Ein Vorbild für die EU?
22. April 2015Stoppt die Flüchtlingsboote und ihr seid euer Problem los. Geht es nach Australiens Premierminister Tony Abbott ist das die Formel für eine gelungene Flüchtlingspolitik - auch in Europa. Nachdem am Wochenende nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks UNHCR etwa 800 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen waren, sagte er dem australischen Sender ABC: "Der einzige Weg, wie man das Sterben beenden kann, besteht tatsächlich darin, die Schiffe aufzuhalten."
Eine Strategie, die der konservative Politiker in seiner Heimat bereits seit Jahren verfolgt: "Stop the boats" hieß einer seiner Wahlkampfslogans. 2013 gewann seine "Liberal Party of Australia" damit die Parlamentswahlen. Und kurz nach Abbotts Amtsantritt als Premier startete die Operation "Sovereign Borders".
Asylverfahren per Videoschalte auf hoher See
Dabei fängt die australische Marine die Boote schon weit vor der eigenen Küste ab und zwingt sie zur Umkehr. Besonderes Aufsehen erregte ein Fall im Juli 2014, bei dem die australische Küstenwache einen Kutter auf hoher See gestoppt hatte, hunderte Kilometer von der australischen Küste entfernt. An Bord waren 41 Menschen aus Sri Lanka. Nachdem die australischen Behörden die Flüchtlinge per Video-Schalte angehört hatten, lehnten sie alle Asylanträge ab und übergaben das Boot der Marine Sri Lankas. "Offshore processing" nennt die australische Regierung diese Methode – mit der sie sich den Zorn internationaler Menschenrechtsorganisationen zuzieht.
Von "schamlosen Verstößen gegen die internationale Flüchtlingskonvention" spricht der "Refugee Council", ein Dachverband australischer Flüchtlingshilfswerke. Auch Gillian Triggs, die Leiterin der staatlich finanzierten australischen Menschenrechtskommission, glaubt nicht, dass das Vorgehen der australischen Behörden "den UNHCR-Standards oder den Standards irgendeines anderen Landes entsprechen, das sich je mit Asylbewerbern auseinandergesetzt hat".
Einwanderungsminister Peter Dutton hingegen betont - auch in der aktuellen Debatte - immer wieder, wie erfolgreich die rigide Flüchtlingspolitik ist: Seit fast anderthalb Jahren habe kein Flüchtlingsboot mehr die australische Küste erreicht. Auch habe es seitdem keinen einzigen Todesfall auf dem Meer gegeben.
Flüchtlinge im Tausch gegen Entwicklungshilfe
Auch Flüchtlinge, die nicht sofort zurückgeschickt werden, kommen in der Regel nicht nach Australien. Stattdessen bringt die Regierung sie in Aufnahmelagern auf den Weihnachtsinseln, im Inselstaat Nauru oder in Papua-Neuguinea unter. Immer wieder stehen auch diese Lager in der Kritik: Auch Kinder werden hier eingesperrt; es gibt Berichte über Misshandlungen.
Und selbst wenn ihre Asylanträge anerkannt werden, müssen die Flüchtlinge laut australischer Gesetzgebung in der Regel auf Nauru oder Papua-Neuguinea bleiben. Schließlich seien sie dort "keiner Art von Verfolgung ausgesetzt", erklärte Abbott vor einiger Zeit in einem Interview mit dem "Sydney Morning Herald".
Gleiches gilt nach Sicht der Regierung für das Entwicklungsland Kambodscha: "Kambodscha ist ein sicheres Land, wo die Polizei für Recht und Ordnung sorgt", heißt es in einem Papier der australischen Behörden. "Es gibt keine Probleme mit Gewalttaten oder streunenden Hunden." Deshalb sollen künftig anerkannte Asylbewerber aus den Auffanglagern hierhin umgesiedelt werden. Australien übernimmt dafür die Kosten und zahlt Kambodscha vier Jahre lang insgesamt rund 29 Millionen Euro (40 Millionen Australische Dollar). Ein entsprechendes Abkommen unterzeichneten die Regierungen in Canberra und Phnom Penh vergangenen Herbst.
Die Vereinbarung ist höchst umstritten, denn Korruption, Menschenrechtsverstöße und Menschenhandel sind aus Sicht von Nichtregierungsorganisationen ein großes Problem in Kambodscha. Amnesty International kritisierte den Schritt als "neuen Tiefpunkt in Australiens beklagenswertem und unmenschlichem Umgang mit Asylsuchenden". Kurzfristige politische Interessen würden über den Schutz von wehrlosen Menschen gestellt.
Rechtlich und moralisch umstritten
Wenn sich die EU diese Politik zum Vorbild nehmen würde, wäre das deshalb aus Sicht von Menschenrechtlern eine Katastrophe. Zum einen würde es rechtlich zumindest in Teilen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, sagt Jane McAdam von der Universität von New South Wales.
Zum anderen sei die australische Flüchtlingspolitik schlicht "unpraktisch, grausam und unmenschlich", urteilt Elaine Pearson, Chefin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Australien. "Es ist vielleicht effektiv, das Problem auf andere Länder abzuwälzen, aber es lässt die Tatsache völlig außer Acht, dass Menschen nun einmal vor Verfolgung fliehen und irgendwo hingehen müssen."