Antibiotikum oder Akupunktur?
4. November 2004Trotz großer Nachfrage der Bevölkerung sind alternative Heilmethoden kaum in den Lehrplänen der medizinischen Hochschulen vorhanden. Medizinstudenten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich reisen deshalb zur Weiterbildung nach Peking - meist auf eigene Kosten.
Aufenthalt mit Stundenplan
Teilnehmer einer 32-köpfigen studentischen Reisegruppe ist Michael aus Heidelberg. Fünf Wochen lang wird er sich in der chinesischen Metropole aufhalten, will Land und Leute kennen lernen und vor allem: intensive Einblicke in die chinesische Medizin bekommen.
Die Tage in Peking sind straff durchgeplant. Im 2000 Betten großen China-Japan Hospital lernen Michael und seine Kommilitonen in Theorie und Praxis das wichtigste über Akupunktur, Akupressur, Tuina Massage und Moxibustion. "Es geht um 8 Uhr los - ziemlich früh für deutsche Studenten. Wir sind vier Stunden in der Ambulanz und laufen dort mit den Ärzten mit. Sie behandeln auf ziemlich engem Raum viele Patienten. Man bekommt sehr viel zu sehen und wird auch angehalten, zu helfen. Am Nachmittag kommen nochmal zwei Stunden Theorie dazu", erzählt Michael.
Yin und Yang
Er versucht, in der kurzen Zeit ein Maximum an philosophischem und medizinischem Wissen über Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) aufzunehmen. Nicht einfach. Immerhin dauert die reguläre Ausbildung in China fünf Jahre. "Wir haben erstmal eine Einführung in die Philosophie bekommen: Yin und Yang und wie das Qi fließt. Außerdem gibt es viele Organe, die in der chinesischen Medizin anders dargestellt werden, als in der westlichen. Und: Wir erfahren Wissenswertes über die verschiedenen Meridiane. Das sind die Punkte, in die man mit der Akupunkturnadel sticht", erläutert Michael.
Die Medizinstudenten versuchen, ihr bisher erlerntes, naturwissenschaftlich orientiertes Krankheitsverständnis mit der Traditionellen Chinesischen Medizin zu kombinieren. Doch das Praktikum in der Ferne ist zu kurz, um eine Krankheit nach chinesischer Lehre zu diagnostizieren und behandeln zu können. Es bedarf langjähriger Erfahrung, um mit Traditioneller Chinesischer Medizin chronische Rücken- und Schulterschmerzen, Schlaganfälle, Fettleibigkeit und Asthma behandeln zu können.
Nadeln und Schröpfen
Professor Bai erklärt ihren europäischen Studenten das Nadeln und Schröpfen - der Dolmetscher übersetzt simultan. Einige Studenten wollen aber nicht nur lernen, sondern sich auch von Frau Bai behandeln lassen. Max aus Wien lässt sich wegen einer angeborenen Schiefstellung seiner Wirbelsäule akupunktieren: "Diese Feuernadel, mit der Frau Professor Bai hantiert, ist ein bisschen dicker als die anderen, und sie wird zum Glühen gebracht. Durch Stiche in gewisse Punkte werden die Wirbel wieder eingerenkt. Die Schmerzen muss man in Kauf nehmen - dafür bin ich jetzt zwei Zentimeter größer."
Nach ihrer Rückkehr aus China wollen die Medizinstudenten die gewonnenen Erfahrungen weiter vertiefen. Und, wenn es ihr Portemonnaie erlaubt, ein zweites Praktikum im Reich der Mitte machen, um ihr Wissen später auch in die Praxis umsetzen zu können.