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Atomabkommen mit offenen Fragen

Spencer Kimball/stu2. April 2015

Bei den Atomgesprächen mit dem Iran ist eine Grundsatzeinigung erzielt worden, die den jahrelangen Konflikt beenden könnte. Doch der Teufel steckt im Detail: Noch immer gibt es Unstimmigkeiten, die geklärt werden müssen.

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Die iranische Atomanreicherungsanlage Natans (Archivbild: dpa)
Die iranische Atomanreicherungsanlage NatansBild: picture-alliance/dpa

Der Iran und der Westen zeigen sich entschlossen, den seit zwölf Jahren andauernden Konflikt um Teherans Nuklearprogramm beizulegen. Das ist ein Ergebnis der Marathon-Gespräche in Lausanne, die nach Ablauf der selbst auferlegten Frist über den Dienstag hinaus bis Donnerstag andauerten.

Die Verhandlungen hatten sich streckenweise kompliziert und unübersichtlich gestaltet. Immer wieder gab es widersprüchliche Aussagen der Teilnehmer. In einer überraschenden Wende hatte etwa Irans stellvertretender Außenminister dementiert, dass sein Land bereit sei, einen Großteil des im Iran verfügbaren schwach angereicherten Nuklearmaterials nach Russland zu verschiffen, damit es dort in Brennstäbe umgewandelt werden kann.

Vier Jahrzehnte Misstrauen

An einem Punkt drohten die USA damit, die Gespräche gänzlich abzubrechen, falls keine Einigung über das weitere Vorgehen erreicht würde. Die 5+1-Gruppe - der Deutschland und die fünf permanenten Sicherheitsratsmitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA angehören - erreichte schließlich eine Einigung mit dem Iran, die zwar wenige Details enthält, aber trotzdem ein endgültiges Abkommen innerhalb der gesetzten Frist bis zum 30. Juni ermöglicht.

"Im Wesentlichen geht es darum, mit einem einzigen Abkommen nicht nur den Streit über die Atomfrage, sondern darüber hinaus fast vier Jahrzehnte des Misstrauens zwischen dem Iran und insbesondere den Vereinigten Staaten zu überwinden", sagte Alex Vatanka vom Middle East Institute in Washington der DW.

Obwohl die technischen Details noch ausgearbeitet werden müssen, hat der grobe Rahmen eines Nuklearabkommens bereits Formen angenommen, meint Matthew Bunn vom Forschungsprojekt für Nuklearsicherheit an der Harvard-Universität. Teheran soll seine 19.000 Zentrifugen um gut zwei Drittel reduzieren und nur einige hundert Kilo schwach angereichertes Uran behalten.

John Kerry während der Atomgespräche in Lausanne (Foto: epa)
US-Außenminister John Kerry während der Atomgespräche in LausanneBild: picture-alliance/dpa/L. Gillieron

Der Iran würde unter diesen Bedingungen etwa ein Jahr benötigen, um genügend spaltbares Material für eine Atombombe herzustellen - und der internationale Gemeinschaft so Zeit zum Handeln geben, sollte er das Abkommen brechen.

"Selbst wenn einige Leute argumentieren, dass die Iraner dies schneller als in einem Jahr schaffen könnten, wird es viele Monate dauern, genügend waffenfähiges Material in den ausgewiesenen Anlagen herzustellen - doch so lange würden diese Anlagen nicht existieren, denn jemand würde sie zerstören", sagt Bunn.

Im Gegenzug will die Weltgemeinschaft - insbesondere die Vereinigten Staaten und die Europäische Union - nach und nach die Wirtschaftssanktionen aufheben, während der Iran seine Verpflichtungen erfüllt. Es ist jedoch noch unklar, wann welche Sanktionen aufgehoben werden sollen. Die für den Iran schwerwiegendsten Handelsbeschränkungen betreffen die Ölexporte und den Finanzsektor.

"Die Aufhebung der Sanktionen wird zahlreiche Vorteile für mächtige Leute im iranischen Regime bringen, auf die sie nicht verzichten wollen", meint Bunn. "Es werden dann mehr Leute sagen: 'Wollen wir das wirklich aufgeben, um an die Bombe zu kommen?'"

Die praktische Umsetzung eines Abkommens könnte sich jedoch als schwierig erweisen. Im Wesentlichen bietet die Weltgemeinschaft Sanktionserleichterungen im Austausch für eine künftige Kooperation des Iran. Damit würden umfassende und schonungslose Kontrollen nötig, um sicherzustellen, dass Teheran seinen Verpflichtungen tatsächlich nachkommt, meint Christopher Bidwell von der Forschervereinigung Federation of American Scientists, die sich primär Fragen der Atomsicherheit widmet.

"Für den Iran könnte der Ausgangspunkt ein Problem sein, der darin besteht, eine umfassende, vollständige und korrekte Erklärung darüber abzugeben, was sie in ihrem Atomprogramm bislang gemacht haben", sagt Bidwell. Diese Informationen seien für die Kontrolle jedoch unerlässlich.

Unsicherheitsfaktor Konservative

Selbst wenn der Iran diese Informationen liefert, besteht noch immer die Gefahr, dass die Forschung und Anreicherung im Geheimen weitergeht. Aber Bunn zufolge verbessert ein Abkommen die Chance, Geheimaktivitäten aufzudecken.

Auch wenn Teheran und die 5+1-Gruppe einem Rahmenabkommen zugestimmt haben, müssen die Details noch ausgearbeitet werden. Bis zum 30. Juni kann noch viel schiefgehen: Falls sich die Konservativen im US-Kongress eine Zwei-Drittel-Mehrheit sichern, könnten sie damit ein Veto von US-Präsident Barack Obama aushebeln und so ihre Drohung wahrmachen, zusätzliche Sanktionen gegen den Iran zu beschließen. Jegliche Hoffnung auf ein Atomabkommen wäre damit dahin.

Probleme drohen auch von den Konservativen im Iran. Irans Oberster Führer Ayatollah Khamenei hat das letzte Wort und könnte das Abkommen ablehnen, falls er darin eine Verletzung der Souveränität sieht. Aber Vatanka vom Middle East Institute glaubt, dass beide Seiten entschlossen sind, ein Abkommen zu erreichen, weil es keine brauchbare Alternative gibt. "Beide Seiten bekommen etwas, das sie als Erfolg präsentieren können", sagt Vatanka. "Beide können sagen: 'Es ist nicht das beste aller Abkommen, aber die Alternative wäre schlechter gewesen.'"