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Streik auf Norwegens Erdgasfeldern

Mischa Ehrhardt ergänzt mit AFP
5. Juli 2022

Wegen des Wegfalls von Lieferungen aus Russland war Norwegen mit seiner Energieproduktion in die Bresche gesprungen. Jetzt wird auf den Gasfeldern gestreikt - mit ungewissen Folgen.

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Symbolbild: Gasgewinnung und Ölgewinnung in Norwegen
Norwegische Gasplattform in der NordseeBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

In Norwegen haben Streiks von Ölarbeiterinnen und Gasarbeitern begonnen. Bereits am Dienstag sind in der Folge drei Gasfelder durch den Arbeitskampf ausgefallen. Denn ab Mitternacht bestreikte die Gewerkschaft Lederne die Gasproduktion auf den Feldern Gudrun, Oseberg Süd und Oseberg Ost.

Der Streik kommt für Deutschland und die übrigen EU-Staaten zur Unzeit. Denn durch den Wegfall russischer Ölimporte und die Drosselung des Gasflusses aus Russland in Richtung Europa ist die Versorgungslage ohnehin angespannt. Und die Lage könnte sich zusätzlich verschärfen, weil die norwegischen Beschäftigten ihre Streiks auf drei bis vier weitere Produktionsstandorte ausdehnen wollen.

Greift die Regierung in Oslo ein?

Inwieweit die norwegische Regierung diese Streiks ungehindert laufen lässt, ist offen. Das Arbeitsministerium jedenfalls kündigte bereits an, den Konflikt "aufmerksam" verfolgen zu wollen. Im Fall "außergewöhnlicher Umstände" kann das Ministerium eingreifen und solche Streiks beenden. Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters könnten durch die Arbeitsniederlegungen in den kommenden Tagen bis zu einem Viertel der norwegischen Gasproduktion stillliegen, auch könnten rund 15 Prozent der Ölproduktion betroffen sein.

Eine akute Gefährdung der Gasversorgung in Deutschland indes sehen die meisten Beobachter noch nicht kommen. Immerhin sind die Gasspeicher aktuell zu gut 60 Prozent gefüllt. Auch fließt noch Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 von Russland nach Deutschland. Allerdings ist die Menge bereits stark gedrosselt, sie liegt bei nur rund 40 Prozent gegenüber der möglichen vollen Kapazität. Hintergrund ist, dass Russland in Reaktion auf die Sanktionen des Westens Druck aus der Pipeline genommen hat und mit einem Gas-Lieferstopp droht. 

Norwegischer Öltanker, hier vor Tromsö im Norden des Landes
Norwegischer Öltanker, hier vor Tromsö im Norden des LandesBild: Hinrich Bäsemann/picture alliance

Wartungsarbeiten und Staatshilfen

In diesem Zusammenhang rückt ein Datum verstärkt in den Fokus - der 11. Juli. Denn dann stehen die alljährlichen Wartungsarbeiten an der Pipeline an. Spekulation darüber, dass nach der anstehenden Wartung der Pipeline gar kein Gas mehr aus Russland fließen könnte, lassen den Gaspreis bereits seit Tagen steigen. Der europäische Erdgas-Future hat am Dienstag weiter angezogen und ist um über fünf Prozent auf 155 Euro pro Megawattstunde gestiegen. Das ist so hoch wie zuletzt vor drei Monaten. Unterdessen ist die Aktie des größten deutschen Gasimporteurs Uniper zu Wochenbeginn weiter stark unter Druck geraten. Hintergrund sind die Verhandlungen über Staatshilfen für den angeschlagenen Konzern.

Denn Uniper muss als Importeur durch die Knappheit mittlerweile Gas zu teuren Preisen auf dem Weltmarkt zukaufen. Das Unternehmen hat - wie in der Energiebranche allgemein üblich - längerfristige Lieferverträge mit seinen Abnehmern. Das sind kleinere Energieversorger wie Stadtwerke, die dann wiederum Industriekunden und Verbraucher mit Gas und Energie beliefern. Da in den Verträgen Preise festgeschrieben sind, können Importeure wie Uniper die gestiegenen Beschaffungskosten bislang nicht weitergeben. Zwar sind konkrete Zahlen noch nicht bekannt. Einige Experten taxieren die auftretenden Verluste für Uniper aber auf rund 900 Millionen Euro - pro Monat.

Berlin PK Wirtschaftsminister Habeck
Die Probleme werden nicht kleiner: Wirtschaftsminister Robert HabeckBild: Markus Schreiber/AP/picture alliance

Bundesregierung will Gesetze anpassen

Daher versucht die Bundesregierung nun unter Hochdruck noch vor der Sommerpause Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen, um solchen Unternehmen beispringen zu können und die anfallenden Kosten auf möglichst viele Schultern zu verteilen. So hat das Bundeskabinett am Dienstag Änderungen am Energiesicherungsgesetz beschlossen und will damit die Gasversorgung im Fall einer sich verschärfenden Marktlage sicherstellen. "Die Lage am Gasmarkt ist angespannt und wir können eine Verschlechterung der Situation leider nicht ausschließen", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Es gehe nun darum, alles zu tun, um im Winter die "grundlegende Versorgung aufrechtzuerhalten und die Energiemärkte so lange es geht am Laufen zu halten". 

Vorgesehen ist zum einen ein Schutzschirm für Energiefirmen, die der kritischen Infrastruktur zugerechnet werden - dazu sollen Stabilisierungsmaßnahmen bis hin zum Einstieg des Staates vereinfacht werden. Vorbild dafür ist die Hilfe für Firmen wie die Lufthansa mitten in der Corona-Pandemie. Zum zweiten soll es Energieversorgern entlang der Lieferkette, die von hohen Preisen betroffen sind, ermöglicht werden, die hohen Preise weiterzugeben. Es gibt bereits einen solchen Preismechanismus im Energiesicherungsgesetz, nun soll es auch einen Umlagemechanismus geben, bei dem die Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung von Gas über eine Umlage auf alle Gaskunden verteilt werden.

Da auch Stadtwerke schnell an ihre Grenzen stoßen würden, wenn die Importeure die steigenden Beschaffungskosten einfach auf sie umwälzen, ist ein Umlagefinanziertes System im Gespräch.  "Eine Umlage hätte die Möglichkeit, in einer halbwegs solidarischen Form die Kosten auch weiterzugeben", so die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae im Deutschlandfunk. Über eine Umlage könnte ein Ausgleich gefunden werden zwischen den Gasversorgern untereinander, den Versorgern wie Stadtwerken und ihren Kunden - also Unternehmen und Verbrauchern.