Versorger Uniper bittet Staat um Hilfe
30. Juni 2022Der Energiekonzern Uniper ächzt unter den hohen Gaspreisen wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und ruft daher den Staat um Hilfe.
Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigte am Donnerstag Gespräche mit Uniper über Stabilitätsmaßnahmen: "Diese dauern an. Anlass sind die stark gestiegenen Gaspreise und die reduzierten Liefermengen aus Russland infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine."
Uniper hatte am Mittwochabend seine Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr 2022 zurückgezogen und keine neue ausgegeben. Die Geschäftsentwicklung habe sich durch den Krieg in der Ukraine und die in der Folge stark reduzierten Gaslieferungen aus Russland spürbar verschlechtert. "Uniper erhält seit dem 14. Juni lediglich 40 Prozent seiner vertraglich zugesicherten Gasmengen von Gazprom", erklärte Finanzchefin Tiina Tuomela. Die Aktie rutschte zeitweise mehr als 22 Prozent in den Keller.
"Daher sprechen wir jetzt mit der Bundesregierung erneut über Stabilisierungsmaßnahmen, für die eine Reihe von Instrumenten in Frage kommen wie zum Beispiel Garantie- und Sicherheitsleistungen, Erhöhung der aktuellen Kreditfazilität bis hin zu Beteiligungen in Form von Eigenkapital", sagte Uniper-Chef Klaus Dieter Maubach.
Größter Gazprom-Kunde
Uniper - eine Tochter des finnischen Fortum-Konzerns - ist der größte ausländische Kunde des russischen Gasriesen Gazprom. Die Düsseldorfer spielen auch mit ihren Gasspeichern eine wichtige Rolle bei der Absicherung der Versorgung Deutschlands im Winter und bei den Bemühungen, Deutschland und Europa unabhängig von russischen Gaslieferungen zu machen.
Der Hilferuf Unipers dürfte den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, die Versorger zu entlasten. Sie hatte in der vergangenen Woche für die Gasversorgung die Alarmstufe ausgerufen. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grüne und FDP verzichtete aber darauf, auch die sogenannte Preisanpassungsklausel freizugeben. Diese würde es den Versorgern ermöglichen, die drastisch gestiegenen Gaspreise auf die Kunden abzuwälzen.
Uniper habe bereits Ende vergangenen Jahres durch die gestiegenen Preise einen deutlich höheren Liquiditätsbedarf gehabt, sagte Maubach. "Um diesem zu begegnen, hatten wir bereits unsere Kreditlinien erweitert und unter anderem eine Fazilität der staatlichen KfW in Höhe von zwei Milliarden Euro erhalten, die wir bis heute nicht in Anspruch genommen haben." Uniper prüfe, wie die Liquidität der Gesellschaft weiter gesichert werden könne.
Minister befürchtet Pipeline-Blockade
Unterdessen befürchtet Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ein vollständiges Ausbleiben russischer Gaslieferungen durch die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream. Es drohe ab dem 11. Juli "eine Blockade von Nord Stream 1 insgesamt", sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag bei einem "Nachhaltigkeitsgipfel" der Süddeutschen Zeitung. Deswegen könne es im Winter wirklich problematisch werden. Die Gasversorgung über den Sommer sei dagegen gewährleistet.
Am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten an Nord Stream 1. Die Pipeline werde in der Regel für zehn Tage heruntergefahren, sagte Habeck. Aber nach dem Muster, dass man gesehen habe, wäre es nicht "superüberraschend", wenn irgendein kleines Teil gefunden werde. "Und dann sagt man: Ja, das können wir halt nicht wieder anmachen, jetzt haben wir bei der Wartung irgendwas gefunden und das war's dann. Also insofern ist die Situation durchaus angespannt."
Mitte Juni hatte Russland unter Verweis auf technische Probleme die Lieferungen durch Nord Stream bereits stark gedrosselt. Als Reaktion darauf hatte die Bundesregierung die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. "Gas ist von nun an ein knappes Gut in Deutschland", hatte Habeck gesagt. Er hatte ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, damit der Gasverbrauch in der Industrie sinkt und Gas stattdessen eingespeichert werden kann.
Gas-Verbrauch gesunken
Die Appelle und Maßnahmen zur Verringerung des Gasverbrauchs zeigen nun offenbar Wirkung: Bundesweit lag der Gasverbrauch zwischen Januar und Mai bei rund 460 Milliarden Kilowattstunden, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) am Donnerstag mitteilte. Das waren demnach 14,3 Prozent weniger als in den ersten fünf Monaten des Vorjahres.
Neben der milden Witterung im Frühjahr seien auch die hohen Gaspreise ein wesentlicher Grund dafür, hieß es. Denn auch bereinigt um Temperatureffekte lag der Rückgang im Vorjahresvergleich laut Verband noch bei knapp 6,5 Prozent. Besonders deutlich sei der Rückgang im Mai gewesen, erklärte der BDEW und verwies auf "persönlich motivierte Einspareffekte".
bea/dk (reuters, dpa, afp)