Aufmärsche für und gegen Orban
23. Oktober 2013Ein nicht enden wollender Zug von Demonstranten strömte im Budapester Stadtzentrum zusammen, um Ministerpräsident Viktor Orban den Rücken zu stärken. Schätzungsweise 200.000 Ungarn folgten dem Aufruf regierungsnaher Kräfte zu einem "Friedensmarsch" anlässlich des Jahrestags des Aufstands gegen das kommunistische Regime im Oktober 1956.
Etwa 25.000 Anhänger der Opposition versammelten sich nahe der Technischen Universität zu einer eigenen Kundgebung, um erneut ihren Widerstand gegen die als autokratisch kritisierte Orban-Regierung auf die Straße zu tragen. Die Organisatoren hatten auf bis zu 100.000 Teilnehmer gehofft. Viele Demonstranten zeigten sich denn auch enttäuscht von der geringen Resonanz. "Nicht einmal an einem warmen Tag bringen wir die Menschen auf die Straße", beklagte einer.
Missstimmung im Oppositionslager
Erstmals war über Parteigrenzen hinweg zu dem Aufmarsch mobilisiert worden. Das linke und das liberale Lager mühten sich um einen geschlossenen Auftritt. Anhänger des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany störten hingegen die Rede des Sozialistenchefs Attila Mesterhazy. Demonstranten skandierten aus Protest: "Zusammenschluss".
Der 2010 gestürzte Ex-Regierungschef György Gordon Bajnai, der ein eigenes Oppositionsbündnis anführt, verglich Ungarn unter Orbans Führung mit dem untergehenden Kreuzfahrtschiff "Titanic". "Kapitän Orban" sage trotz massiver Probleme "volle Kraft voraus" und weise das Orchester an, lauter zu spielen, machte sich Bajnai lustig.
Orban: Kommunismus besiegen
Orban beschuldigte in einer Rede vor seiner Gefolgschaft die Sozialisten, während ihrer Regierungsära das Land abgewirtschaftet zu haben. Gerade die Nachfolger der Kommunisten hätten Ungarn den Spekulanten und der internationalen Finanzindustrie ausgeliefert. Es sei Zeit, das zu beenden, was man 1956 begonnen habe, so der Premier. Die von ihm angestoßenen Reformen seien notwendig, damit Ungarn den Kommunismus sowie die daraus resultierenden wirtschaftlichen und politischen Missstände endgültig hinter sich lassen könne.
Orban steht im In- und Ausland wegen seiner Amtsführung in der Kritik. Seine rechtsgerichtete Partei FIDESZ verfügt seit ihrer Wahl 2010 über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und nutzte diese für umstrittene Neuregelungen bei der Zentralbank und im Justizwesen sowie auf dem Mediensektor, die innerhalb der Europäischen Union auf harsche Kritik stießen. Seine Gegner werfen ihm autoritäre Tendenzen und die Untergrabung der Bürgerrechte und der Pressefreiheit vor.
SC/ml (afp, APE, dpa)