Automarkt 2023: Durchwachsene Aussichten
29. Dezember 2022Die Aussichten für den Automarkt des Jahres 2023 erscheinen für deutsche Hersteller nicht gerade rosig. Von einem "tristen Bild" im Hinblick auf das europäische Autogeschäft spricht Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Center Automotive Research in Duisburg.
Zwar sind die Auftragsbücher der Autobauer noch gut gefüllt. Doch nach Analyse des Experten konnte der Überhang von Neufahrzeug-Bestellungen nur deshalb entstehen, weil Lieferketten gestört waren und Halbleiter oder andere wichtige Bauteile fehlten.
Geringeres Angebot mit hohen Margen
Zusammen mit den Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie entstand eine ganz spezielle Gemengelage: Alle Hersteller bauten weniger Autos als geplant, das Angebot von Neufahrzeugen schrumpfte auf breiter Front. Was schließlich vom Band rollte, wurde dafür mit hohen Margen verkauft. Die in der Autobranche normalerweise üblichen Rabatt-Orgien gehörten plötzlich der Vergangenheit an.
"Das wird ab 2023 vorbei sein", so Dudenhöffer. "Dann sind die Orderbanks leer und die Kunden erhalten Seltenheitswert." Denn die Inflation, hohe Energiepreise und die Rezession verursachen Kaufblockaden für Neuwagen. "Mit dem Jahr 2023 kommt die Renaissance der Autorabatte."
"Europa auf der Verliererstraße"
Dudenhöffer sieht Europa "auf der Verliererstraße". Während er für Deutschland ein leichtes Wachstum bei Neuwagenverkäufen prognostiziert, erwartet er für Frankreich, England, Italien, Spanien und den "Sonderfall" Russland schrumpfende Verkaufszahlen im Jahr 2023.
Dagegen rechnet er im neuen Jahr mit steigenden Autoverkäufen in Asien und Nordamerika. Denn China und die USA setzen auf Konjunkturprogramme, die auch der Autoindustrie zugute kommen.
Aus den USA droht Gefahr
Der Inflation Reduction Act der Biden-Administration sieht in den Vereinigten Staaten über zehn Jahre hinweg Ausgaben von rund 430 Miliarden Dollar vor, die das Land in eine grünere Zukunft führen sollen. Unter anderem verspricht die Regierung jedem Käufer eines Elektroautos 7500 Dollar Steuergutschrift - sofern die Fahrzeuge in den USA zusammengebaut wurden.
Diese Regelung gilt sinngemäß auch für alle anderen Branchen und zielt wohl in erster Linie auf China. Nach Einschätzung des deutschen Bankenverbandes ist sie aber genügend vage, um auch Unternehmen aus anderen Ländern auszuschließen, beispielsweise die deutschen Autobauer, die dann verstärkt Produktionsstandorte in den USA aufbauen müssten.
Boom bei Elektroautos
In Deutschland waren die Neuzulassungen von Elektroautos zuletzt deutlich gestiegen. Denn seit Juni 2020 werden neu zugelassene reine Elektrofahrzeuge mit einem Listenpreis von unter 40.000 Euro mit 6000 Euro vom Bund und 3000 Euro vom Autobauer, insgesamt also mit 9000 Euro gefördert. Käufer von teilelektrischen Plug-In Hybriden erhalten bis zu 6750 Euro Kaufprämie.
So dürften bis zum Jahresende 2022 nach Schätzungen des CAR-Instituts Elektroautos in Summe auf knapp 28 Prozent im deutschen Pkw-Markt kommen. Das wären rund 720.000 Elektroautos, davon 326.000 Plug-In Hybride und 394.000 vollelektrische Fahrzeuge.
Förderung wird gekürzt
Ab Januar 2023 wird die Förderung gekürzt, zusätzlich steigen die Strompreise drastisch. Auch die staatlich finanzierte Strompreisbremse bringt dabei keine Entlastung. Denn sie gilt nur für 80 Prozent des Verbrauchs und das Laden neuer Elektroautos addiert sich zum Stromverbrauch jeden Haushalts.
Deshalb gehen die meisten Experten davon aus, dass deutliche Einbrüche beim Verkauf neuer Elektroautos zu erwarten sind. Eine illustre Allianz aus Umwelschützern und Autoindustrie sieht hierzulande bereits die vielbeschworene Verkehrswende in Gefahr.
Gegenwind in China
Harschen Gegenwind verspüren deutsche Hersteller auch in China, dem größten Automarkt der Welt. BMW und Mercedes-Benz verkaufen dort mehr als 30 Prozent ihrer Fahrzeuge, beim VW-Konzern sind es sogar über 40 Prozent.
Doch bei Elektroautos scheint das bisherige Erfolgskonzept der Deutschen in China nicht zu funktionieren. So berichtet das Handelsblatt, dass das chinesische Start-up Human Horizons mit dem Modell HiPhi X der Konkurrenz davon fährt, und zwar ausgerechnet in der Oberklasse, wo die höchsten Gewinne erzielt werden. Bisher war das eine Domäne von Mercedes, BMW und Audi.
Alte Markenstärke verliert an Bedeutung
Auch in anderen Segmenten und Fahrzeugklassen fahren lokale Anbieter wie BYD, GAC, Li Auto und Nio der Konkurrenz aus Europa davon. Sie bieten mittlerweile - auch nach Meinung deutscher Ingenieure, die ausgiebig chinesische Fabrikate getestet haben - gute Qualität und sind verhältnismäßig günstiger zu haben.
Die Markenstärke der Deutschen bei Autos mit Verbrennungsmotoren übertrage sich in China eben nicht eins zu eins auf elektrische Antriebe, glaubt Daniel Röska, Autoexperte beim US-amerikanischen Vermögenverwalter Alliance Bernstein - eine Tendenz, die sich im Jahr 2023 noch verstärken könnte.