1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Annäherungssignale zwischen Peking und Taiwan

Matthias von Hein14. Februar 2014

Taiwan und die Volksrepublik China befinden sich offiziell noch immer im Krieg. Jetzt haben sich erstmals seit 65 Jahren Vertreter beider Seiten in offizieller Funktion getroffen und weitere Begegnungen vereinbart.

https://p.dw.com/p/1B7a9
Taiwans Minister für Festlandsfragen, Wang Yu-chi (l), und der in Peking für Taiwan-Angelegenheiten zuständige Minister Zhang Zhijun
Bild: picture-alliance/zumapress.com

Der Wirtschaftsaustausch floriert, der gegenseitige Tourismus boomt, fast 700 Passagierjets fliegen jede Woche direkt zwischen der Volksrepublik China und Taiwan hin und her: Dennoch befinden sich beide Seiten seit 65 Jahren formell noch im Kriegszustand. Jetzt wurde bei den ersten offiziellen Gesprächen von Regierungsvertretern beider Seiten die Einrichtung eines "regulären Kommunikationskanals" beschlossen. Im südchinesischen Nanjing hatten sich am Dienstag (11.02.2014) der taiwanische Minister für Festlandsfragen, Wang Yu-chi (im Bild links), und der in Peking für Taiwan-Angelegenheiten zuständige Minister Zhang Zhijun getroffen. Die Begegnung wurde von der Presse in Taiwan und Hongkong als "historisch" bewertet. Vor der Presse erklärte Zhang anschließend, man werde sich in Zukunft öfter gegenseitig besuchen und fuhr fort: "Wir werden gute Freunde sein und gemeinsam zur Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Ufern der Taiwan-Straße beitragen."

Diese Freundschaft ist freilich an Bedingungen geknüpft. Die zentrale lautet: Taiwan darf keine Schritte in Richtung formeller Unabhängigkeit unternehmen. Peking betrachtet die Insel als abtrünnige Provinz, die baldmöglichst wieder mit dem Mutterland vereinigt werden sollte. Entsprechend wurde 2005 von Peking das sogenannte "Anti-Abspaltungsgesetz" verabschiedet. Für den Fall der Unabhängigkeit wird Taiwan darin mit militärischer Gewalt gedroht. In dieses Bild gehört auch, dass China seinen Militärhaushalt innerhalb des letzten Jahrzehnts verdreifacht hat und regelmäßig die Landung an Stränden und Eroberung von Küstenstreifen übt.

Peking macht Druck

Vergangenen Oktober hatte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erklärt, eine politische Lösung der Taiwan-Frage könne man nicht endlos aufschieben. Taiwans Präsident Ma Ying-jeou sagte daraufhin, er sehe keinen Grund zur Eile in Bezug auf politische Gespräche und wolle sich lieber auf Handelsfragen konzentrieren. Die taiwanische Bevölkerung insgesamt könne mit dem Status quo sehr gut leben und habe mit einer Wiedervereinigung wenig im Sinn, betont der Trierer Chinawissenschaftler Dirk Schmidt im Gespräch mit der Deutschen Welle. Schmidt nennt Zahlen jüngster Umfragen: Demnach sind über 65 Prozent der Taiwaner mit dem Status quo zufrieden, weniger als zehn Prozent sprechen sich für die Wiedervereinigung mit China aus. "Die Volksrepublik China drängt auf eine Verbesserung der Beziehungen im Sinne von Schritten zu einer politischen Lösung, während die Republik China, Taiwan, bisher auf Zeit gespielt hat", sagt Schmidt.

Foxconn Fabrik in Kunshan (Foto: EPA/Qilai Shen)
Die taiwanische Elektronik-Firma Foxconn beschäftigt in China über eine Million MenschenBild: picture-alliance/dpa

Die Beziehungen zwischen beiden Seiten der Meerenge haben sich seit dem Wahlsieg von Präsident Ma Ying-jeou 2008 deutlich verbessert. Ma von der Kuomintang-Partei steuert im Vergleich zu seinem Vorgänger Chen Shui-bian von der eher auf Unabhängigkeit bedachten Demokratischen Fortschrittspartei DPP einen deutlich konzilianteren Kurs gegenüber Peking. Eine Fülle von Wirtschafts- und Handelsabkommen wurden seither abgeschlossen, die ohnehin schon engen Wirtschaftsbeziehungen weiter ausgebaut.

Wichtigster Handelspartner Taiwans

Die Volksrepublik ist mit weitem Abstand der wichtigste Handelspartner Taiwans. Unternehmen von der Insel haben in den letzten 30 Jahren rund 80.000 Fabriken auf dem Festland gegründet, mit einem Investitionsvolumen von rund 100 Milliarden US-Dollar. Das bekannteste ist wahrscheinlich Foxconn, Auftragshersteller unter anderem für Apple.Umgekehrt steht Taiwan erst seit drei Jahren chinesischen Investoren offen. Die haben in der Zeit allerdings schon rund 800 Millionen Dollar auf der Insel investiert. Die Wirtschaftsbeziehungen sind mittlerweile so eng, die Abhängigkeit Taiwans von der Volksrepublik so groß, dass Kritiker bereits von einem "Ausverkauf" der Insel sprechen.

Taiwans Präsident Ma Ying-Jeou (Foto: AP)
Peking setzt Taiwans Präsident Ma Ying-jeou mit politischen Avancen unter DruckBild: AP

Selbst Kuomintang-Abgeordnete haben deshalb die Reise von Wang Yu-chi nach Nanjing kritisch verfolgt. Die Abgeordnete Luo Shulei etwa sagte: "Wir appellieren an Wang Yu-chi, wachsam zu bleiben. Er muss vorsichtig sein, um nicht in eine Falle zu geraten." Auf Taiwan wurde mit Befremden registriert, dass man drei Peking gegenüber kritisch eingestellten Journalisten aus der Delegation Wangs die Einreise in die Volksrepublik verweigert hatte.

Taiwans Wähler reden mit

Peking will offenbar die politische Annäherung an Taiwan forcieren, solange die gegenwärtige Regierung dort an der Macht ist. Die nächsten Präsidentschaftswahlen auf Taiwan stehen zwar erst 2016 an, aber in diesem Herbst gibt es Kommunal- und Regionalwahlen. Die regierende Kuomintang steht unter großem Druck. Präsident Ma gilt mittlerweile als ausgesprochen unpopulär. Chinaexperte Schmidt analysiert: "Man kann den Druck, den die Volksrepublik China in den letzten Monaten hat erkennen lassen, auch so deuten, dass nun irreversible Fakten geschaffen werden sollen, die dann verhindern, dass nach einem Wahlsieg der Opposition alles rückgängig gemacht werden kann."

Chinas Präsident Xi Jinping beim APEC-Gipfel 2013 (Foto: Reuters)
Kommt es beim APEC-Gipfel 2014 zum gesamtchinesischen "Gipfeltreffen"?Bild: Reuters

Das Treffen in Nanjing war möglicherweise nur die Ouvertüre für ein noch höherrangiges Treffen zwischen beiden Seiten der Straße von Taiwan. Taiwans Unterhändler Wang hatte schon mehrfach deutlich gemacht, dass er auf eine Begegnung zwischen den Präsidenten Ma Ying-jeo und Xi Jinping auf dem APEC-Gipfel in Peking im Herbst hinarbeitet. Und das wäre dann wirklich historisch.