Australien: Darum blockiert Facebook News
20. Februar 2021Facebook lässt die Muskeln spielen - so haben Politiker und Medienexperten den Schritt des US-Internetkonzerns in Australien interpretiert: Seit Mittwoch können Nutzer in Australien auf Facebook keine Nachrichten professioneller Medienhäuser mehr posten.
Hintergrund ist ein Gesetz, das kurz vor der Verabschiedung im australischen Parlament steht. Danach sollen Facebook und Google Nutzungsgebühren für Medieninhalte an die Rechteinhaber bezahlen. Verstöße sollen mit Millionenstrafen geahndet werden. Für die Tech-Konzerne geht es also - so oder so - um Milliarden von Dollar.
Leistungsschutzrecht auf Australisch: Was steht im News Media Bargaining Code?
Der Gesetzesvorschlag der australischen Regierung für den News Media Bargaining Code (NMBC) sieht vor, dass Internetplattformen Gebühren an Medienhäuser zahlen müssen, wenn sie deren Inhalte verbreiten. Anders als in der Urheberechtsrichtlinieder Europäischen Union sehe der NMBC eine Entschädigung unabhängig von der tatsächlichen Reichweite vor, erklärt der Kölner Medienrechtsanwalt Christian Solmecke. Auch die sogenannte Snippet-Ausnahme, nach der es den Plattformen erlaubt ist, einzelne Wörter und kurze Auszüge aus Veröffentlichungen unentgeltlich zu verbreiten, gibt es im australischen Gesetzentwurf nicht. Das Aufführen von bloßen Links fällt also unter den NMBG.
Was würde das Gesetz für Facebook und Google bedeuten?
Laut Gesetz müssen Facebook und Google mit Verlagen eine Vergütung aushandeln, bevor sie deren Inhalte nutzen und verbreiten. Kommt es zu keiner Einigung, soll ein Schiedsgericht eine angemessene Entschädigung festlegen. Bei Verstößen sollen sie mit Strafen von bis zu zehn Prozent ihres Jahresumsatzes in Australien bestraft werden können.
Wie wehren sich Facebook und Google gegen das Gesetz?
Im Januar hatte Google erklärt, man habe keine andere Wahl, als die Suchmaschine für Australien abzuschalten, sollte das Gesetz wie vorgesehen in Kraft treten. Nun hat Facebook einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie es dort dann aussehen könnte: Seit Mittwoch können Nutzer keine News mehr posten.
Wie erklären die Tech-Giganten ihre Position?
Sowohl Facebook als auch Google erklärten sinngemäß, sie sähen sich dazu gezwungen, vom NMBC betroffene Dienste abzuschalten und argumentieren vor allem betriebswirtschaftlich: "Das Konzept, eine sehr kleine Gruppe von Websites oder Content-Produzenten dafür zu bezahlen, dass sie in unseren organischen Suchergebnissen erscheinen, wäre ein gefährlicher Präzedenzfall und ein nicht-handhabbares Geschäftsrisiko für uns", erklärte Googles Regionalmanagerin Melanie Silva vor dem zuständigen Senatsausschuss. Ganz ähnlich klingt es bei Facebook.
Welche Reaktionen haben Facebook und Google damit hervorgerufen?
Sowohl die Google-Ankündigung als auch die News-Blockade bei Facebook wurden allgemein als Drohgebärden interpretiert. Offensichtlich liegt es nicht im Interesse der Unternehmen, ihre erfolgreichsten Dienste einzustellen oder zu beschneiden. Der australische Premierminister Scott Morrison bezeichnete die Aktion als "ebenso arrogant wie enttäuschend". Medienexperte Solmecke hält die Vorgehensweise für wenig zielführend: "Viel eher sollte Facebook die letzte Gelegenheit nutzen, um mit der Regierung beziehungsweise dem Gesetzgeber in konstruktive Verhandlungen zu treten." Google ist mittlerweile in Verhandlungen mit einigen Medienhäusern getreten.
Wer war von der Facebook-Blockade betroffen?
Neben Verlagsseiten waren zeitweise auch Meldungen und Seiten staatlicher Behörden und gemeinnütziger Organisationen auf Facebook gesperrt - darunter aktuelle Meldungen zu COVID-19 und Unwetterwarnungen.
Facebook bezeichnete dies als Versehen. Medienanwalt Solmecke ist skeptisch: "Ich würde es einem Konzern wie Facebook durchaus zutrauen, solch ein Manöver aus strategischen Gründen zu fahren."
Die Nachrichtenagentur AFP meldete, dass Seiten alternativer Medien kaum von der Sperre betroffen seien, darunter Seiten, die den Fact-Checkern von AFP durch die Verbreitung von Falschmeldungen und Verschwörungstheorien aufgefallen seien.
Wie könnte sich das auf die Medienlandschaft auswirken?
Marcus Strom, Sprecher des australischen Medienverbandes Media, Entertainment and Arts Alliance, sagte gegenüber AFP: "Dadurch, dass Facebook unabhängig, professionell produzierte Nachrichten in Australien unterdrückt, erlaubt es die Verbreitung von Verschwörungstheorien, Fehlinformationen, Fake News und QAnon-Spinnereien auf seiner Plattform."
Der deutsche Experte Solmecke sieht das ähnlich: "Heutzutage besorgen sich viele Millionen Menschen ihre Informationen insbesondere aus den sozialen Netzwerken. Ohne Inhalte seriöser Medien dürften Verschwörungstheoretiker und Co. noch stärker in die Meinungsbildung eingreifen, als sie es ohnehin schon tun."
Zudem habe sich gezeigt, dass manche Plattformen offenbar bereit sind, nicht nur Einzelpersonen und Unternehmen, sondern auch ganze Staaten von ihren Diensten auszuschließen, meint Solmecke: "Ein Schreckensszenario, dass sich hoffentlich nicht etabliert."
Welche Kritik gibt es am australischen Gesetzesvorhaben?
Der britische Computer-Wissenschaftler Timothy Berners-Lee, der als Erfinder des World Wide Web gilt, äußerte in einer Anhörung vor dem australischen Senat Besorgnis über das Gesetzesvorhaben - insbesondere darüber, dass schon Links und Snippets davon betroffen sein sollen. Dies, so Berners-Lee, könnte ein grundlegendes Prinzip des Internets verletzen, nämlich dass Inhalte kostenlos mit einander verknüpft werden können.
Was können andere Länder von Australien lernen?
Neben Australien wollen auch die EU sowie einige Mitgliedstaaten - darunter Frankreich, Spanien und Deutschland - die Position der Verlage und Medienhäuser gegenüber den Tech-Giganten aus dem Silicon Valley stärken. "Für uns Europäer ist es eigentlich Glück im Unglück, denn so können wir beobachten, wie sich die Konzerne verhalten, wenn sie in die Enge getrieben werden", meint Anwalt Solmecke.
Die hiesigen Gesetze bieten den Plattformen zwar in wichtigen Punkten mehr Spielraum als das australische Vorhaben, dennoch ist der Ausgang offen und könnte auch innerhalb der EU unterschiedlich ausfallen. Frankreich hat die betreffende EU-Richtlinie bereits umgesetzt. Dort haben sich Google und der Verlegerverband APIG bereits auf einen Rahmenvertrag geeinigt. In Deutschland fehlt bisher ein nationales Gesetz, und ob Google danach Medieninhalte weiterhin anzeigen wird, ist keineswegs sicher.