Atomverhandlungen mit Iran: Die Uhr tickt
31. März 2015Seit zwölf Jahren hält das umstrittene iranische Atomprogramm die Weltöffentlichkeit in Atem. Lange lagen die Gespräche auf Eis. Im schweizerischen Lausanne wollen Teheran und die sogenannte 5+1-Gruppe aus den fünf UN-Vetomächten und Deutschland ein Rahmenabkommen erreichen. Nun läutet der Gong für die vorerst letzte Runde: Um Mitternacht endet eine selbst gesetzte Frist der Verhandlungspartner.
Ziel ist es, dem Iran die zivile Nutzung von Atomtechnologie zu erlauben, aber zugleich an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern. Im Gegenzug sollen Sanktionen gegen Iran aufgehoben werden.
Laut Bundeaußenminister Frank-Walter Steinmeier befinden sich die Gespräche in einer "kritischen Phase". Aus Verhandlungskreisen hieß es zuletzt, dass es in vielen technischen Fragen Annäherungen gebe, etwa bei der Zahl der iranischen Zentrifugen zur Urananreicherung.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat sich optimistisch über die Chancen auf ein Rahmenabkommen über das iranische Atomprogramm geäußert. Er sehe gute Chancen auf Erfolg, sagte Lawrow. Die verbliebenen Konflikte seien lösbar, wenn die Verhandlungspartner bei ihren Linien blieben.
Umstrittene Fragen
Doch strittig sind weiterhin vor allem politische Fragen. Teheran möchte möglichst schnell möglichst umfangreiche Sanktionserleichterungen und sein Atomprogramm wieder uneingeschränkt betreiben dürfen. Aus Sicht der Sechsergruppe sollen jedoch insbesondere die UN-Sanktionen, die den Transfer von Atomtechnologie In den Iran verbieten, möglichst lange aufrecht erhalten bleiben. Weitere Sanktionen betreffen etwa den Ölexport und iranische Bankkonten im Ausland. Dazu will der Westen das iranische Atomprogramm für mindestens zehn Jahre reglementieren und durch entsandte Inspektoren im Land streng überwachen.
Bundesaußenminister Steinmeier zufolge ist vor allem zu klären, wie der Iran nach einer Phase, in der höherwertige Atomforschung untersagt werden soll, weiter verfahren dürfe. "Wir können nicht zulassen, dass es in zehn Jahren eine geradezu explosionshafte Entwicklung gibt, sondern wir müssen darauf achten, dass der Iran weiterhin nachprüfbar und dauerhaft von dem Zugriff auf Atomwaffen ausgeschlossen bleibt", so Steinmeier weiter.
Die USA hielten sich die Möglichkeit zu einer Verlängerung der Gespräche auch nach Ablauf der Frist um Mitternacht offen. Dennoch zeigten sich alle Beteiligten entschlossen, rechtzeitig eine Einigung zu erzielen. Nach der Grundsatzeinigung soll bis zum Sommer ein umfassendes Abkommen ausgearbeitet werden.
Banisadr: USA toleranter als Europäer
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour hofft auf die Einigung auf ein Grundsatzabkommen. Im Deutschlandfunk warnt er vor einem Scheitern der Verhandlungen: "Es keinen schnelleren Weg Irans zur Bombe, als wenn wir jetzt in Lausanne kein Ergebnis erzielen." Einen Zugriff auf das, was im Iran passiert, hätte man seiner Ansicht nach nur mit einem Abkommen.
Der erste gewählte iranische Präsident nach der Islamischen Revolution, Abolhassan Banisadr, sagte der Deutschen Welle: "Es scheint, als seien die Amerikaner jetzt toleranter als die Europäer: Sie haben für das Abkommen eine Kontrollfrist von 10 bis 12 Jahren gegeben. Die Europäer, vor allem die Franzosen, wollen einen längeren Zeitraum bzw. sogar eine permanente Kontrolle."
Im Iran selbst hätte ein Abkommen einen enorm wichtigen Einfluss auf die Art der politischen Debatte, sagt der österreichische Iranwissenschaftler Walter Posch. "Man würde zu Recht sagen: 'Seht ihr, wenn wir moderat sind, wenn wir vernünftig argumentieren, wenn wir uns auf alte Kader verlassen und nicht auf radikale Hitzköpfe, dann können wir Erfolge erzielen in der internationalen Gemeinschaft." Gleichzeitig würden radikale Kräfte aber "mit allen Mitteln versuchen, diesen Deal schlecht zu reden", so Posch im DW-Interview. Wichtig sei daher für die moderateren Kräfte im Iran eine spürbare Lockerung der Sanktionen. Andernfalls hätten die "Bremser eine Trumpfkarte, die sticht".
Kritik an den Verhandlungen gibt es auch im republikanisch geführten US-Kongress und bei den US-Verbündeten am Golf, allen voran Saudi-Arabien. Als schärfster Gegner eines Atomabkommens zeigte sich erneut der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
pab/sp (dpa, rtr, afp)