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Verhandlungen ohne Fortschritt

Thomas Latschan24. November 2014

Der Atomstreit mit dem Iran geht in die nächste Runde: Nun wird bis Juli weiterverhandelt. Doch die Argumente sind ausgetauscht - die Fronten verhärtet. Kann mehr Zeit wirklich eine Lösung bringen?

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Atomverhandlungen in Wien: John Kerry, Philip Hammond, Sergei Lavrov, Mohammad Javad Zarif, Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius und Catherine Ashton - Foto: Roland Schlager (EPA)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Schlager

Nie, so hat es Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in den vergangenen Tagen gebetsmühlenartig wiederholt, seien sich die Verhandlungspartner im Atomstreit näher gewesen als heute. Und dennoch hat es nicht zu einem belastbaren Abkommen gereicht. Mit Ablauf der selbstgesetzten Frist am Montag verständigten sich die 5+1-Gruppe, bestehend aus den Vetomächten des UN-Sicherheitsrates und Deutschland, sowie der Iran darauf, das Zeitfenster für eine Einigung nochmals zu verlängern. Nun soll bis zum 1. März ein politisches Abkommen ausgehandelt werden. Der dazugehörige Anhang mit sämtlichen Detailregelungen soll voraussichtlich bis zum kommenden Juli stehen.

Argumente liegen auf dem Tisch

So lange soll das bereits im November 2013 in Genf ausgehandelte Interimsabkommen weiter gelten. Dieses sieht vor, dass der Iran den Ausbau seines Atomprogrammes einfriert und sich verschärften Kontrollen unterwirft. Dafür kann die Führung in Teheran im Gegenzug mit einer Lockerung von Handels- und Finanzsanktionen rechnen. Tatsächlich soll der Iran künftig aus seinen eingefrorenen Guthaben monatlich 700 Millionen Dollar (rund 560 Millionen Euro) zur Verfügung gestellt bekommen - für seine Bereitschaft, vorerst keine weiteren Schritte zum Ausbau seines Atomprogramms zu unternehmen.

Infografik: Was der Iran nach dem Genfer Interimsabkommen darf - DW-Grafik
Ergebnis des Genfer Interimsabkommens von 2013

Letztendlich haben sich beide Seiten also mehr Zeit erkauft - wieder einmal. Dabei hat es ihnen an Zeit nie gemangelt. Seit rund einem Jahrzehnt befinden sich die Staatengemeinschaft und der Iran in Gesprächen. Zunächst informell, später in institutionalisierter Form wurden Argumente ausgetauscht, Standpunkte klargemacht und in einigen Themenbereichen sogar kleine Fortschritte erzielt. Wieder und wieder wurden selbst gesetzte Fristen verlängert. Doch in den Hauptpunkten - der Frage der Urananreicherung und der Aufhebung der Sanktionen - gibt es weiter keine Einigung.

Sanktionen als Gordischer Knoten

Dabei sind in beiden Fällen die jeweiligen Positionen seit langem klar. Bei der Frage der Urananreicherung stehen sich nach wie vor zwei Maximalforderungen gegenüber: Der Iran beharrt darauf, dass die vorhandenen Anlagen zur Anreicherung nicht zurückgebaut werden. Die USA wollen aber genau dies erreichen.

Kontrollraum der Uran-Anreicherungsanlage in Natanz (2012) - Foto: Reuters
Atomanlage in Natanz (2012): Uran-Anreicherung zu "Forschungszwecken"Bild: REUTERS

"In dieser Frage haben sich auf beiden Seiten entscheidende Akteure deutlich positioniert," sagt Oliver Meier, Experte für Proliferation an der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik: "Der US-Kongress auf der einen Seite besteht darauf, dass der Iran seine Kapazitäten nicht nur begrenzt, sondern reduziert. Auf der anderen Seite hat der Oberste religiöse Führer Chamenei genau dies ausgeschlossen und angekündigt, dass der Iran seine Kapazitäten noch ausbauen will."

Und auch in Sachen Sanktionen liegen beide Parteien noch weit auseinander. Während eine mögliche Lockerung dem wirtschaftlich schwächelnden Iran nicht schnell genug gehen könnte, gibt es insbesondere im US- Kongress noch erhebliche Vorbehalte gegen ein zu schnelles Vorpreschen. Zudem würde eine Aufhebung der Sanktionen schwierig sein. Denn über die vergangenen acht Jahre hinweg hat sich ein beinahe undurchschaubares Geflecht von Vorschriften entwickelt. Neben den vom UN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen haben auch die EU und die USA eigenmächtig Strafmaßnahmen verhängt. Und innerhalb der Vereinigten Staaten teilen sich diese Sanktionen nochmals in zwei Typen auf: in die vom US-Kongress verabschiedeten und die vom Präsidenten eigenmächtig verhängten Dekrete.

Schließt sich das Zeitfenster?

Was kann also eine erneute Fristverlängerung bringen? "Sollte es zu einer Einigung kommen, wären die Voraussetzungen für eine Einbindung des Iran in Strategien für eine Lösung regionaler Konflikte besser", macht Oliver Meier deutlich. Denn der Iran spielt in vielen Konflikten des Mittleren Ostens - in Syrien, im Irak, im Libanon und auch in Afghanistan - eine Schlüsselrolle. "Es ist ja auch bemerkenswert, dass im Gegensatz zu früheren Gesprächen ein endgültiges Scheitern als Option gar nicht mehr im Raum stand", so Meier. Dies sei ein Beleg für die Annäherung in einigen wichtigen Punkten. Dennoch zweifelt der SWP-Experte daran, dass eine dauerhaften Einigung im Atomstreit schnell erreichbar ist. "Wenn es nur um eine kurzfristige Verlängerung um ein paar Tage oder Wochen gegangen wäre, dann hätte das eher darauf hingedeutet, dass ein solches Abkommen tatsächlich kurzfristig machbar scheint." Weil nun aber die Gespräche gleich um mehrere Monate verlängert wurden, müssen man skeptisch sein, ob die Voraussetzungen für ein Abkommen wirklich so gut seien.

Barack Obama vor dem Kapitol in Washington - Foto: Saul Loeb (AFP)
US-Präsident Obama: Kongress von oppositionellen Republikanern dominiertBild: Saul Loeb/AFP/Getty Images

Denn die Gegner eines solchen Abkommens in Washington und Teheran werden diesen langen Zeitraum nutzen, um ihre Positionen weiter auszubauen, fürchtet Meier. In Washington nimmt im Januar 2015 ein Kongress die Arbeit auf, der in beiden Kammern von den oppositionellen Republikanern dominiert wird. Ob US-Präsident Obama dann noch eine Mehrheit für eine Verhandlungslösung findet, ist mehr als ungewiss. Gegen den Willen des Kongresses in Washington kann er höchstens einige US-Sanktionen auf Zeit aussetzen.

Auch für Irans Präsidenten Hassan Rohani wird die Situation in den nächsten Monaten eher schwieriger werden. Er hatte mehrfach versprochen, die wirtschaftliche Lage in seinem Land zu verbessern. Dazu braucht er allerdings eine rasche Aufhebung der Sanktionen. Sonst drohen seine konservativen Gegner, bei der für Anfang 2016 anstehenden Parlamentswahl den Sieg davonzutragen.

Dass die Zeit für eine Lösung drängt, ist beiden Seiten klar. Schon im Dezember soll es daher zu weiteren Expertengesprächen sowie zu einem erneuten Treffen der Verhandlungsteams kommen. Mit einem wirklichen Durchbruch ist aber auch dort eher nicht zu rechnen.