Auf Corona folgt die Schuldenpandemie
19. November 2020Die weltweite Wirtschaftsleistung wird in diesem, von der Corona-Pandemie geprägten Jahr, zurückgehen - darin sind sich alle Beobachter einig. Es gibt kein Indiz, das auf eine andere Entwicklung hindeuten würde. Lediglich über den Umfang des Rückgangs und die mittelfristigen Aussichten auf eine Erholung sind noch umstritten.
Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben in den vergangenen Wochen Zahlen katastrophal anmutenden Zahlen und düstere Prognosen veröffentlicht, während Regierung weltweit schon wieder davon sprechen, dass sich die Wirtschaft ab 2021 bald wieder erholen wird.
So schlimm wie seit dem Krieg nicht
Nach den Berechnungen des Internationalen Währungsfonds wird die globale Wirtschaftsleistung in diesem und im nächsten Jahr insgesamt um 12,5 Billionen Dollar (11 Billionen Euro) geringer ausfallen. Dies sei "die schlimmste Rezession" seit der Weltwirtschaftskrise vor rund 90 Jahren, so IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath. Und sie fügte hinzu: "Kein Land bleibt verschont." Zum Vergleich: Die Bruttowertschöpfung der deutschen Volkswirtschaft betrug im vergangenen Jahr etwas mehr als drei Billionen Euro.
Als Konsequenz der Krise werde die öffentliche Verschuldung relativ zur Wirtschaftsleistung dieses Jahr den bisherigen Höchststand vom Ende des Zweiten Weltkriegs übertreffen. Die Konjunktur müsse gestützt werden und ärmere Länder seien noch mehr auf die Hilfe reicherer Länder angewiesen. Außerdem müsse nach der Pandemie die Verschuldung durch strenge Sparmaßnahmen wieder eingedämmt werden.
Der IWF rechnet in diesem Jahr mit einem globalen Wirtschaftseinbruch um 4,4 Prozent, im Juni hatte die Organisation noch ein Schrumpfen von 4,9 Prozent vorhergesagt. Für 2021 erwartet der IWF aber weiterhin eine Erholung. Die globale Wirtschaft soll dann um 5,4 Prozent zulegen. Aber nur, betonte die IWF-Volkswirtin, wenn eine weitere Corona-Welle mit neuen Ausgangsbeschränkungen das Wachstum nicht wieder zunichte mache.
Die Industrieländer werden bluten
Noch ein dunkleres Bild zeichnet die Weltbank: Die globale Wirtschaftsleistung werde dieses Jahr um 5,2 Prozent schrumpfen. Im Januar waren die Washingtoner Experten noch von einem Wachstum von 2,5 Prozent ausgegangen. Auch hier heißt es aber einschränkend: Die Schätzungen könnten sich noch einmal verschlechtern, sollten die Unsicherheiten wegen der Pandemie und etwaige Einschränkungen von Wirtschaft und öffentlichem Lebern noch länger anhalten.
Für die Industrieländer prognostiziert die Weltbank ein sattes Minus von sieben Prozent, in den Schwellenländern werde die Wirtschaftsleistung um 2,5 Prozent sinken. Für die USA sagt die Weltbank ein Minus von 6,1 Prozent, für die Euro-Zone sogar von 9,1 Prozent voraus.
Versicherer fühlen sich verlassen
Auch der Rückversicherungskonzern Swiss Re rechnet inzwischen mit den Zahlen des IWF. Der Konzern erwarte schwere Beeinträchtigungen der Weltkonjunktur, sagte Konzernchef Christian Mumenthaler bei einer Online-Konferenz des Finanzinformationsdienstes Bloomberg : "Wir gehen davon aus, dass die Leistungseinbuße weltweit 12 Billionen Dollar betragen wird." Und das könnten die Versicherungen nicht auffangen, denn ihre Bilanzen machten nur einen kleinen Bruchteil dieser Summe aus.
Wo die Medizin zum Gift wird
Die Vorhersagen von Weltbank und IWF zum Schwund der globalen Wirtschaftskraft beziehen sich auf die sogenannte Realwirtschaft. Im Finanzsektor sieht die Lage wieder anders aus. Der Handel mit Finanzprodukten boomt zurzeit, was sich an den Höhenflügen des Aktienindizes gut ablesen lässt. Anleger engagieren sich in hohem Maße an den Finanzmärkten, weil es aus ihrer Sicht oft lukrativer ist, das Geld mit Finanzinstrumenten zu vermehren, als es in der Realwirtschaft zu investieren. Der Markt mit sogenannten Derivaten (zum Beispiel Termingeschäfte, Optionen, Futures oder Swaps) ist um ein Vielfaches höher als die Weltwirtschaftsleistung. Die betrug im Jahr 2019 rund 87 Billionen US-Dollar
Die Schöpfer der stets noch wachsenden großen Menge Geldes, das weltweit im Umlauf ist, sind Regierungen und Notenbanken. Sie drucken weiter neues Geld und drücken es in den Markt, um deflationären Tendenzen entgegenzuwirken und die Gefahr von Rezessionen zu mindern. So wird das frische Geld der Wirtschaft eher schaden als nützen, vor allem, wenn das globale Finanzsystem noch einmal vor der Kernschmelze stehen sollte, wie in der Finanzkrise von 2008.