Teil der amerikanischen Verfassungswirklichkeit. In diesem Fall zum Schaden des Angeklagten.