Auftakt in Hessen
18. Januar 2009Zum Auftakt einer ganzen Serie von deutschen Wahlen in diesem Jahr wird im Bundesland Hessen an diesem Sonntag (18.01.2009) ein neuer Landtag gewählt - kaum ein Jahr nach dem vorigen Wahlgang am 27. Januar 2008. Im damals gewählten Landtag fand sich keine Mehrheit für eine neue Regierung. So blieb Ministerpräsident Roland Koch von der CDU nur geschäftsführend im Amt - eine für deutsche Parlamente bisher fast einmalige Situation.
Die sogenannten "Hessischen Verhältnisse" sind in Deutschland derzeit Synonym für die Unfähigkeit von Politikern, nach Wahlen eine Regierung zu bilden. In einem Parlament mit fünf Parteien ist das schwieriger, als es früher mit vier oder gar nur drei Fraktionen war. Keines der traditionellen politischen Lager erzielte bei der hessischen Landtagswahl 2008 eine tragfähige Mehrheit. Weder reichte es für SPD und Grüne (Rot-Grün) noch für eine bürgerliche CDU-FDP-Koalition (Schwarz-Gelb).
Wahljahr und Wirtschaftskrise
Rechnerisch möglich, aber in Hessen von vornherein eigentlich ausgeschlossen, war eine große Koalition von CDU und SPD. Das Modell Schwarz-Rot wird in einigen Bundesländern und insbesondere im Bund unter Kanzlerin Angela Merkel praktiziert.
Auch im Bundestag hat derzeit keines der beiden traditionellen Lager eine Mehrheit.
Die Große Koalition steht bei der Bundestagswahl am 27. September auf dem Prüfstand. Im Streit um Auswege aus der Wirtschaftskrise hat der Wahlkampf längst begonnen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel liegt ein Jahr voller Herausforderungen vor den Deutschen.
SPD-Kanzlerkandidat und derzeitiger Außenmininster Frank-Walter Steinmeier möchte sich als sozialpolitischer Krisenmanager profilieren. 2009 dürfe nicht das Jahr der Entlassungen werden, ließ er verlauten.
Besonders tiefe Gräben in Hessen
Trotz des Wahlkampfes sind Union und SPD auf Bundesebene in der Krise zum gemeinsamen Erfolg verdammt - anders als in Hessen. Dort sind die Gräben zwischen der sehr konservativen CDU unter Ministerpräsident Roland Koch und der stärker linksorientierten Hessen-SPD besonders tief. Deren Landeschefin Andrea Ypsilanti scheiterte zwei Mal bei dem Versuch, Ministerpräsident Koch durch eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Duldung der Linkspartei abzulösen.
Dieses Vorgehen wurde vor der Wahl so nicht angekündigt, fand aber danach breite Zustimmung auf SPD-Landesparteitagen. Diesem als "Wortbruch" angeprangerten Schwenk zur Linkspartei verweigerten SPD-Abweichler ihre Zustimmung und brachten so das Projekt Machtwechsel zu Fall - ohne Neuwahlen ging dann nichts mehr.
Neuer SPD-Herausforderer des geschäftsführenden Ministerpräsidenten ist Thorsten Schäfer-Gümbel. Er vermeidet eine Koalitionsaussage - ein nicht gegebenes Wort kann auch nicht gebrochen werden.
Für Roland Koch und seine CDU sind die SPD-internen Machtkämpfe eine politische Steilvorlage. Vehement spricht er sich gegen eine linke Republik aus und warnt die Wähler, wo Schäfer-Gümbel draufstehe, sei Andrea Ypsilanti drin.
Wählerumfragen geben Koch gute Chancen, gemeinsam mit der FDP eine Mehrheit zu bekommen und Regierungschef zu bleiben - als Reaktion auf die Linkspartei-Debatte und die SPD-Querelen.
"Hessische Verhältnisse" stehen also im Kern für den Streit darum, wie es die bisherigen vier Parlamentsparteien - also Union, SPD, FDP und Grüne - mit dem Newcomer Linkspartei halten.
Die Sache mit der Linkspartei
Das klassische bürgerliche Lager (Union und FDP) hat kaum Berührungspunkte mit den Linken und schürt Ängste vor sozialistischen Konzepten. Dagegen konkurrieren SPD und Grüne in vielen Fragen mit den Linken um die gleichen Wähler. Daraus lässt sich aber bisher offenbar kein stabiles Dreier-Bündnis bilden - was ohnehin instabiler wäre als die klassischen Zweier-Koalitionen.
Eine Zusammenarbeit von SPD und Linken ist zudem durch den politischen Weg Oskar Lafontaines vom SPD-Vorsitzenden zum Linksparteichef belastet.
SPD-Chef Franz Müntefering hat jedoch den Weg zu "rot-roten" Koalitionen auf Landesebene freigegeben, was zuvor nur in Ostdeutschland galt. Auf Bundesebene dagegen schließt die SPD weiterhin kategorisch ein Zusammengehen mit den Linken aus.
Doch auch hier gibt es Schlupflöcher. Bei der Bundespräsidentenwahl am 23. Mai kann die SPD-Kandidatin Gesine Schwan wohl nur dann auf eine Ablösung des Amtsinhabers Horst Köhler hoffen, wenn sie am Ende auch Stimmen der Linkspartei bekommt.
Weiteren Zündstoff für das Streitthema Rot-Rot bieten die Landtagswahlen am 30. August im Saarland und in Thüringen. Dort wollen die Spitzenkandidaten der Linkspartei mithilfe der SPD Ministerpräsidenten werden. Im Saarland ist dies Oskar Lafontaine, der bereits in seiner SPD-Zeit von 1985 bis 1998 dieses Amt innehatte.