Strahlende Erbschaft - Atommüllager Asse
7. Februar 2019Man kann nicht behaupten, dass sich Manfred Kramer auf den Besuch der Umweltministerin freut. Dabei ist der 67-jährige Rentner, wie Svenja Schulze, Mitglied der SPD. Aber was heißt das schon. Kramer wohnt nicht weit entfernt vom früheren Salzbergwerk Asse in Niedersachsen, und hier steht er jetzt auch, vor dem Werkstor. Seit Jahren protestiert er dagegen, dass in dem alten Bergwerk in den 60er und 70er Jahren rund 126.000 Fässer mit mittel - und schwach-radioaktivem Abfall mehr oder weniger achtlos gelagert wurden. Aus den deutschen Atomkraftwerken vor allem, aber auch aus Krankenhäusern und Forschungseinrichtungen.
Ob auch stark strahlender Abfall dabei ist, ist nicht klar. Beweise dafür gibt es nicht, Gerüchte aber schon. "Schön, dass sie endlich mal kommt", sagt Kramer vor den Journalisten, die die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit auf ihre Reise begleiten. "Sie ist ja bald ein Jahr im Amt. Hat ganz schön lange gedauert." Rund um die Asse, wie hier alle das Bergwerk nennen, hat noch nie eine Ministerin oder ein Minister für Umwelt Punkte sammeln können.
13.000 Liter Wasser laufen ins Bergwerk - jeden Tag
Das liegt daran, dass die Asse ein Symbol dafür geworden ist, wie achtlos der Staat, die Wirtschaft und die Forschung jahrelang mit der Hinterlassenschaft der Kernenergie umgegangen sind. 1965 endete die Kalisalzförderung in der Asse, danach wurde bis Ende der 70er Jahre der Atommüll hierher gebracht, offiziell zu "Forschungszwecken", aber faktisch war das Bergwerk ein Endlager.
Schon lange ist es marode, Wasser läuft in die Stollen, 13.000 Liter, jeden Tag. "Drei Generationen haben die Kernenergie in Deutschland betrieben, 30 Generationen oder noch mehr werden mit den Folgen zu tun haben", sagt Schulze jetzt. "Das zeigt, wie unverantwortlich die Kernenergie war." Vor einigen Jahren hat die Politik einen Beschluss gefasst: Die Fässer sollen geborgen werden aus der Asse, niemand will riskieren, dass die Stollen komplett einstürzen und die Fässer womöglich mit Grundwasser in Berührung kommen. Ein Milliardenprojekt. Allerdings bezweifeln viele Experten, dass die Bergung der Fässer aus den alten Kammern überhaupt gelingen kann.
Ein komplettes neues Bergwerk
Zuständig ist eine Bundesbehörde, die es erst seit einigen Jahren gibt: die "Bundesgesellschaft für Endlagerung". Einer ihrer Experten ist der Bergingenieur Thomas Lautsch. Er führt die Ministerin 490 Meter unter der Oberfläche durch das Bergwerk. Hört man ihm zu, begreift man, wie kompliziert die Bergung wird. Und wie teuer: "Wir müssen ein eigenes Rückhol-Bergwerk bauen, das ist mehr
als nur ein neuer Schacht: Wir brauchen ein Zwischenlager für den Müll, und wir müssen viele neue Strecken auffahren, um den Zugang zu den einzelnen Kammer zu haben. Die Bauzeit dafür wird bestimmt acht oder neun Jahre dauern. 2024 etwa müssen wir mit dem Bau beginnen". Die alten Schächte und "Strecken", also die horizontalen Wege im Berg, genügen laut bestehendem Atomrecht nicht: Um das alte Bergwerk herum wird also ein komplett Neues entstehen, nur für die Bergung der Fässer. Bergungsbeginn laut Planung: 2033.
Dass das eigentlich viel zu lange dauert, weiß auch Svenja Schulze. Doch sie betont, die geplante Rückholung der Fässer aus dem maroden Lager sei ein Zusammenspiel von Sicherheit und Schnelligkeit: "Die Sicherheit muss absolute Priorität haben." Anders ausgedrückt: Es kann noch sehr, sehr lange dauern.
"Irgendwo sonst in der Republik", fordert Manfred Kramer, der Rentner mit SPD-Parteibuch, "müssen die Fässer dann endgültig sicher vergaben werden, sollten sie dann 2050 etwa tatsächlich geborgen sein." Der Region hier sei schon genug Angst und Unsicherheit zugemutet worden.
Ob die Bergung allerdings wirklich gelingt, werden die nächsten Jahre zeigen. Noch hoffen alle Beteiligte das Beste.