Auf der Suche nach dem Dinosaurier-Ei
18. September 2013Auf dem HSV-Friedhof sollte eine neue Grabstelle eingerichtet werden: für die Hoffnungen der Fans. Neun Trainer in den letzten zehn Jahren, die Interimstrainer nicht mitgezählt, sprechen eine deutliche Sprache. Nun hat es Thorsten Fink erwischt. Wie seine fünf Vorgänger seit 2007 schaffte es auch Fink nicht, zwei Jahre auf dem Schleudersitz des HSV-Trainers zu überstehen. Immerhin, ihm fehlte dazu nur ein Monat. Fast schon rekordverdächtig.
Schwere Zeiten für die blaue Raute
Der Hamburger SV ist als Gründungsmitglied ein "Dinosaurier" der Bundesliga, nach 50 Jahren ohne Abstieg auch so etwas wie "der letzte Mohikaner" - und er trägt deutliche Züge der beiden. Die Zeiten, in denen der HSV groß, stark und furchterregend war, liegen lange zurück. Die Meteoriten-Einschläge kommen näher, der Dinosaurier taumelt. 2012 wäre er beinahe schon gestürzt, fing sich jedoch gerade noch und überlebte am Saisonende als Fünfzehnter denkbar knapp. Genau dort, also im Tabellenkeller, findet er sich auch jetzt wieder. Und wie Chingachgook, die letzte Rothaut vom Stamme der Mohikaner, die Übermacht der weißen Eindringlinge anerkennen musste, kann eigentlich auch der HSV nicht die Augen davor verschließen, dass im Fußballland längst nicht mehr die Blau-Räutigen das Sagen haben.
Gefährlicher Trugschluss
Möglicherweise liegt genau darin das Hauptproblem. Die Wirklichkeit hat die Wahrnehmung überholt. Der Trugschluss der Clubverantwortlichen lautet: Wir investieren viel, sind Nummer sechs der Liga im Geldausgeben, die logische Konsequenz ist sportlicher Erfolg. Vielleicht sollten die Vereinsbosse mehr griechische Tragödien lesen. Dort führt Hybris unvermeidlich zu Machtverlust oder Tod.
Nicht ohne den Milliardär
Der Grat, auf dem der Dinosaurier balanciert, ist schmal. Der HSV ist hochverschuldet, mindestens im zweistelligen, bald möglicherweise schon im dreistelligen Millionenbereich. Mittelfeldstar Rafael van der Vaart konnte 2012 nur verpflichtet werden, weil Milliardär Klaus-Michael Kühne als HSV-Edelfan einen Kredit von acht Millionen Euro gewährte. Seitdem kann sich der Mäzen kaum vor den Klinkenputzern aus Hamburg retten. Ohne Kühne oder an ihm vorbei dürfte beim HSV wenig laufen. Der Geldgeber plädiert für einen harten Schnitt: eine neue, moderne Vereinsstruktur, neue Macher, am liebsten Felix Magath als Berater und später als Clubchef. Ob das wirklich das Ei des Kolumbus wäre? Vielleicht würde es sich auch nur als faules Dinosaurier-Ei entpuppen, aus dem ein fußlahmer Mohikaner schlüpft.