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Arktischer Ölrausch - auf Eis?

Irene Quaile / hf22. Januar 2015

In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt der Arctic Frontiers-Konferenz im norwegischen Tromsö auf Klima und Energie. In einer Gegend, die von Öl und Gas lebt, sind Klimaverordnungen jedoch ein kontroverses Thema.

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Norwegen Tromso Öl Industrie Schornsteine 20.01.2015
Bild: DW/Irene Quaile

Die Arctic Frontiers-Konferenz verzeichnet in diesem Jahr Rekordzahlen: 1400 Teilnehmer aus über 30 Nationen versammeln sich seit dem 18. bis zum 23. Januar in der norwegischen Stadt Tromsø. Die Auswirkungen der niedrigen Ölpreise und die politischen Spannungen zwischen Russland und den westlichen arktischen Anrainerstaaten scheinen großes Interesse daran geweckt zu haben, was die Experten und Entscheidungsträger wohl über den Zusammenhang von Klima und Energie zu sagen haben - in einem Land, dessen Wohlstand auf fossilen Brennstoffen basiert.

Das Medienaufgebot ist groß in der Stadt, die eigentlich weit ab in der Arktis liegt, zwei Stunden nördlich der Hauptstadt Oslo.

Kein Platz mehr für arktisches Öl?

Erna Solberg (Foto: DW/Irene Quaile)
Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg fordert einerseits Gas-und Klimaschutz...Bild: DW/Irene Quaile

2015 ist auch das Jahr, in dem sich die Welt für das wichtige UN-Klimatreffen im November in Paris rüstet. Bis dato lässt die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg jedoch keinen Zweifel daran, dass ihr Land auch weiterhin an der Öl- und Gasförderung in der Arktis festhalten wird. Gegenüber der DW sagte sie, sie sehe keinen Widerspruch darin, trotzdem am Ende des Jahres ein neues Weltklimaabkommen zu erreichen:

"Es gibt höchstwahrscheinlich noch viele - bisher nur noch nicht gefundene - Gegenden, in denen noch Gasvorräte vorhanden sind. Gas ist ein wichtiger Bestandteil des zukünftigen Energiemixes - und ich denke, dem sollten wir nachgehen."

Zudem hat die norwegische Regierung für die Erforschung der nordwestlichen Barentssee gerade neue Lizenzen vergeben. Viele der Bereiche, die für die Erdöl-Lizenzen freigegeben sind, liegen nah an der Zone, die vorher durch Meereis geschützt war. Laut WWF ist diese Ansage riskant, da es noch an Wissen über die Arten und Ökosysteme in dieser Region mangele.

Sinkender Ölpreis: Hoffnung für die Umwelt?

Arctic Frontiers Banner (Foto: DW/Irene Quaile).
Arctic Frontiers ist zu einer der wichtigsten Arktis-Veranstaltungen gewordenBild: DW/Irene Quaile

Da sich der Ölpreis derzeit allerdings im Tief befindet, hoffen Umweltschützer, dass die weitere Arktis-Erkundung erst einmal auf Eis gelegt - oder sogar dauerhaft gestoppt - wird. Ein Vertreter des WWF sagte in Tromsø, dass die Welt nicht auf das Öl aus der Arktis angewiesen sei.

Dazu zitierte Samantha Smith, Leiterin der Global Climate and Energy Initiative, eine kürzlich durchgeführte Studie, die zeigt, dass 50 Prozent des weltweit verbleibenden Gases und 30 Prozent des Öls im Boden bleiben müssten, wenn das Zwei-Grad-Ziel noch eingehalten werden solle. Sie stellte eine alternative Vision von "einer blühenden grünen Wirtschaft im weißen Norden" vor, mit erneuerbaren Energien, die Öl und Gas ersetzen sollen.

Unternehmen überdenken fossile Investitionen

Es ist aber nicht mehr nur die Umwelt-Lobby, die eine Umstellung auf erneuerbare Energien befürwortet. Jens Ulltveit-Moe, CEO von Umoe, einem der größten privat geführten Unternehmen in Norwegen, das unter anderem in der Schifffahrt- und Energiebranche tätig ist, sagt, dass sich bei dem derzeit niedrigen Ölpreis, das Arktis-Öl einfach nicht rentieren würde. Sollte das so bleiben, wären fossile Energien bald keine Option mehr.

Sjell Giæver, Direktor von Petroarctic, und Tim Dodson, Leiter der weltweiten Exploration bei Statoil, beharren allerdings darauf, dass der kurzfristige Preisfall allein die Arktis-Erkundung nicht aufhalten könne. Die Region wäre der letzte verbleibende Ort, um neue Lagerstätten zu entdecken, und um die hohe Nachfrage nach Öl und Gas für eine wachsende Weltbevölkerung zu befriedigen.

Dodson räumt aber auch ein, dass das bisher größte Bohrprogramm in der Barentssee im vergangenen Jahr enttäuschend verlief. Mittlerweile haben sich Statoil und andere Unternehmen deshalb von Grönlands Küste zurückgezogen.

Russland hält an Plänen fest

Nur Artur Chilingarov, der russische Spezialbeauftragte, und auch ein Mitglied im Verwaltungsrat des russischen Ölgiganten Rosneft, betont, dass das Unternehmen die Baumaßnahmen in den nördlichsten Gefilden im letzten September zufriedenstellend abgeschlossen hätte. Es wurden neue Öl- und Gasfelder entdeckt, und Rosneft plane weitere Erkundungen in der westlichen Arktis zwischen 2015 und 2019.

Ein Faktor verlangsamt diese Aktivitäten jedoch: die Sanktionen der EU-Staaten und der USA gegenüber Russland wegen der Ukrainekrise.

Die Betroffenen versuchen derweil, die Sanktionen zu verharmlosen und politische Spannungen aus der Region herauszuhalten. Der norwegische Präsident Solberg sagte:

Norwegen Tromso Arktis Öl Industrie 20.01.2015 (Foto: DW/Irene Quaile).
Öl ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in NorwegenBild: DW/Irene Quaile

"Wir haben im Arktischen Rat eine gute Beziehung zu Russland. Aber bei den Sanktionen stimmen wir Europa zu, auch wenn Norwegen zu den Ländern gehört, die am stärksten von der Strafe für Russland getroffen werden."

Business as usual?

Nach der Veröffentlichung des letzten Klimaberichts des IPCC scheint es in Tromsø mittlerweile jedoch eine breitere Akzeptanz dafür zu geben, sich von der Verbrennung fossiler Brennstoffe abzuwenden, um die CO2-Emissionen zu verringern.

Gunnar Sand ist Vizepräsident von SINTEF, der norwegischen "Stiftung für wissenschaftliche und industrielle Forschung", die enge Verbindungen zur Ölindustrie hat. Vom moralischen Standpunkt aus, sagt Stand, "wollen wir alle unter dem Zwei-Grad-Limit bleiben". Aber es ist nicht möglich, eine Gesellschaft und eine Infrastruktur, die auf fossilen Brennstoffen basiert, über Nacht zu ändern.

Infografik CO2-Abscheidung und Ablagerung (Grafik: DW).

Technischer Fortschritt zu langsam

Die Technologie für erneuerbare Energie entwickelt sich noch immer nicht schnell genug, sagt Sand. Emissionsminderungs-Szenarien verlassen sich außerdem stark auf die Methode der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS), womit die Emissionen verringert werden und eine Brücke zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft geschlagen werden könnte. Aber die Entwicklung dieser Technologie gehe einfach zu langsam.

Der US-Sonderbeauftragte, Robert Papp, sieht die globale Erwärmung als die größte Herausforderung in der heutigen Zeit. Und das solle sich auch bei den Prioritäten der Politiker widerspiegeln. Die Regierungen müssen wirtschaftliche Anreize zur Beschleunigung der Veränderungen schaffen - so sein Lösungsvorschlag zur Debatte in Tromsø.