Auf der Suche nach einer EU-Strategie gegen Terror und Kriminalität
14. Februar 2006Rund 1300 Sicherheitsexperten aus 65 Staaten sind in Berlin am Dienstag (14.2.2006) zum zweitägigen Europäischen Polizeikongress zusammengekommen. Zwei große Themen stehen auf der Agenda der Experten: Die Sicherheit bei Großveranstaltungen wie der Fußball-Weltmeisterschaft zum einen und zum anderen die Bekämpfung des weltweiten Terrorismus. Diesem weltweit verbreiteten Phänomen kann man auch nur weltweit und damit grenzübergreifend entgegen treten - darin sind sich Sicherheitsexperten einig.
Biometrische Daten
Doch diese Zusammenarbeit zwischen den Staaten ist nicht so einfach. Das zeigt sich auch in der Europäischen Union. Seit 1999 ist für die Europäische Union im Vertrag von Amsterdam festgelegt, dass die Union für alle Bürger einen einheitlichen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts anstrebt. Oberstes Ziel dieser europäischen "Innenpolitik" soll die Bewegungsfreiheit aller Bürger innerhalb der Union sein. Gleichzeitig soll die grenzüberschreitende Kriminalität bekämpft werden, so EU-Justizkommissar Franco Frattini: "Unsere eigenen Bürger haben hohe Erwartungen. Meinungsumfragen zeigen: Wenn es einen Politikbereich gibt, wo die Menschen europäisches Handeln verlangen, dann ist das der Bereich der Terror- und Verbrechensbekämpfung."
In den zwölf EU-Staaten, die dem Abkommen zur Reisefreiheit von Schengen beigetreten sind, gibt es keine Grenzkontrollen mehr. Die Außengrenzen werden gemeinsam gesichert. Die Grenzbehörden sind an das Schengen-Information-System (SIS) angeschlossen. In diesem Rechenzentrum in Straßburg werden Informationen über Ein- und Ausreisen, Asyl- und Visa-Anträge sowie gestohlene Güter gesammelt.
Von 2007 an sollen auch die neuen EU-Mitgliedsstaaten in den grenzfreien "Schengenraum" integriert werden. Dann soll das SIS durch ein modernes Schengen-Informations-System II abgelöst werden, das auch biometrische Erkennungsmerkmale verarbeiten kann. Außerdem unterhält die EU seit 2005 eine Grenzschutzagentur mit dem Namen Frontex in Warschau, die vor allem die neuen Mitgliedsstaaten bei der Sicherung ihrer EU-Außengrenzen berät.
Europol ohne Exekutivrechte
Organisierte Kriminalität, Menschenhändler, Geldfälscher, Drogenhändler und Geldwäscher nutzen die Vorteile der relativ offenen Grenzen innerhalb der EU natürlich aus. Deshalb wurde bereits 1992 mit einer Handvoll Mitarbeiter die europäische Polizeibehörde Europol in Den Haag gegründet, die die Arbeit der nationalen Polizeibehörden koordiniert, Bedrohungsanalysen erstellt und Daten sammelt und verteilt.
Inzwischen hat Europol über 500 Mitarbeiter, die aber selbst keine exekutiven Rechte haben. Sie können selbst keine Ermittlungen oder Fahndungen auslösen. Europol wird nur auf Bitten der Mitgliedsstaaten tätig. Max-Peter Ratzel vom deutschen Bundeskriminalamt (BKA) leitet Europol. "Besonders im Vordergrund steht naturgemäß der Terrorismus, weil hier die größten Risiken liegen", sagt Ratzel. Es müsse alles getan werden, um Gefahren im Vorfeld zu erkennen und zu vermeiden. "Da gelingt es oft mit relativ wenigen Leuten, das Richtige zu extrahieren. Die Umsetzung der Maßnahmen wird weiterhin in den Mitgliedsstaaten erfolgen."
Kein europäisches FBI
Von einer echten Europapolizei etwa nach dem Vorbild des US-amerikanischen Federal Bureau of Investigation (FBI) ist man aber noch weit entfernt. Im Januar 2006 einigten sich die EU-Justizminister jedoch darauf, die Befugnisse von Europol weiter auszubauen. Grenzüberschreitende Ermittlungen sollen erleichtert werden.
In Den Haag hat eine weitere Justizbehörde ihren Sitz, nämlich Eurojust. Hier soll die Ermittlungsarbeit europäischer Staatsanwaltschaften verknüpfen werden. Allerdings gibt es kein einheitliches Strafrecht in der EU, auf dessen Basis die Behörden zusammenarbeiten können. Als einheitliches Instrument wurde aber der europäische Haftbefehl geschaffen. Er gilt in allen Staaten außer Deutschland, wo das Bundesverfassungsgericht das nationale Gesetz zur Einführung des Haftbefehls verworfen hatte.
Zusammenarbeit mit Drittstaaten
Lange umstritten war die europaweit einheitliche Speicherung von Telefon-Verbindungsdaten, die bei der Fahndung nach Terroristen wichtig sein könnten. Erst vor wenigen Wochen war ein Kompromiss zwischen allen EU-Staaten gefunden worden. Im Zuge des Anti-Terrorkampfes ist die EU bemüht, ihre Kontakte zu Drittstaaten oder anderen internationalen Organisationen auszubauen. Mit der internationalen Fahndungsbehörde Interpol hat Europol inzwischen ein Abkommen geschlossen, um Doppelarbeit zu vermeiden.
Nach den Terroranschlägen von Madrid im Frühjahr 2004 berief der EU-Ministerrat zusätzlich zu Europol einen Anti-Terror-Koordinator in Brüssel. Der niederländische Diplomat Gijs de Vries will dafür sorgen, dass die Mitgliedsstaaten Anti-Terror-Gesetze schneller erlassen und anwenden. "Meine Rolle und die der Ratsmitarbeiter ist es, den Mitgliedsstaaten dabei zu helfen, das zu tun, was sie angekündigt haben. Umsetzung ist die zentrale Herausforderung."
Außerdem soll Gijs de Vries die Aktivitäten der Geheimdienste koordinieren, die sich aber nur ungern in die Karten schauen lassen. Sie haben - allerdings an der Europäischen Union vorbei - in der Nähe von Paris eine eigene Koordinierungsstelle aufgebaut, wo vor allem auch Daten mit den US-amerikanischen Geheimdiensten über Terrorverdächtige ausgetauscht werden.