Astronauten-Bürokratie auf der ISS
3. Juli 2018Deutsche Welle: Astronauten müssen auf der Internationalen Raumstation eine Fülle von Experimenten durchführen und haben jede Menge Aufgaben. Wie eng durchgetaktet ist eigentlich ihr Arbeitstag? Und haben sie auch ganz normal Freizeit, wie wir hier unten?
Volker Schmid: Der Arbeitstag eines Astronauten unterscheidet sich gar nicht so sehr von dem auf der Erde. Natürlich ist er in einer exzellenten und einzigartigen Umgebung. Aber er arbeitet acht Stunden - manchmal auch neun oder zehn, wenn mal Überstunden nötig sind. Das ist so wie im normalen Leben auch. Hinzu kommen jeden Tag acht Stunden Schlaf und zwei Stunden Sport. Das ist wichtig, damit die Muskeln, die Knochen und der Metabolismus gut funktionieren.
Und der Rest des Tages?
Der besteht aus Essen, Körperpflege und Sozialkontakten, telefonieren oder Videokonferenzen oder Filme anschauen. Auch Briefings mit den Kollegen finden manchmal in der Freizeit statt. Aber im Großen und Ganzen ist es nicht so unterschiedlich – außer dass der Takt von der Planung am Boden vorgegeben ist. Die Planer schauen, dass von den 300 Experimenten auf der Horizons-Mission alle so gut wie möglich abgearbeitet werden können.
Und wie viele Arbeitstage hat die Woche?
Es ist wie auf der Erde auch: Samstag gilt als halber Arbeitstag. Die andere Hälfte wird geputzt. Es ist sozusagen die Kehrwoche in den Modulen der ISS.
Der Sonntag ist frei. Feiertage sind in der Regel auch frei.
Welche Feiertage gibt es denn auf der ISS? Es gibt ja deutsche, amerikanische und russische Feiertage. Haben also die Astronauten und Kosmonauten unterschiedliche Feiertage?
Ja, sie haben im Prinzip ihre nationalen Feiertage. Aber das wird unter Umständen nicht ganz streng so umgesetzt. Der Unabhängigkeitstag in den USA ist so ein Feiertag, an dem auf der ISS nichts läuft. Am Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober weiß ich allerdings schon jetzt, dass Alexander Gerst als Kommandeur doch etwas zu tun hat.
Übernehmen die Astronauten auch ehrenamtliche Aufgaben, die sie gar nicht in der Arbeitszeit umsetzen dürfen?
Ja, am Wochenende oder in der verbleibenden Freizeit sind sie oft mit Bildungsprogrammen beschäftigt. Die sogenannten Hosentaschen-Experimente führen sie für Schüler durch, die sie in ihren Klassen entwickelt haben.
Auch wenn Alexander Gerst Fotos von der Erde schießt und sie über Twitter postet, geschieht das in seiner Freizeit.
Mehr dazu: Astro_Alex geht's fantastisch!
Werden Überstunden dort oben abgebummelt oder bummeln die Astronauten sie ab, wenn sie zurück auf der Erde sind?
Nein, da oben bummelt keiner ab. Was da oben gemacht werden muss, machen die Astronauten gerne. Egal, wer da oben ist, sie versuchen das Maximale aus der Mission herauszuholen, egal wie lange es dauert und egal mit welchem Aufwand das gemacht wird.
Wir haben bei der letzten Mission von Alexander Gerst, der Blue Dot Mission, gesehen, dass der "McGuyver-Modus" zum Tragen kommt [nach dem gleichnamigen Action-Film-Helden], wenn etwas nicht so klappt. Dann geht Alex ran und schraubt und sägt und macht und tut, damit das flutscht und klappt. Darauf sind wir und die Experimentatoren angewiesen. Das kann den Erfolg der Mission sicherstellen.
Was machen die Astronauten, wenn sie merken, dass sie vor Feierabend nicht fertig werden? Lassen sie das angefangene Experiment halbfertig liegen bis zum nächsten Morgen?
Wenn der Feierabend naht, und es steht noch eine Aktivität an, die noch zwei Stunden dauern würde, lässt der Astronaut die und schaut, ob es noch etwas anderes gibt, was er in der letzten halben Stunde machen könnte und spricht das mit dem Bodenteam ab.
Er muss aber sicherstellen, dass das Projekt, bei dem er nicht weiterkommt, ordentlich und sicher verschlossen und aufgeräumt ist. Er darf also nicht irgendwo ein Kabel raushängen lassen oder etwas im Gang parken, woran sich jemand anderes stoßen könnte.
Volker Schmid ist Mission Manager des DLR für die ISS Horizons Mission.
Die Fragen stellte Fabian Schmidt