Auf neuen NATO-Chef warten schwierige Aufgaben
5. Januar 2004Der Entscheidung der 19 NATO-Mitgliedsstaaten am 23. September 2003 für Jaap de Hoop Scheffer ging ein internationales Auswahlverfahren voran. Anfang September 2003 hatte der damalige niederländische Außenminister US-Präsident George W. Bush besucht. Das Bewerbungsgespräch in Washington lief offenbar erfolgreich. Dem Weißen Haus gefällt vor allem die pro-amerikanische Haltung des christdemokratischen Holländers, der den Irak-Krieg immer unterstützt hat.
Balanceakt zwischen Europa und den USA
Wohlgefallen in Washington ist die wichtigste Eigenschaft, die ein Kandidat für den Spitzenposten der NATO mitbringen muss. Ohne Rückendeckung der mit Abstand stärksten Militärmacht im Bündnis hat kein Kandidat eine Chance.
Frankreich und Kanada hegten anfangs angeblich noch Vorbehalte gegen De Hoop Scheffer. Frankreich ist er zu Amerika-freundlich. Kanada hatte einen eigenen Kandidaten im Rennen. Den wiederum hatten die Europäer abgelehnt, weil der Posten des NATO-Generalsekretärs nach einem ungeschriebenen Gesetz einem europäischen NATO-Land zusteht. Die USA entsenden im Gegenzug stets den wichtigsten militärischen Kopf der NATO, den Oberbefehlshaber in Europa, kurz SACEUR.
Proamerikanisch, mit europäischem Profil
Jakob Gijsbert, genannt Jaap, de Hoop Scheffer war seit Juli 2002 Außenminister der Niederlande. Die NATO kennt er aus zwei Jahren Tätigkeit in der niederländischen Vertretung im Hauptquartier der Allianz von 1978 bis 1980. Bis 1986 war er dann Referent im persönlichen Büro des niederländischen Außenministers. De Hoop Scheffer wechselte als Abgeordneter ins Parlament und machte als Politiker Karriere. Von 1997 bis 2001 war er Fraktionschef des Christlich Demokratischen Appells (CDA).
Dem ehemaligen Luftwaffensoldaten De Hoop Scheffer wird nachgesagt, er habe selber Ambitionen auf das Amt des Regierungschefs in Den Haag gehegt. Die Partei zog aber den jugendlich wirkenden Jan Peter Balkenende vor. Von politischen Beobachtern wird De Hoop Scheffer als zurückhaltender europäischer Transatlantiker eingestuft. Das soll heißen, er tritt für ein enges Bündnis mit den USA ein, achtet aber gleichzeitig auf einen starken europäischen Pfeiler der NATO.
Robertson wollte nicht mehr
Die Niederlande stellten bereits zwei der zehn NATO-Generalsekretäre, Dirk Uipko Stikker in den 1960er-Jahren und Joseph Luns, der von 1971 bis 1984 amtierte. Der vorige NATO-Generalsekretär Lord George Robertson galt seit einiger Zeit als amtsmüde und wollte Ende 2003 vorzeitig als stellvertretender Chef einer Telefongesellschaft in die freie Wirtschaft wechseln.
Auf Jaap de Hoop Scheffer kommt ein ganzes Bündel von schwierigen Aufgaben zu. Er muss den Graben innerhalb der NATO zwischen Befürwortern und Gegnern des Irak-Kriegs schließen. Er muss die Integration von sieben neuen Mitgliedsstaaten (Litauen, Lettland, Estland, Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Slowakei) bewerkstelligen, die 2004 beitreten. Er muss das militärische Verhältnis der NATO zur wachsenden Europäischen Union festlegen und die Rolle bei Einsätzen außerhalb Europas, zum Beispiel in Afghanistan neu definieren.