Anthony Hopkins: Genial gealtert
17. Januar 2006Anthony Hopkins, so viel sei vorweg gesagt, hält nicht viel von Shakespeare: Der sei "überbewertet und nur für Snobs", ließ er das Interviewmagazin "Galore" wissen. "Einige seiner Stücke dauern fünf Stunden. Wer zum Teufel will sich den 'Hamlet' so lange antun?" Dabei brillierte der heute 67-Jährige früher selbst in Shakespeare-Aufführungen.
Hopkins, an Silvester 1937 in einer Kleinstadt im Süden von Wales geboren, studierte am Welsh College of Music and Drama in Cardiff und an der Royal Academy of Dramatic Arts in London. Er war in den 1960er Jahren Mitglied der National Theatre Company (Leitung: Laurence Olivier), wo er sich in kurzer Zeit den Ruf eines hervorragenden Charakterdarstellers erwarb. Doch die Theaterkarriere ist längst vorbei: Seine erste bedeutende Kinorolle übernahm er bereits 1968 - als Richard Löwenherz in "The Lion in Winter".
Oscar-Preisträger
Seinen internationalen Durchbruch schaffte Hopkins 1991 als menschenfressender intellektueller Serienmörder Hannibal Lecter in Jonathans Demmes "Das Schweigen der Lämmer". Dafür erhielt er einen "Oscar". Später wurde er noch zwei Mal nominiert: 1995 für seine Rolle als Richard Nixon und 1998 für seinen Auftritt als Präsident John Quincy Adams in Steven Spielbergs "Amistad". Er spielte in Film-Hits "Was vom Tage übrig blieb" (1993), "Howards End" (1992) und "Shadowlands" (1993).
Historische Charaktere
Von Oliver Stone fühlte er sich zunächst auf den Arm genommen, als dieser ihm die Titelrolle in "Nixon" anbot. "Ich kann nicht Nixon spielen. Ich bin kein Amerikaner", erzählt Hopkins. Aber Stone muss wohl geantwortet haben: "Ich will, dass du es machst. Ich glaube, dass du seine Paranoia und seine Unsicherheit verstehst." Inzwischen hat er Erfahrung mit historischen Figuren.
Nach Richard Nixon spielte er´Pablo Picasso ("Mein Mann Picasso", 1996). Bald wird er auch als Hemingway auf der Leinwand zu sehen sein: Der neuseeländische Regisseur Roger Donaldson habe den Hollywoodstar für sein Filmprojekt "Papa" ausgesucht. Wenn jemand Hemingway spielen könne, dann sei es Hopkins, erklärte der Filmemacher. "Papa" soll in Havanna spielen, wo der Schriftsteller Hemingway mit dem amerikanischen Kriegsreporter Denne Bart Petitclerc zusammentraf. Der Film sei eine Mischung aus einem Thriller und einer Liebesgeschichte.
Hopkins, der Professor
Auch im Universitäts-Milieu ist Hopkins immer wieder zugange: In "Der menschliche Makel" (2003), der Verfilmung eines Romans von Philip Roth, spielt er einen Altphilologie-Professor mit unbewältigter Vergangenheit. Des Rassismus' bezichtigt, legt er alle Ämter nieder. Was die Universität nicht weiß: Er ist ebenfalls Afroamerikaner. Da er aber nicht sofort als solcher zu erkennen ist, verleugnete er in den Nachkriegsjahren seine Herkunft und legte sich eine "weiße Identität" zu.
In "Proof" (2005) spielt Hopkins einen genialen Mathematikprofessor, der jedoch in den Jahren vor seinem Tod in geistige Verwirrung fällt. Dunkel sind die Szenen, in denen der gestorbene Professor seiner Tochter (Gwyneth Paltrow) erscheint, die sein Genie für höhere Zahlenzusammenhänge geerbt hat, aber sich nun mit dem Vater streitet, ob sie wohl auch seinem Hang zum Wahn erliegen könnte. "Aber weißt du nicht, dass ich tot bin?", ermahnt der Vater die Tochter.
Sir Anthony, der das halbe Leben unter Selbstzweifeln und Alkoholproblemen litt, ist eine Rarität unter den Stars: Er ist kein bisschen eitel, er braucht nichts mehr zu beweisen. Das können sich nur die ganz Großen erlauben. (arn)