Aufschwung in Deutschland gewinnt an Tempo
12. Mai 2017Steigende Investitionen der Unternehmen, boomende Exporte und die Konsumfreude der Verbraucher haben für einen schwungvollen Start der deutschen Wirtschaft ins Jahr 2017 gesorgt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im ersten Quartal um 0,6 Prozent Im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden anhand vorläufiger Daten mitteilte. Ende 2016 war Europas größte Volkswirtschaft um 0,4 Prozent gewachsen.
Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit diesem Ergebnis gerechnet. Im vierten Quartal 2016 war das Plus mit 0,4 Prozent kleiner ausgefallen. "Die deutsche Wirtschaft ist weiter auf Wachstumskurs", erklärten die Statistiker. Sie trotzte damit der Unsicherheit nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump und dem näher rückenden EU-Austritt Großbritanniens.
Impulse von allen Seiten
Impulse kamen zu Jahresbeginn sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland. "Die Investitionen legten kräftig zu", betonte das Statistikamt. Sowohl in Bauten als auch in Ausrüstungen wie Maschinen sei "deutlich mehr" gesteckt worden, wozu niedrige Zinsen beigetragen haben dürften. Auch Verbraucher und Staat gaben etwa mehr aus. Da die steigende Inflation an der Kaufkraft der Konsumenten nagt, dürfte das Geld bei ihnen nicht mehr ganz so locker gesessen haben wie zuletzt.
Wegen der besseren Weltkonjunktur wuchsen die Exporte stärker als die Importe, was ebenfalls die Konjunktur anschob. Wichtige Kunden wie die Euro- und große Schwellenländer befinden sich derzeit im Aufwind. Details will das Statistikamt am 23. Mai nennen.
"Es wird ein gutes Jahr"
Chefvolkswirt Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe sprach von einem "Aufschwung ohne Ende". "Dass er von allen Seiten positive Impulse bekommen hat, zeigt, dass er auf einem breiten Fundament steht", sagte Krüger. Allerdings würde die Konjunktur ohne das für Deutschland unangemessen tiefe Zinsniveau weniger brummen. "Da sich daran vorerst jedoch nichts ändern wird, dürften die Lobeshymnen auf den deutschen Aufschwung anhalten", sagte Krüger.
"Das Wachstum ist jetzt breiter abgestützt, was eine äußerst erfreuliche Nachricht ist", sagte der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel. "Die Hoffnung steigt, dass es zu einem sich selbstverstärkenden Aufschwung kommt."
Deutschland wächst damit schneller als die beiden anderen großen Volkswirtschaften der Euro-Zone: Frankreich schaffte nur ein Plus von 0,3 Prozent zum Jahresauftakt, für Italien dürfte es nach Prognose der dortigen Notenbank sogar nur zu 0,2 Prozent reichen. "Es wird ein gutes Jahr für die deutsche Wirtschaft", erwartet Ökonomin Ulrike Kastens von Sal. Oppenheim.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist historisch günstig und die Zinsen sind niedrig, das stärkt die Kauflaune der Verbraucher. Sie sind Konsumforscher zufolge überzeugt, dass die Wirtschaft weiter im Aufwind ist. Die privaten Haushalte erhöhten ihre Konsumausgaben im ersten Quartal den Angaben zufolge leicht. Hinzu kamen Ausgaben des Staates, unter anderem für die Unterbringung und Versorgung Hunderttausender Flüchtlinge.
Milde Witterung und Erholung der Weltwirtschaft
Begünstigt wurde die Entwicklung zu Jahresanfang auch von der milden Witterung. Die Investitionen in Bauten legten kräftig zu. Zugleich investierten Unternehmen mehr in Maschinen und andere Ausrüstungen. Deutschlands Unternehmen profitierten von der Erholung der Weltwirtschaft und dem schwachen Euro, das treibt den Export an. Im März kletterten die Ausfuhren auf den höchsten Monatswert seit 1950. Nach Angaben der Wiesbadener Behörde stiegen die Exporte im ersten Quartal stärker als die Importe, das stützt das Wirtschaftswachstum.
Robustes Wachstum im Gesamtjahr
Auch für das Gesamtjahr rechnen Ökonomen mit einem robusten Wachstum. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute und die Bundesregierung erwarten 2017 einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um 1,5 Prozent. Manche Ökonomen trauen der deutschen Wirtschaft noch etwas mehr zu.
Im vergangenen Jahr hatte die deutsche Wirtschaft noch um 1,9 Prozent zugelegt. Allerdings gibt es 2017 mehr Feiertage, das hat Folgen für das Wirtschaftswachstum. Unsicherheit stiften allerdings weiterhin die unklaren Bedingungen des EU-Austritts Großbritanniens (Brexit) und die US-Handelspolitik.
ul/hb (dpa,rtr,afp)