Tief in den Miesen
4. Januar 2010
In Artikel 115 des Grundgesetzes, der sich mit dem Finanzwesen der Bundesrepublik beschäftigt, heißt es: Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Mit anderen Worten: Der Staat darf keine Schulden machen. Eine Vorgabe, die erst im vergangenen Jahr ins Grundgesetz aufgenommen wurde und ab 2011 gelten soll.
Doch wie soll das funktionieren angesichts einer Neuverschuldung im Bundeshaushalt 2010, die selbst Finanzminister Wolfgang Schäuble tiefe Sorgenfalten in die Stirn treibt? "Wir haben in diesem Haushalt ein strukturelles Defizit von ungefähr 70 Milliarden Euro, und dieses strukturelle Defizit müssen wir in gleichen Jahresraten, in gleichen Schritten - so steht es im Grundgesetz - beginnend 2011 zurückführen. Das sind jährlich zehn Milliarden Euro. Das wird ungewöhnlich schwierig sein", so der Bundesfinanzminister.
Sparen erst nach der Landtagswahl
Konkrete Sparvorschläge will Schäuble aber erst nach der nächsten Steuerschätzung im Mai erarbeiten und im Juli vorlegen. Mit dieser Terminsetzung will die Bundesregierung auch verhindern, dass das unerfreuliche Thema den Wahlkampf im Bundesland Nordrhein-Westfalen dominiert, wo am 9. Mai Landtagswahlen stattfinden. Dabei hat die Debatte über Einsparmöglichkeiten längst begonnen. Sie wird vor allen Dingen von der Opposition befeuert, die es der Regierung übelnimmt, dass sie trotz der angespannten Haushaltslage zum 1. Januar Steuersenkungen in Kraft gesetzt hat. Die treffen nämlich auch die Bundesländer, die sich gerade verpflichtet haben, ihre Bildungsausgaben um 57 Milliarden Euro auf 282 Milliarden Euro aufzustocken. Kurt Beck, der SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, treibt das die Zornesröte ins Gesicht.
Rotstift bei den Sozialausgaben?
Weniger Einnahmen gleich weniger Ausgaben - diese Gleichung bedeutet eigentlich, dass ab 2011 die Haushaltsausgaben massiv gedrosselt werden müssen. Doch wo kann man überhaupt kürzen? Viel Spielraum gibt es nicht: Dreiviertel des Etats sind praktisch festgelegt durch Zuschüsse für die Renten, Ausgaben für den Arbeitsmarkt, Zinsen, Personal und Zuwendungen des Bundes beispielsweise an die Länder. Allein der Bereich Arbeit und Soziales macht 45 Prozent der Gesamtausgaben aus, die sich 2010 auf 325,4 Milliarden Euro belaufen sollen. Auf Platz zwei folgen die Kosten für den Schuldenberg. Der Bund ist mit rund einer Billion Euro verschuldet und zahlt dafür gut 40 Milliarden Euro Zinsen im Jahr.
Sozialdemokraten und Linke befürchten, dass die Regierung den Rotstift vor allem bei den Sozialausgaben ansetzen wird. Das dürfe keinesfalls geschehen, sagt der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch. Er plädiert stattdessen für mehr Einnahmen: "Wir wollen eine Millionärssteuer, die die Profiteure der Krise zur Kasse bittet. Wir wollen einen erhöhten Spitzensteuersatz, der Geld in die öffentlichen Haushalte bringt. Wir wollen eine wirklich reformierte Erbschaftssteuer und nicht Geschenke an Großerben, wie das jetzt geschieht." Außerdem fordert Bartsch, dass die Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine Börsenumsatzsteuer einzuführen, nicht nur eine Ankündigung bleibt.
FDP beharrt weiterhin auf Steuerentlastungen
Auf das Gegenteil setzt die FDP. Der Koalitionspartner der Union plant ab 2011 weitere Steuerentlastungen im Umfang von 20 Milliarden Euro und möchte einen Stufentarif einführen. Das stößt bei der Union zwar auf Skepsis, FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke verspricht sich davon jedoch einen großen Schub für die Konjunktur. So wird das neue Jahr vor allem eins bringen: Eine Debatte über das liebe Geld. Wo kann man sparen, wie kann der Staat mehr Geld einnehmen? Da bleibt nur zu hoffen, dass sich die Krise im laufenden Jahr tatsächlich verabschieden wird. Denn wenn sie bleibt, dann werden die Haushaltspläne für 2010 schnell Makulatur sein.
Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Monika Lohmüller