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Aserbaidschan: Repressives Klima vor der Weltklimakonferenz

17. Juni 2024

Schon die Entscheidung, die nächste UN-Klimakonferenz in dem Öl- und Gas-Staat auszurichten, löste scharfe Kritik aus. Nun soll Baku systematisch Aktivisten und Journalisten wegsperren. Ein Blick auf die Lage im Land.

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Ein Polizist patrouilliert durch einen Markt in Aserbaidschans Hauptstadt Baku
Autoritäres Regime: repressives Klima in Aserbaidschan, auch durch Sicherheitsorgane durchgesetztBild: Emmanuel Dunand/AFP

Ausgerechnet Baku! Viele Umweltverbände reagierten verständnislos, als sie erfuhren, dass die COP29, die nächste Weltklimakonferenz, im November 2024 in der Hauptstadt Aserbaidschans stattfinden sollte. 34 Milliarden Kubikmeter Gas und 35 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr fördert das Kaukasusland, das nur in etwa so groß ist wie Österreich. Damit deckt das Land rund 90 Prozent aller seiner Exporte. Am Rande der COP-Vorbereitungskonferenz, die in den vergangenen zwei Wochen in Bonn stattfand, erklärte Umweltminister Muchtar Babajew sogar, sein Land wolle die Erdgasproduktion in den kommenden Jahren noch ausbauen. "Parallel" wolle Baku aber "auch in erneuerbare Energien investieren", sagte der Minister, der auch den Vorsitz der COP29 übernehmen wird, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Kritik unerwünscht?

Babajew sei "ein ehemaliger Ölmanager aus einem autoritären Petrostaat", hatte Alice Harrison von der internationalen Umweltorganisation Global Witness bereits kurz nach der Vergabe der COP29 Ende 2023 geschimpft. Die deutsche NGO Germanwatch erklärte damals, Baku sei eine "höchst problematische" Wahl.

COP28 Vereinigte Arabische Emirate Dubai 2023 | Mukhtar Babayev, Aserbaidschan, am Rednerpult
Aserbaidschans Umweltminister Muchtar Babajew machte einst Karriere in Aserbaidschans staatlicher Erdölfirma SOCAR. Jetzt wird er Präsident der COP29.Bild: Kamran Jebreili/AP Photo/picture alliance

Doch während solche Kritik im Ausland gefahrlos geäußert werden kann, leben kritische Medienschaffende sowie Umweltaktivistinnen und -aktivisten in Aserbaidschan offenbar gefährlich. Mindestens 25 von ihnen sollen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zufolge im vergangenen Jahr verhaftet oder verurteilt worden sein. Zahlreiche Umweltaktivisten und -organisationen in Aserbaidschan erklärten, ihre Arbeit werde durch das repressive Klima im Land behindert. HRW wirft der Regierung in Baku vor, im Vorfeld der COP besonders hart gegen kritische Journalisten und Aktivisten vorzugehen. Die mittlerweile in Istanbul lebende aserbaidschanische Journalistin Arzu Geybulla warnte auf der Social Media-Plattform X davor, dass die Zivilgesellschaft ihres Landes bis zum Beginn der Konferenz im November nahezu komplett mundtot gemacht worden sein könnte.

Autokrat Alijew sitzt fest im Sattel

Offizielle aserbaidschanische Stellen wiesen die Vorwürfe bereits zurück. Tatsache ist jedoch, dass Aserbaidschan seit dem Ende der Sowjetunion 1991 durchgängig autoritär von der Herrscherfamilie der Alijews regiert wird. Staatspräsident Ilham Alijew, Sohn des ersten Präsidenten Heydar Alijew, ist seit 2003 an der Macht. Menschenrechtsorganisationen wie HRW oder Amnesty International beklagen immer wieder schwerwiegende Menschenrechtsverstöße im Land, die politische Opposition wird systematisch unterdrückt, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist erheblich eingeschränkt. Auch soll es eine "dreistellige Zahl" politischer Gefangener im Land geben.

Dass jetzt nochmals verstärkt Journalistinnen und Journalisten ins Visier genommen werden, ist auch auf ein verschärftes Mediengesetz zurückzuführen, das bereits 2022 erlassen wurde. Seit November 2023 wurden mehrere rechtliche Schritte eingeleitet, um die noch verbliebenen unabhängigen Medienhäuser zu schließen, berichtet Amnesty International

Aserbaidschan Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew hält bei einer Rede bei einer Militärparade die geballte Faust hoch
Zementierte seine Macht: Aserbaidschans Staatschef Ilham AlijewBild: Nagorno-Karabakh/IMAGO Images

Machthaber Alijew sitzt derweil fest im Sattel, umso mehr, da er als der große Sieger im Bergkarabach-Konflikt gilt. Mehr als 30 Jahre lang belastete der Streit um die mehrheitlich von ethnischen Armeniern bewohnte Enklave die Beziehungen zu Aserbaidschans Nachbarland im Westen; immer wieder kam es zu Eskalationen und kriegerischen Auseinandersetzungen. Im September 2023 eroberten aserbaidschanische Truppen Bergkarabach und vertrieben mehr als 100.000 Armenier. Vorausgegangen war eine neunmonatige Blockade der einzigen Verbindungsstraße Bergkarabachs mit Armenien, die eine humanitäre Krise in der Region ausgelöst hatte. Auch im Zuge der aserbaidschanischen Eroberung Bergkarabachs soll es zu Kriegsverbrechen gekommen sein, etwa zu Tötungen von Zivilisten und Kriegsgefangenen durch das aserbaidschanische Militär.

Korruption bis in den Europarat

Aserbaidschan zählt darüber hinaus zu den korruptesten Ländern der Welt. Im Jahresranking von Transparency International lag das Land im Jahr 2023 auf Rang 154 von insgesamt 180 Staaten. Die Organisation schreibt dazu in ihrem Bericht, dass die Korruption "verschiedene Ebenen der Gesellschaft und des Staates durchdringt und gleichzeitig die bürgerlichen und politischen Rechte untergräbt." Damit trage sie erheblich zu Alijews Machterhalt bei.

Auch außerhalb des eigenen Landes wurde Bestechung bereits gezielt eingesetzt - im Europarat. Dort ist Aserbaidschan seit 2001 Mitglied. Elf Jahre später wurde bekannt, dass Baku jährlich bis zu 40 Abgeordnete des Europarates eingeladen und mit teuren Gastgeschenken überhäuft hatte. Mit dieser "Kaviar-Diplomatie" versuchte Alijew offenbar, von den Parlamentariern wohlwollende Beurteilungen der Menschenrechtslage in seinem Land zu erkaufen.

Wichtiger Energielieferant für Europa

Dass diese auch von der Europäischen Union bislang nicht schärfer kritisiert wird, liegt nach Ansicht von Beobachtern auch daran, dass Aserbaidschan zunehmend als wichtiger Öl- und Gaslieferant wahrgenommen wird. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine will sich die EU unabhängiger von russischem Öl und Gas machen. 2022 unterzeichnete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen deshalb mit Ilham Alijew eine Absichtserklärung, derzufolge Brüssel seine Gasimporte aus Aserbaidschan in den folgenden Jahren verdoppeln will. Babajews in dieser Woche getätigtes Statement, die Gas-Förderquote seines Landes weiter zu erhöhen, dürfte auch vor diesem Hintergrund zu sehen sein.

Aserbaidschan | Erdölförderanlagen an der Küste nahe Baku
Klimaschutz im Schatten der Bohrtürme? Erdölförderung nahe Baku Bild: Bulkin Sergey/Russian Look/IMAGO

Machthaber Alijew kommt diese Rolle als Energielieferant für Europa äußerst gelegen, denn sie verleiht seiner Rolle als Staatschef zusätzliche Legitimitation. Alijew ist nach dem für ihn erfolgreich beendeten Bergkarabach-Konflikt vor allem um Stabilität nach innen bemüht, hat danach die erneuten Präsidentschaftswahlen eigens vorziehen lassen, um seine derzeitige Beliebtheit im Volk politisch auszunutzen. Auch die COP29 will Alijew sicherlich nutzen, um sich als Global Player inszenieren zu können. Kritik und Misstöne sind da eher unerwünscht.

Thomas Latschan Bonn 9558
Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik