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Aus für CO2-Abscheidung?

Gero Rueter15. Juli 2014

Kraftwerke verursachen eine Menge schädliche Klimagase. Durch die CO2-Abscheidung und Endlagerung könnten sie klimafreundlicher werden. Aber: Die Technik ist nicht ausgereift, riskant und es geht günstiger.

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Pilotanlage zur CO2-Speicherung in Ketzin (Brandenburg) bei Berlin (Foto: Bernd Settnik/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Fossile Kraftwerke pusten jede Menge CO2 in die Luft. Mithilfe der sogenannten CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) wäre es jedoch möglich, diese klimaschädlichen Gase am Kraftwerk abzuscheiden und im Boden einzulagern. Kohlekraftwerke könnten dadurch beispielsweise klimafreundlicher werden. Allerdings ist die CO2-Abscheidung und Speicherung im Untergrund umstritten. Besonders in Europa stocke die Entwicklung, so die EU-Kommission.

In Deutschland scheiterten die Pläne für den Ausbau am großen Widerstand der Bevölkerung und der Politik. Vorhaben für den Bau von großen CO2-Abscheideanlagen an Kraftwerken, CO2-Piplines oder anderen Anlagen, die das Klimagas in den Untergrund einbringen, wurden bereits eingestellt.

Forscher fordern realistische CCS-Szenarien

Pilotanlage zur CO2-Speicherung in Ketzin (Foto: Bernd Settnik/dpa)
Der Betrieb der Pilotanlage in Ketzin endete im Dezember 2013Bild: picture-alliance/dpa

Um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen, halten EU und die Internationale Energieagentur (IEA) weiter an der CCS-Technik fest. "Wir setzen unsere Aktivitäten zur CCS in Europa fort", betonte EU-Energiekommissar Günther Oettinger im März 2013 auf einer Pressekonferenz.

Im Sonderbericht zur Begrenzung des Klimawandels geht die IEA davon aus, dass bis 2035 "fast 30 Prozent aller neuen fossilen Kraftwerke mit CCS ausgerüstet sind."

CCS-Experte Professor Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, empfiehlt EU und IEA Zurückhaltung und die Ergebnisse der Forschung abzuwarten. "Es gibt einen Unterschied zwischen Wunsch und Realität", sagt Fischedick im DW-Interview und fügt hinzu: "Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass wir bis 2020 oder 2025 CCS im großen Maßstab in Europa und weltweit umsetzen, deshalb rate ich zu mehr Realismus."

Kritik an den EU-Szenarien kommt auch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). CO2-Abscheidung als Basis der künftigen Energieversorgung sei nicht geeignet, heißt es im aktuellen Bericht. "Die C02-Abscheidung hat sich in den letzten fünf Jahren als Fehlschlag erwiesen", betont auch Christian von Hischhausen, Forschungsdirektor für Industrieökonomie am DIW und ergänzt: "Die EU-Szenarien sind vier bis fünf Jahre alt und bauen auf der Hypothese auf, dass CO2-Abscheidung in technisch sicherem und ökonomisch vertretbarem Maße existiert. Beides hat sich als falsch erwiesen."

Infografik zur CO2-Abscheidung und Lagerung (Grafik: DW/Per Sander)
Die Kosten von CCS sind höher als erwartet, die Risiken von CO2 im Untergrund noch nicht ausreichend erforscht

Fischedick und der Energiekonzern RWE rechnen mit Zusatzkosten von 60 bis 80 Prozent pro erzeugter Kilowattstunde für Kraftwerke mit CCS-Technik. Strom aus einem neuen Steinkohlekraftwerk mit CCS-Technik würde in Deutschland so mindestens 13 Cent pro Kilowattstunde kosten und wäre kaum noch konkurrenzfähig. Zum Vergleich: Strom aus Wind oder großen Solarkraftwerken in Deutschland kostet heute weniger als zehn Cent, und für das Jahr 2025 prognostizieren Experten Kosten für diese beide Technologien unter sieben Cent pro Kilowattstunde.

Claudia Kemfert, Klimaexpertin am DIW, hofft, dass die EU ihre veralteten Zahlen, auf die sich die EU-Roadmap zur Klimapolitik stütze, überarbeitet und die Kostenreduktion der erneuerbaren Energien bei den Szenarien berücksichtigt werde. "Erneuerbare Energien sind die einzige Option für eine nachhaltige C02-arme europäische Stromwirtschaft", so die Energieökonomin im DW-Interview.

Infografik Kosten Stromproduktion Europa
Die Studien sind eindeutig: Stromerzeugung mit CCS-Technik macht ökonomisch keinen Sinn.

CCS für Altkraftwerke, Industrie und Bioenergie

Auch Fischedick empfiehlt den Entscheidungsträgern "den Ausbau erneuerbarer Energien und mehr Anstrengung bei der Umsetzung der Effizienzpotenziale". Die CCS-Forschung will er jedoch aufrechterhalten. "Wir könnten aus Klimaschutzgründen in eine Situation kommen, bestehende Kraftwerke mit CCS nachzurüsten." Es mache folglich Sinn, diese Technologie deshalb weiterzuentwickeln und offene Sicherheitsfragen zu klären.

Als Einsatzgebiet für CCS-Technik sieht Fischedick zudem die Industrie. CO2, das bei industriellen Prozessen freigesetzt wird, könnte mit dieser Technik aufgefangen werden, "um so ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen".

In einer neuen Lösung kombinieren Forscher CCS mit Biomassekraftwerken. Dieses Bio-CCS ist nach Ansicht einer aktuellen Studie vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) eine Möglichkeit, die CO2-Emmissionen in der Atmosphäre wieder zu reduzieren und die globale Erwärmung nicht nur zu stoppen, sondern sogar umkehren zu können.