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Bürokratie-Museum Berlin - ein Weckruf

Julie Gregson
12. Mai 2024

Auch dafür ist Deutschland weltbekannt: überbordende Bürokratie und ausuferndes Beamtentum. Das Bürokratie-Museum in Berlin widmet sich nun augenzwinkernd dem Thema.

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Im Bürokratie Museum in Berlin - gestapelt Aktenordner
Bürokratiemuseum Berlin: Aktenstapel als SymbolBild: Julie Gregson

Gleich am Eingang des Bürokratie-Museumswerden die Besucher in einen ausgehöhlten Baum geleitet. Auch er ist ein Symbol für die Auswirkungen deutscher Bürokratie. Jeden Tag werden 52 Bäume gefällt; nur damit ausgedruckt werden kann, was die Bürokratiekrake produziert, sagen die Museumsmacher.

Deutschland ist berüchtigt für seine Bürokratie. Eines der zentralen Versprechen der Regierung war es, das Dickicht der Gesetze zu lichten. Doch viele sind der Meinung, dass die neuen Gesetzesinitiativen, die Ende Juni vom Parlament verabschiedet werden sollen, weit hinter dem zurückbleibt, was versprochen war: echter Bürokratieabbau.

Bürokratie Museum in Berlin - ein ausgehöhlter Baum als Eingang zum Museum
Eingang in den Paragrafen-Dschungel deutscher BehördenBild: Julie Gregson

Auf 350 Quadratmetern hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) nun in Berlin ein Pop-Up-Museum gestaltet, was sich der ausufernden deutschen Bürokratie widmet.

Ganz eigennützig handelt die Initiative dabei nicht, denn die INSM ist eine Lobby-Organisation, die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanziert wird. Und die setzen sich schon länger für weniger Bürokratie in der deutschen Wirtschaft ein.

"Bürokratie gibt es überall. Aber in Deutschland ist sie zum Standortnachteil Nummer eins geworden - noch vor Steuern und Energiepreisen", sagt Thorsten Alsleben, Geschäftsführer der INSM. Für 58 Prozent der Unternehmen sei dies Grund genug, sich gegen eine Investition in Deutschland zu entscheiden. Alsleben wirft der deutschen Politik vor, Innovationen und den Unternehmergeist durch ausufernde Bürokratie zu bremsen.

Bürokratie Museum in Berlin - Darstellung eines Warteraumes mit einem Skelett
Endloses Warten – auch das gehört zu den Auswirkungen der BürokratieBild: Julie Gregson

Die deutsche Bürokratie ist zeitaufwendig - für Unternehmen und für Bürger. Viele Dienstleistungen, wie die Beantragung eines Führerscheins oder eines Personalausweises, erfordern persönliche Termine bei den Ämtern. Einen solchen zu ergattern ist oftmals reine Glückssache. Nach Angaben des Museums dauern die Ämtertermine im Durchschnitt zwei Stunden und 21 Minuten. Kleinere und mittlere Unternehmen verbringen, so heißt es, rund 13 Stunden pro Woche mit Papierkram für Behörden und Ämter.

Deutschland ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ein Nachzügler in Sachen Digitalisierung von Behörden und Verwaltung. Faxgeräte sind häufig noch Standard. Deutschland gerät aber zunehmend unter Druck. Die EU hatte schon 2017 ein Gesetz beschlossen, das Behörden verpflichtet, bis Ende 2022 rund 580 Dienste digital aufzustellen. Bis Anfang 2024 waren in Deutschland lediglich 81 voll und 96 teilweise in Betrieb.

Ein Mann sitzt wartend vor einem Stapel von Faxgeräten - Darstellung in Anlehnung an "Der Denker" von Rodin
Warten auf die nächste Faxnachricht - Persiflage auf Rodins "Der Denker"Bild: Julie Gregson

Die Schuld allein mit dem Föderalismus der Bundesländer zu erklären, sei zu einfach, meint Corinna Funke. Sie ist Managerin und Beraterin bei der Agentur gfa public. Andere föderale Staaten wie zum Beispiel Kanada schnitten in der Rangliste der digitalen Wettbewerbsfähigkeit besser ab als Deutschland. Der Ansatz Kanadas sei trotz des Föderalismus in der Umsetzung dezentral: "Im digitalen Raum hängt die Qualität stark davon ab, dass es eine Plattform gibt, die jeder kennt. Und nicht tausende unterschiedliche Angebote. Es dürfen eben nicht zu viele Templates und Designs sein, sondern etwas mit Wiedererkennungswert; One-Stop-Shops, die Standards setzen", so Funke zur DW.

Und sie nennt einen weiteren Grund für die deutsche Behäbigkeit. Deutschland habe zuerst preußische Ordnung gehabt; erst später kam die Demokratie: "Die wichtigsten Werte und Normen in den Verwaltungen bürokratischer Länder sind nicht so sehr Effizienz, Bürgerfreundlichkeit oder das Einsparen von Steuergeldern. Es geht sehr oft lediglich um die Umsetzung von Gesetzen", ergänzt Funke.

Manchmal entstünden absurde Situationen, sagt INSM-Geschäftsführer Thorsten Alsleben: "Dann kommt der Arbeitsschutz und sagt, du brauchst geriffelte Fliesen, damit die Mitarbeiter nicht ausrutschen. Dann kommt aber das Gesundheitsamt und erklärt, aus hygienischen Gründen würden doch glatte Fliesen benötigt."

Die Zahl der Gesetze und Verordnungen sei aus dem Ruder gelaufen, so Alsleben. Auch seien in der Politik und den Verwaltungen zu wenige Leute, die unternehmerische Erfahrungen hätten. Im Bürokratiemuseum können sich die Besucher ihre Lieblingsgesetze aussuchen, und sie dann durch den Schredder jagen.

Plastikbeuten mit geschredderten Gesetzesvorlagen und der Aufschrift "Bürokratie in ihrer schönsten Form"
Überflüssige Gesetze gehörten geschreddert, meint die INSMBild: Julie Gregson

Die Bürokratie treibt viele zur Weißglut. Aber vielleicht ist es auch ein bisschen zu einfach, Beamte zu den Prügelknaben und -mädchen der Nation zu machen. Johanna Sieben, Leiterin des Creative Bureaucracy Festivals, sagt, dass vor allem auf lokaler Ebene Unterfinanzierung und Personalmangel ebenfalls ein Hindernis für Veränderungen seien. Es fehle oft schlicht das Geld für moderne, unbürokratische Lösungen. Das Festival ist eine internationale Veranstaltung in Berlin, die den Wandel von Verwaltung fördern will.

Beim Museum für Bürokratie übrigens geht alles ganz unbürokratisch und zügig. So schnell wie es gekommen ist, ist es auch wieder weg. Noch bis zum 25. Juni kann es bei freiem Eintritt in der Hauptstadt Berlin besichtigt werden.